Bau der zweiten S-Bahnstammstrecke:Das große Graben

Wo wird wann gebaut? Wo wird es für die Anwohner besonders schlimm? Der Innenstadt-Tunnel wird die größte S-Bahn-Baustelle seit 1972. Die SZ klärt die wichtigsten Fragen.

D. Hutter

Viele hatten ihn schon totgesagt: den zweiten S-Bahn-Tunnel. Nun aber soll es 2011 losgehen mit der großen Buddelei durch die Münchner Innenstadt, unter der sich bereits ein beachtliches Röhren-Gewirr befindet. Doch wie wird das vonstattengehen, und wer ist von den Grabungen am meisten betroffen? Die SZ klärt die wichtigsten Fragen rund um Münchens größte S-Bahn-Baustelle seit 1972.

Wie realistisch ist es, dass der zweite S-Bahn-Tunnel gebaut wird?

Die Röhre wurde am 23. März vom bayerischen Kabinett einmütig beschlossen, einen Tag später bekundete auch die große Mehrheit des Münchner Stadtrats ihre Zustimmung. Das Votum des Landtags steht noch aus, ein Ja gilt inzwischen aber als wahrscheinlich. Der danach entscheidende Schritt ist der Abschluss einer Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Freistaat und dem Bund.

Auch die Staatsregierung räumt ein, dass die Verhandlungen angesichts leerer Kassen nicht einfach werden. Allerdings bestehe auf beiden Seiten ein klarer Wille zur Realisierung der Stammstrecke, im Haushalt des Freistaats ist das nötige Geld bereits eingestellt. Die tunnelkritischen Grünen zeigen sich dagegen überzeugt, dass das Projekt an dieser Hürde scheitert. Denkbar sind allerdings auch Verzögerungen oder Einschränkungen durch die Gerichte. Gegen die Baugenehmigung für den Tunnelabschnitt rund um den Marienhof haben bereits Geschäftsleute Klage erhoben.

Wo genau soll die Trasse verlaufen?

Das westliche Tunnelportal befindet sich etwas stadtauswärts der Donnersbergerbrücke. Von dort aus verläuft die Strecke unter dem großen Gleisfeld bis direkt unter die Schalterhalle des Hauptbahnhofs. Etwa auf Höhe Stachus unterfährt der Tunnel die bestehende Stammstrecke, führt weiter zur Schäfflerstraße und dann zum Marienhof. Durchs Lehel geht es zur Isarquerung etwas südlich des Maximilianeums, danach unter den Neubauten an der Inneren Wiener Straße hindurch entlang der Keller- und Weißenburger Straße zum Orleansplatz. Die Züge kommen etwa auf Höhe Berg-am-Laim-Straße, also kurz vor dem Bahnhof Leuchtenbergring, wieder an die Oberfläche.

Welche Stationen gibt es?

Welche Stationen gibt es?

Hauptbahnhof, Marienhof (mit direkter Verbindung zum Bahnhof Marienplatz) und Ostbahnhof (unterhalb der bestehenden U 5-Station am Orleansplatz).

Wie wird gebaut?

Nach Auskunft von Projektleiter Albert Scheller wird der eigentliche Tunnel bergmännisch aufgefahren. Dabei kommen zwei Schildvortriebsmaschinen zum Einsatz, die sich von der Donnersbergerbrücke beziehungsweise der Berg-am-Laim-Straße bis zum jeweils anderen Tunnelende durch den Untergrund fräsen. Die Bahnhöfe müssen allerdings ebenso wie die Notausstiege von der Oberfläche aus gebaut werden. Dabei kommt die sogenannte Deckelbauweise zum Einsatz: Erst wird eine Grube gegraben, dann die Decke montiert. Unter deren Abschirmung buddeln sich die Arbeiter weiter nach unten vor.

An welchen Stellen entstehen offene Baugruben?

Die für die Anwohner unangenehmsten Stellen sind der Hauptbahnhof, der Marienhof und der Orleansplatz. Ein weiterer größerer Schacht soll am geplanten Notausstieg in den Maximiliansanlagen des Isarhochufers gegraben werden, westlich des Biergartens am Hofbräukeller. Dort wird ein großer Teil des Sportplatzes vorübergehend zur Baustelle, die Lastwagen rollen vom Rondell des Maximilianeums aus an. Weitere Notausstiege, allerdings mit deutlich kleinerem Baufeld, gibt es an der Donnersbergerbrücke, an der Sparda-Bank im Arnulfpark, am BMW-Pavillon am Lenbachplatz sowie an der Keller-/Ecke Milchstraße in Haidhausen.

Wo wird wann gebaut?

Wie wird der Aushub abtransportiert?

Der Großteil, nämlich der eigentliche Tunnelaushub, gelangt über die beiden Portale ins Freie und wird per Bahn entsorgt. Rund um Stationen und Notausstiege sind Lastwagen im Einsatz. Am Marienhof etwa rollen die Lkw über Isartor und Sparkassenstraße an, der Rückweg verläuft über die Maximilianstraße.

Wo wird wann gebaut?

Es soll möglichst an allen Stellen gleichzeitig gebaut werden. Da aber zum anvisierten Starttermin 2011 voraussichtlich nur die Genehmigung für den mittleren Bauabschnitt vorliegt, dürfte als erstes mit dem Aushub der Station Marienhof begonnen werden.

Was geschieht mit dem Hauptbahnhof?

Die Baustelle für die geplante Station der zweiten Stammstrecke befindet sich tatsächlich mitten im Hauptbahnhof - in der Schalterhalle. Von dort aus graben sich die Arbeiter nach unten vor: über ein gigantisches Loch, in dem später das großzügige Zugangsbauwerk, der sogenannte Nukleus, Platz findet. Der Fernbahnverkehr in der Gleishalle ist von dem Eingriff nicht betroffen, allerdings müssen sich wohl die Passanten andere Wege suchen. Für den Bau des Nukleus muss zudem ein Teil der alten Schalterhalle abgebrochen werden. Dies gilt als wichtiger Schub für den ohnehin geplanten Bau eines neuen Empfangsgebäudes - denn ansonsten müsste der aus den 1950er Jahren stammende und als äußerst unwirtschaftlich eingestufte Bau teilweise wiedererrichtet werden.

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