Bars:Warum der Umzug einer Kneipe so schwierig ist

Bars: Der neue "Platzhirsch" am Oberanger wollte nicht so recht funktionieren.

Der neue "Platzhirsch" am Oberanger wollte nicht so recht funktionieren.

(Foto: Robert Haas)

Der Platzhirsch, das X-Cess oder das Enrico Pallazzo - sie alle verließen ihre angestammten Plätze und öffneten neu. Doch die Bars waren danach nicht mehr dieselben.

Kolumne von Laura Kaufmann

Feng Shui ist die Lehre vom Harmonieren des Menschen mit seiner Umgebung durch Raumgestaltung. Und sie ist nicht gerade das Erste, was einem Kneipengänger durch den Kopf geht, der an seinem Lieblingstresen ein Bier bestellt. Es ist ja auch ziemlich egal, ob eine Kneipe nach Feng-Shui- oder sonstigen Prinzipien eingerichtet ist. Aber wie sich die Einrichtung zum Raum verhält, das ist nicht egal. Und wie sehr der Raum eine Kneipe definiert, das wird immer dann schmerzlich bewusst, wenn die Lieblingskneipe umziehen muss.

Manch einer mag sich noch an den Platzhirsch erinnern. Ein Oma-Café bei Tag, eine wilde Kneipe bei Nacht, und das alles im ersten Stock über dem Viktualienmarkt. Die Gäste saßen auf den Fensterbänken und schauten mit ihren Drinks und Zigaretten in der Hand hinab auf Münchens Innenstadt, bis die Kündigung kam.

Ende einer Ära, sagten viele, und dann öffnete der Wirt ein halbes Jahr später den Platzhirsch neu. Am Oberanger, ein schlauchartiges Lokal mit Kellerkneipenatmosphäre. Er wollte den Stammgästen wieder ein Zuhause geben. Aber die fühlten sich hier nicht wohl. Alles so neu, und die Atmosphäre, die stimmte irgendwie nicht, ohne dass es sich wirklich in Worte fassen ließ.

Die Stammgäste wanderten ab zu der Bar, die der Barchef des Platzhirsches aufgemacht hatte. Zum Wolf nannte er sie nach sich selbst. Und in dem schlauchartigen Lokal am Oberanger öffnete wenig später das Unter Deck. Das Unter Deck ist eine wilde Kneipe wie der Platzhirsch früher und oft brechend voll - wahrscheinlich auch, weil dort niemand mehr etwas wie den Platzhirsch erwartet.

Der Raum eines Lokals lenkt die Dynamik, die durch den Abend führt, er kreiert heimelige Enge oder Freiflächen, und bestimmt, wie das Licht fällt. Der Raum ist so eng verwoben mit dem Kneipenkonzept, dass es sich anderswo nur schwer wiederherstellen lässt. Das X-Cess ist nach seinem Umzug vom Glockenbachviertel in die Sonnenstraße nur noch ein Schatten seiner selbst. Das Enrico Pallazzo lebte in der Kapuzinerstraße auch von der kuscheligen Enge, mit dem Umzug in die Maxvorstadt wurde ein anderer Laden daraus.

In der vergangenen Woche musste das Awi an der Ecke Müller-/Fraunhoferstraße schließen, eine Wiederauferstehung wurde angedeutet. Die Betreiber hatten bei der Gestaltung mit dem früheren Leben des Raumes als Copyshop und Bankfiliale gespielt, die Drinks wurden aus dem verglasten Schalter serviert. Das lässt sich anderswo nicht nachbauen. Die Macher des Awi sollten sich etwas ganz Neues einfallen lassen.

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