EU-Wahl in München:Barley macht Mieten zum Wahlkampfthema

Europawahl-Kundgebung der SPD im Franziskaner (Residenzstr. 9)

SPD-Spitzenkandidatin Katarina Barley spricht im „Franziskaner“. Ihren Worten folgen die EU-Abgeordnete Maria Noichl und OB Dieter Reiter.

(Foto: Florian Peljak)
  • Die Spitzenkandidatin der SPD für die Europawahl will bei der Wahlveranstaltung in München mit dem Thema Wohnen punkten.
  • Katarina Barley fordert, dass Brüssel die Städte und Kommunen stärker unterstützen muss in ihrem Ringen um bezahlbaren Wohnraum.
  • Bisher hat das Thema auf europäischer Ebene keine Bedeutung.

Von Anna Hoben und Dominik Hutter

Zehn Euro pro Quadratmeter bezahlt Bundesjustizministerin Katarina Barley für ihre Wohnung in Berlin-Mitte - das dürfte in der Hauptstadt, wo die Mieten noch rasanter steigen als in München, ein Schnäppchen sein. Trotzdem hat Barley ihren Mietvertrag nun gekündigt; schließlich will sie als Spitzenkandidatin für die SPD ins Europaparlament ein- und nach Brüssel umziehen. Auf den letzten Wahlkampfmetern versucht sie, auch mit dem Thema Wohnen zu punkten. "Das ist die neue soziale Frage in ganz Europa", sagte sie am Rande einer Wahlkampfveranstaltung am Montag in München. Zuvor hatte sie sich mit Vertretern des Mietervereins getroffen.

Brüssel müsse die Städte und Kommunen stärker unterstützen in ihrem Ringen um bezahlbaren Wohnraum, forderte Barley. Der Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten, Frans Timmermans, wolle deshalb europäische Strukturmittel in den Wohnungsbau investieren. Wenn Städte neue Projekte entwickelten und dabei mindestens 30 Prozent für geförderte Wohnungen reservierten - wie es in München schon lange gehandhabt wird -, sollten sie Unterstützung aus einem entsprechenden Fonds bekommen.

Zudem sollten die Wettbewerbsregeln in Europa so geändert werden, dass nicht nur Geringverdiener, sondern auch Normalverdiener von einer solchen Förderung profitieren könnten. Denn diese könnten sich das Leben in den Städten oftmals ebenfalls nicht mehr leisten. Eine solche Regelung könnte beispielsweise Erziehern oder Krankenschwestern zugutekommen, die dann eine Wohnung im sogenannten München-Modell mieten könnten.

Bisher hat das Thema Wohnen auf europäischer Ebene keine Bedeutung gehabt; EU-Fördermittel für Wohnungsbau gab es nicht. Unternehmen wie Airbnb will Barley steuerlich stärker in die Pflicht nehmen - ein drängendes Thema auch in München, weil Wohnungseigentümer oft lieber lukrativ über derartige Plattformen Touristen beherbergen, statt dringend benötigten Wohnraum langfristig zu vermieten.

Den Zuhörern der Wahlkampfveranstaltung, die wetterbedingt vom Odeonsplatz in die trockenen Räume des "Franziskaner" verlegt worden war, versuchte Barley klarzumachen, dass es angesichts des Erstarkens der Rechtspopulisten diesmal bei der Europawahl um sehr viel geht, wenn nicht sogar ums Ganze. "Wir müssen runter vom Sofa und raus aus der Komfortzone", rief die Bundesjustizministerin, die diese Forderung auch als Motivation für ihren eigenen Wechsel von Berlin nach Straßburg/Brüssel nennt.

Offenbar hätten viele "noch nicht so ganz begriffen, was auf dem Spiel steht, wenn wir diesen Kräften nicht Einhalt gebeten", sagte sie mit Blick auf die aktuellen Ereignisse in Österreich, dessen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) keine Skrupel gehabt habe, gleich vier für die Sicherheit des Landes maßgebliche Ministerien in die Hände der FPÖ zu geben, die Verbindungen zu Rechtsextremen pflege. Barley will Nationalismus überwinden. Wohin der führe, das sehe man beim Brexit in Großbritannien, der eine "Geschichte von sehr elitären verwöhnten Oberschichten-Jungs" sei, die sich seit 40 Jahren kennen und ihren privaten Konkurrenzkampf über das Wohl des Landes stellen.

Barley will erklärtermaßen einen anderen Stil in der Politik etablieren; und pflegt daher bewusst einen anderen Wahlkampfstil. Die SPD-Politikerin, nach eigener Aussage wegen ihrer Herkunft und Ehe das personifizierte "Europa auf zwei Beinen", will nicht von einer hohen Bühne herab Reden schwingen, sondern Politik machen. Was sie darunter versteht, zeigte sie bei ihrem Auftritt im "Franziskaner", wo nach einer programmatischen Einführung das Publikum Fragen stellte.

Die waren dann aber nicht immer angenehm für die Spitzenkandidatin, etwa als es um das Transsexuellengesetz oder Kevin Kühnert ging. Barley konterte ruhig, souverän, ohne Gelaber. Es geht nicht nur für Europa um viel. Sondern auch für die SPD.

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