Was soll denn das werden? Eine gewisse Verunsicherung ist spürbar, als sich am Samstagmorgen immer mehr Menschen im HP 8 Namensschildchen an Bändern umhängen. Auf freudige Art "ratlos" zeigt sich auch Dorothee Lossin von der Volkshochschule (MVHS) in ihren Einführungsworten. Was denn ein Barcamp sei, sei sie im Vorfeld gefragt worden: "Hat das was mit Zelten zu tun? Betrinken wir uns alle?"
Gute Fragen. Seit drei Jahren ist dieses erste Münchner "Barcamp Literatur" von der Schriftstellerin Angela Eßer zusammen mit MVHS und Stadtbibliothek geplant - und aus bekannten Gründen immer wieder verschoben worden. Dass es nun mit Unterstützung von Kulturreferat und Freistaat endlich gelungen ist, die Idee umzusetzen, wäre tatsächlich ein Grund zum Anstoßen - zumal der gesamte Tag für die mehr als 90 Angemeldeten, von denen sich an diesem Regentag allerdings doch nicht alle zum Campen aufraffen, völlig kostenfrei ist.
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Doch nein, natürlich ist diese Form der Begegnung, erstmals 2005 in Kalifornien erprobt, kein Zeltlager. Es handelt sich vielmehr, wie Elke Pistor als Co-Leiterin erklärt, um eine offene, eine "Un-Konferenz" - anders als bei üblichen Tagungen legen hier die Teilnehmenden selbst die Punkte fest, über die sie sich austauschen wollen. Einen Vortrag über einen Buchblog halten? Einander Literaturtipps geben? "Alles ist machbar", sagt Pistor, "alles ist möglich."
Der eine sucht neue Talente für seinen Selfpublishing-Verlag, die andere nennt sich "verhinderte Schriftstellerin"
Als bei einer knappen Vorstellungsrunde alle ihre Interessen in drei Stichworten oder Hashtags vorstellen sollen, wird schnell klar, wohin die literarische Reise an diesem Tag gehen könnte. Der eine sucht neue Talente für seinen Selfpublishing-Verlag, die andere nennt sich "verhinderte Schriftstellerin". Schüler sind ebenso gekommen wie Seniorinnen, die Krimi-Vereinigung Syndikat ist gut vertreten, manche haben Lesekreis-Erfahrung, ihren Debütroman oder schlicht den Hashtag #einfachmachen mitgebracht.
Sie alle können in einem weiteren Durchgang Themen anbieten oder Wünsche nach Gesprächsrunden formulieren. Dass dieser basisdemokratische Prozess sein Weilchen dauert, ist klar. Schließlich jedoch verteilen sich parallel fünf Gruppen über die Etagen und Räume, die stündlich wechseln werden. Die einen wollen mehr über das Literatur-Radio erfahren, die anderen über das Literaturportal Bayern, in einer weiteren Nische gibt eine in der Hospizarbeit Tätige Lektüretipps rund um das Thema Tod - das Spektrum ist breit. Der Vorschlag "Gendern in Romanen" interessiert besonders viele Zuhörende, wie auch etliche Beiträge zum Thema Selfpublishing - nicht alle Schreibenden wollen sich schließlich dauerhaft als "verhindert" bezeichnen.
Nicht nur Initiatorin Angela Eßer freut sich darüber, dass so viele sich hier engagiert einbringen wollen: "Etwas gemeinsam zu entwickeln, finde ich toll." Dass sich in lockerer Atmosphäre 15-Jährige mit 80-Jährigen gemeinsam über die unterschiedlichsten Buchthemen austauschen konnten, wird auch in der Schlussrunde als inspirierend gewertet. Dass manche Vorträge im Vorfeld im Übrigen dann doch ein bisschen vororganisiert wurden, dass vom "Plotten nach Snyder" bis zur "Geschichte der Kriminalliteratur" auch einige Branchenprofis am Werke waren, trug dazu bei, dem Tag Tiefe zu geben. Weshalb man dieses erste Experiment, Profis mit Laien zu vernetzen, als vielversprechend deuten kann. Und auf eine Wiederholung hoffen - getreu dem Hashtag #einfachmachen.