Kultur:Von diesen Künstlern wird man 2022 noch viel hören

Kultur: Kleine Freuden in schweren Zeiten: Diese Illustration von Barbara Yelin zum "Tagebuch eines Zwangsarbeiters" (C.H. Beck) von Jan Bazuin spielt auf dessen Eintrag vom 29. Dezember 1944 an.

Kleine Freuden in schweren Zeiten: Diese Illustration von Barbara Yelin zum "Tagebuch eines Zwangsarbeiters" (C.H. Beck) von Jan Bazuin spielt auf dessen Eintrag vom 29. Dezember 1944 an.

(Foto: Barbara Yelin/C.H. Beck Verlag)

Sie finden kreative Antworten auf heikle Fragen: Welche Künstler und Künstlerinnen aus Bayern die SZ-Kritiker und Kritikerinnen mit ihren Projekten überzeugen konnten - und was wir im neuen Jahr von ihnen erwarten dürfen.

Von SZ-Autoren, München

Es sind fordernde Zeiten für Künstlerinnen und Künstler. Auf die Bayerns Kreative ganz unterschiedlich reagieren: Die einen performen Angst, isoliert hinter Glas, die anderen erinnern an Momente von Unbeschwertheit in düsteren Kriegszeiten. Wieder andere erschaffen sich eine neue musikalische Existenz oder wagen ein Filmdebüt fernab von Europa. Doch in einem sind sie sich alle gleich: Ihre Projekte überzeugen, sie versprechen Spannendes für Bayerns Kultur in 2022.

Die Zeichnerin Barbara Yelin

Kultur: Gleich zwei spannende Graphic-Novel-Projekte der Münchner Zeichnerin Barbara Yelin werden sich 2022 materialisieren.

Gleich zwei spannende Graphic-Novel-Projekte der Münchner Zeichnerin Barbara Yelin werden sich 2022 materialisieren.

(Foto: Martin Friedrich)

Es ist ja nicht so, dass man sie nicht kennen und schätzen würde. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr hat Barbara Yelin, diese großartige Münchner Comiczeichnerin, besonders viel Aufmerksamkeit erfahren. Sie hat den Ernst-Hoferichter-Preis bekommen und ein städtisches Arbeitsstipendium. Sie hat mit einem Comic zum soeben erschienenen Band "Nächstes Jahr in" beigetragen, konnte ihre suggestiven Bilder rund um die Revolution 1918/19 endlich als Buch in der Hand halten. Das war gestern.

Heute lässt sich sagen: 2022 wird noch besser, für die Fans von Barbara Yelin zumindest, und hoffentlich auch für die Zeichnerin selbst. Es kündigt sich eine Art Erntezeit nach intensiver Arbeit an: Gleich zwei spannende Projekte werden sich in diesem Jahr materialisieren, als Bücher im Verlag C.H. Beck. Als Yelin kürzlich bei einem Literaturfest-Abend unter dem sperrigen Titel "Multidirektionales Erinnern mit Graphic Novels" davon erzählte, wurde man auf beide sehr neugierig.

Das Thema Erinnerung zieht sich ja wie ein roter Faden durch das Oeuvre der 1977 in München geborenen Zeichnerin. Immer wieder haben ihre Arbeiten dokumentarischen Charakter, wie zum Beispiel in ihrer Graphic Novel "Irmina" von 2014: Yelin schilderte da am Beispiel ihrer Großmutter die inneren Kämpfe einer Frau, die sich in den Dreißigerjahren nach anfänglicher Weltoffenheit, auch in der Liebe, der herrschenden nationalsozialistischen Ideologie anpasste. Eine Geschichte, die allen Lesern jene Frage stellte, die die Schriftstellerin Doris Dörrie als Laudatorin des Hoferichter-Preises formulierte: "Wie lebt man mit dem Widerspruch in sich selbst?"

Barbara Yelin denkt mit Vorliebe über solche heiklen Fragen nach; sie duckt sich überhaupt nie weg, wenn Haltung gefragt ist, wie zum Beispiel auch in Plakaten und Publikationen zum Flüchtlingsthema. Insbesondere das Thema Nationalsozialismus beschäftigt sie immer wieder, wie zum Beispiel in einem Band über die Schauspielerin Channa Maron. Und auch in den beiden Projekten, die in diesem Jahr ihren Abschluss finden, geht es um düsterste Kapitel aus der Zeit des Nationalsozialismus.

Die Spuren des ersten führen bis nach München. Barbara Yelin hat Jan Bazuins "Tagebuch eines Zwangsarbeiters" illustriert, das im Februar erscheinen wird; die Buchvorstellung im NS-Dokumentationszentrum ist für den 23. Februar geplant. Es handelt sich dabei um die erst kürzlich entdeckten Aufzeichnungen eines Rotterdamer Jugendlichen, der im Januar 1945 als Zwangsarbeiter verschleppt wurde und im April schließlich aus dem Lager München-Neuaubing floh. Schwierig sind solche Erinnerungsprojekte auch deshalb, so Yelin im Literaturhaus, weil es natürlich keinerlei fotografische Dokumente gibt - und wenn doch, dann "nur auf Täterseite aufgenommen". Wie füllt man die Leerstellen?

Noch schwieriger gestaltete sich das im zweiten Fall: Für das Buch "Aber ich lebe!", das im Sommer auf Deutsch erscheinen soll, hat Yelin die jüdische Holocaust-Überlebende Emmie Arbel in Israel besucht. Es sei für sie "ein neues Arbeiten im Dialog mit der Person", sagte Yelin, sie habe "stundenlange Bänder aufgenommen". Und doch gab es natürlich vieles, was Arbel, die als Kind drei Konzentrationslager überlebte, nicht erzählen wollte oder konnte. Wie feinsinnig und stimmig Yelin die Lücken auch zeichnerisch zulässt, Vergangenheit und Gegenwart verschränkt, machten die ausgewählten Sequenzen deutlich, die sie im Literaturhaus vorführte.

Yelin, so lässt sich bereits jetzt sagen, erweist sich in diesem Buch einmal mehr als Meisterin der Subtilität. Und man kann Dörrie nur zustimmen, wenn sie ausruft, wir Leser "wünschen uns mehr, mehr, mehr Geschichten von Barbara Yelin, mehr von ihren fantastischen und komplexen Bilderwelten, mehr von ihren aufregenden, beglückenden Forschungsreisen". In diesem Jahr, das ist die gute Nachricht zum Anfang, bekommen wir zumindest in dieser Hinsicht tatsächlich mal, was wir uns wünschen. Antje Weber

Der Galerist Max Goelitz

Kultur: Aufbruch in schweren Zeiten: Max Goelitz hat im Frühjahr 2020 seine erste eigene Galerie eröffnet - und musste wegen des Corona-Lockdowns sofort wieder schließen. Den Widrigkeiten der Pandemie begegnet der 35-Jährige mit vielen neuen Idee.

Aufbruch in schweren Zeiten: Max Goelitz hat im Frühjahr 2020 seine erste eigene Galerie eröffnet - und musste wegen des Corona-Lockdowns sofort wieder schließen. Den Widrigkeiten der Pandemie begegnet der 35-Jährige mit vielen neuen Idee.

(Foto: Fritz Beck)

Einen einfachen Start hatte Max Goelitz nun wirklich nicht. Anfang März 2020 übernahm der damals 34-Jährige die Galerie von Häusler Contemporary nahe der Münchner Maximilianstraße - und musste nach den Eröffnungstagen sofort wieder schließen. Mit vielem muss man rechnen, wenn man ein neues Geschäft gründet oder wie Goelitz eine Galerie übernimmt. Doch mit einer Corona-Pandemie und einem Lockdown...

Vielleicht muss man den Junggaleristen schon qua Profession in die Kategorie der Berufsoptimisten stecken. Denn wo schon vor der Pandemie die kleinen Galerien ums Überleben kämpften, um sich gegen die Global Player des Geschäfts und den internationalen Kunstmarkt zu behaupten, da legte Goelitz klipp und klar ein Bekenntnis zum Galerienmodell und zum Kunststandort München ab. Aber er war auch überzeugt, dass sich vieles ändern muss und wird: "Wer glaubt, dass wir auf den Stand von Vor-Corona-Zeiten zurückkommen, irrt." Mit vielen neuen Ideen und Plänen, aber auch mit einer gehörigen Portion Zuversicht und Erfahrung ging er ans Werk. Zugute kam dem gebürtigen Augsburger, der in Karlsruhe Kunstgeschichte und Kunstmanagement studiert hatte, dass er die Galerie von Häuslers schon einmal jahrelang als Direktor geführt hatte. Und noch zu Studienzeiten hatte er eine Firma zur Entwicklung von Software für den Kunstmarkt entwickelt.

So war es auch kein Wunder, dass er die Galerie, die seinen Namen trägt, sofort auf digitale Beine stellte, die weit über einen klassischen Viewing-Room hinaus gehen. Während andere noch an ihren Online-Auftritten bastelten, bespielte er bereits ausführlich diverse Plattformen und zeigte der Welt, was er zu bieten hat. Und die Welt schaute gerne hin. Neben etablierten Künstlerinnen und Künstlern wie Brigitte Kowanz und Keith Sonnier, die seit Jahren mit der Galerie verbunden waren, baut Goelitz junge, vielversprechende Kunstakteure auf, wie den Münchner Niko Abramidis & NE, der mit seiner hybriden Kunst perfekt in Goelitz' Programm passt.

Angekommen in der Münchner Kunstszene ist Max Goelitz längst, wie seine Teilnahmen an den beiden jährlichen Leistungsschauen, der Open Art und Various Others, beweisen. Darüber hinaus wurde er mit dem 2020 neu ausgelobten "Digital Leaders in Art Award" (DLAA) von Arte Generali ausgezeichnet und jüngst als herausragender Kunstförderer mit dem Preis für Galerien und Off-Spaces 2021 der Stadt München geehrt. Darauf ausruhen wird er sich gewiss nicht. Kunstmessen, Zwischennutzungen, das Galerieprogramm, analoge, digitale, hybride Auftritte - Max Goelitz hat noch viel vor. Evelyn Vogel

Die Pianistin und Sängerin Lizki

Kultur: Ihre Hilferufe entfalten Hitpotential, weil die zur Schau gestellten Brüche auch musikalisch angenehm irritieren: Die aus Fürstenfeldbruck stammende Musikerin Lena Britzelmair nennt sich als One-Woman-Band Lizki.

Ihre Hilferufe entfalten Hitpotential, weil die zur Schau gestellten Brüche auch musikalisch angenehm irritieren: Die aus Fürstenfeldbruck stammende Musikerin Lena Britzelmair nennt sich als One-Woman-Band Lizki.

(Foto: Mario Ilić)

Wie oft kann eine Künstlerin verbrennen, um gleich einem Phoenix noch schillernder aus der eigenen Asche hervorzusteigen? Und was macht das mit dem Menschen, der jene Künstlerin ja auch ist, wenn deren Kunst sich regelrecht aus seinen Wunden zu nähren scheint? Wenn Hilferufe also ein Hitpotential erfahren, weil die zur Schau gestellten Brüche auch musikalisch angenehm irritieren. Und wie schafft es die aus Fürstenfeldbruck stammende Musikerin Lena Britzelmair, in ihrer Musik mit denselben Harmonien Sicherheiten zu versprechen, die von den Beats schon längst widerlegt wurden.

Britzelmair war gerade mal 17 Jahre alt, als ihr damaliges Trio Tonwertkorrektur auf einem Bandwettbewerb zur "Münchner Band des Jahres 2009" gekürt wurde. Damals liebäugelte die Pianistin und Sängerin noch mit dem Gedanken, Operngesang zu studieren. Stattdessen studierte sie Jura. Trotzdem sieht sich Britzelmair noch immer vorrangig als Musikerin. Auch weil die Bandkollegen in andere Städte zogen, zerbrachen Tonwertkorrektur. Britzelmair wurde sodann zur Solo-Künstlerin Rey Lenon, die ihre bisherigen Klavierbegleitungen auch mal von Gitarren ersetzen ließ. Mittlerweile setzt sie unter ihrem neuen Künstler-Namen Lizki wieder verstärkt auf das Tastenspiel, das aber nunmehr mit spannenden Elektronika angereichert wird. Störgeräusche gaukeln da auch mal einen Wohlklang vor, derweil Lizki andere schöne Klänge bewusst verzerrt oder anderweitig stört. "Bitte, nimm mich zurück" singt sie dazu auf Englisch, und verspricht, es künftig besser zu tun als damals. Augenblicklich möchte man der Sängerin solche devoten Selbstzweifel verbieten. Doch andererseits bedarf es sehr viel Selbstsicherheit, solche persönlichen Unsicherheiten und Verletzungen offen zu präsentieren.

Lizkis Album "Forward" blickt darum nicht nur dem Titel nach vorwärts. Musikalische Miniaturen, in welchen die Künstlerin auch mal nur betont, dass sie immer noch da sei ("I'm still here"), ergänzen sich zu einem schaurig-schönen Album, das im Frühjahr 2022 auch als Vinyl-LP bei Seayou Records erscheint. Pandemiebedingt kam es da nämlich zu Engpässen, sagt Lizki. 2022 kann man aber hoffentlich auch wieder live erleben, wie sie als One-Woman-Band eine Musik wie eine fantastische Bühne gestaltet, über die ihre Gesangsstimme sodann ihr eigenes Schauspiel entfaltet. Dirk Wagner

Der Regisseur Simon Denda

Kultur: Für "Adisa", seinen Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule, wurde Simon Denda mit dem sogenannten Studenten-Oscar ausgezeichnet.

Für "Adisa", seinen Abschlussfilm an der Münchner Filmhochschule, wurde Simon Denda mit dem sogenannten Studenten-Oscar ausgezeichnet.

(Foto: Holger Jungnickel)

Gewonnen hat er ihn schon, erhalten aber noch nicht: Simon Denda wurde im Oktober 2021 mit dem sogenannten Studenten-Oscar ausgezeichnet, doch die Trophäe ist noch nicht bei ihm angekommen. "Die Academy hat Lieferschwierigkeiten", erzählt der 34-Jährige. Das passt in unsere Zeit, in der ganz viel nicht lieferbar ist, Konsolen oder Kinderspielzeug, Halbleiter oder Holz - und jetzt eben auch Oscars. Genauer gesagt ist es der Student Academy Award in Silber, den er für seinen HFF-Abschlussfilm "Adisa" gewonnen hat. Simon Denda führte Regie, seine Kommilitonin Laura Anweiler schrieb das Drehbuch, gedreht wurde in Kenia.

Der Film erzählt die Geschichte einer Diplomatin und EU-Repräsentantin, die ein Dorf an der somalischen Grenze besucht, das Opfer eines Terroranschlags wurde. Doch zwischen diplomatischen Versprechungen und der realen Situation im Ort klafft bald eine riesige Lücke. Ihm sei es wichtig gewesen, sagt Denda, nicht als Europäer ins Land zu kommen und dort einen Film über lokale Probleme zu drehen: "Wir wollten mit der dortigen Filmszene arbeiten, uns austauschen und Kritik üben - und zwar an uns selbst." Das Ergebnis kam gut an, der Film lief auf mehreren Festivals und wurde von der HFF München für die Student Academy Awards vorgeschlagen.

Eigentlich hätte Simon Denda zur Verleihung nach Los Angeles fliegen dürfen, so wie seine Vorgänger Lennart Ruff oder Alex Schaad, die ebenfalls an der HFF München studierten und den Preis vor ein paar Jahren gewannen. Stattdessen fand die Veranstaltung online statt, wie so vieles in diesem Jahr. Immerhin wurde sein Name vom mehrfach preisgekrönten iranischen Regisseur Asghar Farhadi verlesen, das sei "eine riesengroße Ehre" gewesen, sagt der HFF-Absolvent. Zusätzlich hat die Academy ein Mentorenprogramm auferlegt, er darf jetzt ein Jahr lang den Hollywoodproduzenten Michael Kuhn ("Florence Foster Jenkins", "Golda") begleiten, ebenfalls virtuell.

Simon Denda stammt aus Karlsruhe, wo er seit kurzem auch wieder lebt, "aus familiären Gründen". Er ist Vater eines fünfjährigen Jungen, nach München kommt er trotzdem regelmäßig. Bereits während seines Studiums drehte er Werbefilme, das macht er auch heute noch, für Kunden wie Eterna, Joop oder Microsoft. "Solche Produktionen sind punktueller und visueller", erklärt er, da müsse man Figuren innerhalb von wenigen Sekunden skizzieren. Mit visuellem Denken beschäftigt er sich schon länger, noch vor seiner Zeit an der HFF absolvierte er in Stuttgart das Bachelor-Studium "Audiovisuelle Medien", nebenbei arbeitete er in allen möglichen Positionen beim Film, vor allem als Beleuchter.

Jetzt aber hat er ein abgeschlossenes Regie-Studium und einen Oscar, daher hofft er auf Aufträge, bei denen er auf dem Regiestuhl sitzen darf. Für zwei große Münchner Produktionsfirmen soll er einen Spielfilm und eine Serie inszenieren: Die Verträge sind bereits unterzeichnet, sprechen darf er aber noch nicht darüber. Ob die Projekte wirklich zustande kommen, steht noch in den Sternen, auch deshalb die Verschwiegenheit. So ist das nun mal in dieser Branche, die Simon Denda schon seit Jahren kennt - und in der er jetzt richtig durchstarten will. Josef Grübl

Der Künstler Minjae Lee

Kultur: Isoliert hinter Glas: Der 27-jährige Künstler Minjae Lee in der Münchner Rathausgalerie bei seiner Performance "Angst".

Isoliert hinter Glas: Der 27-jährige Künstler Minjae Lee in der Münchner Rathausgalerie bei seiner Performance "Angst".

(Foto: Magdalena Jooss)

Manchmal stammt das Werk des Jahres von einem Künstler, den noch kaum jemand kennt. Minjae Lee zeigte es im Rahmen einer Gruppenausstellung in der Münchner Rathausgalerie. Dazu brauchte der 27-Jährige nicht mehr als eine Glasscheibe, die er vorher sanft und unsichtbar an bestimmter Stelle mit einem Anti-Beschlagmittel präpariert hatte. Wenn sich ein Betrachter näherte, trat er selbst, isoliert auf der anderen Seite der mannshohen Scheibe, heran und hauchte das Glas an. Solange bis da ein Wort ganz deutlich zu lesen war: "Angst". Freilich ist diese performative, in Corona-Zeiten doppelt wirksame Arbeit nicht die einzige von ihm, die besondere Aufmerksamkeit verdient. In derselben Ausstellung schuf er eine einzigartige Szenerie der Klaustrophobie. Dafür hatte er zwei Wände eng vis-à-vis aufgestellt und sie mit Kreide beschriftet. Wieder und wieder quetschte sich Minjae seitwärts hindurch, gewandet in schwarze T-Shirts, die die Worte nicht nur verwischten wie trockene Schwämme die Tafel. Die Kreide blieb in ihnen hängen, "zeichnete" sie und machte sie so zu abstrakten, negativem Leinwänden, die der Künstler ganz minimalistisch wiederum auf Bügel hängte und ausstellte. Minjae Lee, der seit 2015 an der Akademie der Bildenden Künste in München in der Bildhauerklasse von Georg Schneider studiert und davor bereits Malerei in Seoul gelernt hat, war 2021 auch in der Debütanten-Ausstellung im Haus der Kunst vertreten und bei der alljährlichen Aktion "Zimmer frei" im Hotel Mariandl - stets mit prägnanten Werken. Für seine Arbeiten, die immer um individuelle und gesamtgesellschaftliche psychische Zustände kreisen, hat er schon zahlreiche Stipendien und erste Preise erhalten. Und sie lassen mehr erwarten. Susanne Hermanski

Die Sängerin Nina Plotzki

Kultur: Authentische Gefühlsachterbahn: Jazzsängerin Nina Plotzki stellt 2022 ihr zweites Album vor.

Authentische Gefühlsachterbahn: Jazzsängerin Nina Plotzki stellt 2022 ihr zweites Album vor.

(Foto: Nina Plotzki)

Vor 20 Jahren wurde der gerade mal 22-jährigen Jazzsängerin Nina Plotzki von dieser Zeitung eine große Zukunft prophezeit. Hatte sie sich doch an ein Marlene-Dietrich-Projekt gewagt, mit "dunklem, samtigen Timbre, einem glänzenden Gefühl für Timing, einem Schuss Laszivität und mit einer gehörigen Portion Mut, die es braucht, wenn man gegen einen Mythos antritt", wie geschrieben stand. Ein fulminantes Programm, das dann aber bald wieder in der Schublade landete - wegen Differenzen in der Band, weil neue Aufgaben warteten, aber auch, "um nicht in einer Schublade zu landen", wie sie erklärt.

Die Inspiration dazu stammte noch aus Plotzkis Zeit in Berlin, wo sie studiert, sich in der Szene getummelt und Radio gemacht hatte, bevor sie 2000 nach München kam. Hier verschoben sich die Gewichte indes bald: Drei Kinder wollten großgezogen werden, sodass Plotzki nur noch mit halber Kraft als Sängerin weitermachte - und trotzdem zum Beispiel als Frontfrau der Al Porcino Bigband präsent blieb. Erst jetzt aber kam die Zeit, noch einmal richtig durchzustarten. Das 2020 erschienene Debütalbum "de tout mon coeur" wurde sogleich für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik nominiert, auch mit dem Pianisten Bernd Lhotzki startete Plotzki Vielversprechendes - bis Corona das Comeback ins Stocken brachte.

Doch diesmal gibt es kein Zurück, im Jahr 2022 wird man von Nina Plotzki hören. Vor allem, weil ihr zweites Album bereits fertig ist. "Marlene" heißt es und ist eine Neuauflage ihres so vielversprechenden Projekts von vor 20 Jahren. Freilich nun mit viel Berufs- und Lebenserfahrung angereichert, vom vor allem als Theatermusiker bekannten Pianisten Klaus von Heydenaber völlig neu arrangiert und von den versiertesten Swing-Professoren der Münchner Szene - Bassist Thomas Stabenow, Schlagzeug Michael Keul und Trompeter Peter Tuscher - begleitet. So wird der bittersüße Songkosmos der Dietrich, von "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" aus dem "Blauen Engel" über die besten deutschen Schlager von Friedrich Hollaender oder Peter Kreuder und deutsche Versionen amerikanischer Songs bis zu französischen Chansons, die Projektionsfläche für Nina Plotzkis eigene Geschichte. Man wird 2022 also ein Gesangs-Highlight erleben können. Eine authentische Gefühlsachterbahn, mindestens so mutig wie vor 20 Jahren. Oliver Hochkeppel

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