Süddeutsche Zeitung

Bar Kronensaal:Getanzt wird hier nicht

Unaufdringlich, modern, gemütlich: Im Kronensaal in der Lindwurmstraße findet man alles, worauf man beim Ausgehen in Sendling Lust haben könnte. Das Foto der Diskokugel ist zwar bloß Deko - nicht selten wird mindestens ein zweites Bier bestellt.

Von Philipp Crone

"Two beer or not two beer" steht auf der schwarzen Tafel an der Bar. Das ist ein wenig überraschend. Nicht, weil das eigentliche Zitat von Shakespeare anders lautet. Schließlich schreiben die Gastronomen des Kronensaals ja auch als Autor dieser Zeilen "Shakesbeer" unter den Satz. Erstaunlich ist der auf den ersten Blick etwas unerwartete alberne Humor, den man eigentlich erst nach mindestens vier Bier an der Theke entwickelt.

Der bierselig blödelige Spruch wirkt ein wenig fremd in einem ansonsten sehr gediegenen, eher ernsten als verspielten Bar-Ambiente. Und doch bringt er auf schmunzelige Weise die Essenz jedes Lokals auf den Punkt: Fühlt man sich hier so wohl, dass man noch ein weiteres, zwei weitere, oder zumindest einmal das erste Bier bestellt?

Der Kronensaal ist eine der im typischen Stil der Brauerei gestalteten Augustiner-Gaststätten, unaufdringlich, modern und gemütlich. Dunkelbraune Holzmöbel auf hellem Fischgrätenparkett, dazu - der aktuellen Barmode entsprechend - eine Kombination aus alt und neu. Der namensgebende Kronleuchter hängt imposant ausladend von der weißen hohen Decke, flankiert von medizinballgroßen Leuchtkugeln. Die Rückwand der Bar ist mit verzierten Kacheln à la Bauernküche geschmückt, die Gläser an der Treseninnenseite schimmern bläulich im Licht der eingebauten Neonröhren, und neben bunt beleuchteten Rohbeton-Säulen stehen zwei alte, eiserne Weinregale.

Hier ist alles erhältlich, worauf der Ausgänger aus Sendling Lust haben könnte. Ein Kneipenbesuch, ein Abendessen in ansprechendem Ambiente oder eine Kaffeepause. Zwei junge Männer sind an der Bar in Gedanken bei Shakesbeer und ihren sich schnell leerenden Halben (3,30 Euro), zwei Väter auf der Terrasse sehen den zwischen den Stühlen herumrennenden Kindern zu und die beiden Pärchen im Eck diskutieren über die Auswahl des richtigen Weins zum Roastbeef (16,50).

Im Stehtischbereich überlegen zwei junge Frauen am frühen Abend bei einem Pastis 51 (3,80), welche Stadt auf dem Foto an der Wand zu sehen ist, während die Kellnerin den beiden Männern auf der Terrasse zuruft: "Jungs, wollt ihr noch ein Bier?" Two beer. Das wollen die Väter. Ihre Kids müssen ohnehin noch eine Zeit lang das Lokal erkunden.

Abends sind Bar und Tische oft gut besetzt

Das Gebäude war früher ein Warenhaus. An das Schicksal der einstigen Betreiber erinnern zwei Stolpersteine am Eingang. Das Erdgeschoss des im Jahr 1899 erbauten Hauses beherbergte einst das jüdische Kaufhaus Gutmann. Die beiden Besitzer Sofie und Emanuel Gutmann wurden 1942 von den Nazis deportiert und in Theresienstadt ermordet.

Auch wenn ein Foto von einer Diskokugel an der Wand hängt: Getanzt wird nicht. Zu allen anderen Ausgeh-Aktivitäten kann man sich hier aber treffen. Und obwohl der Kronensaal groß und seine Decke sehr hoch ist, fühlt sich der Gast selbst tagsüber bei wenig Betrieb wohl und nicht verloren. Abends aber, wenn Shakesbeer wieder seine Frage stellt, sind Bar und Tische oft gut besetzt. Man hockt um die Gläser mit dem goldenschimmernden Inhalt. Denn trotz feiner Speisen, Wein- und Frühstückskarte wissen die Betreiber: Sein oder Nichtsein hängt eben davon ab, ob man sich das nächste Bier noch bestellt. Hier sind es oft zwei.

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SZ vom 05.09.2014/ahem
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