Bankgeschäfte im Bordell:Die Steuertricks der Rotlicht-Könige

Im bislang größten Ermittlungsverfahren im Rotlichtmilieu verschärft die Staatsanwaltschaft ihre Vorwürfe. Münchens Bordellkönig Fritz Ewald und seine Kompagnons sollen im Leierkasten und anderen bekannten Clubs Lohn- und Umsatzsteuern in Höhe von neun Millionen Euro hinterzogen haben.

Von Klaus Ott

Das Landgericht will im Herbst unter dem Vorsitz von Huberta Knöringer mit dem Prozess gegen Ewald und vier weitere Angeklagte beginnen.

War der Freier nun besonders potent oder hat er das Bordell nur als Bank benutzt? Binnen kurzer Zeit ließ ein gewisser Alexander F. per Kreditkarte im Sexclub Babylon insgesamt 88.000 Euro von seinem Konto abbuchen. Im Kassenbuch des Clubs tauchten aber nicht einmal 25000 Euro auf; vereinnahmt für "Eintrittsgelder, Zimmermieten, Champagner und dgl.", wie der Steuerberater des Clubs später dem Finanzamt München I mitteilen wird. Die restlichen 63000 Euro habe das Babylon bar an Alexander F. ausbezahlt. Was dieser damit gemacht habe, sei dem Bordell nicht bekannt. Folgerichtig seien nur die 25 000 Euro als "Betriebseinnahmen verbucht" und versteuert worden.

Wechselgebühr verlangt

Dem Fiskus kam allerdings merkwürdig vor, dass ein Bordell angeblich wie eine Bank in großem Stil Geld via Kreditkarten ausbezahlt und dafür auch noch eine Wechselgebühr bekommt, in diesem Fall 7 000 Euro. Steuerfahnder gelangten denn auch zu ganz anderen Erkenntnissen: Das Finanzamt sei mit der Kreditkartenmasche im Leierkasten, Crazy Sexy, 1001 Nacht, Babylon und anderen Clubs systematisch hintergangen worden.

Im Herbst sollen deswegen der langjährige Münchner Rotlichtkönig Fritz Ewald und mehrere Kompagnons wegen vorgetäuschter Bankgeschäfte auf der Anklagebank Platz nehmen. Die Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe: Bildung einer kriminellen Vereinigung, Zuhälterei und - eben - Steuerhinterziehung. Neun Millionen Euro hätten die Etablissements von 1996 bis 2001 auf diese Weise dem Fiskus vorenthalten.

Allerdings: Die Belege für eine kriminelle Vereinigung seien nicht besonders stichhaltig, ließ das Landgericht München I die Strafverfolger frühzeitig wissen. Auch Zuhälterei dürfte schwer zu beweisen sein.

Die Steuertricks der Rotlicht-Könige

Bleiben die mutmaßlichen Steuerdelikte, mit denen die Staatsanwaltschaft Freisprüche verhindern will. Denn dies wäre eine große Blamage nach aufwendigen Razzien und 80 000 abgehörten Telefonaten. Die Fahnder haben insgesamt 220 Vergehen ermittelt, in denen der "dicke Fritz", wie Ewald in der Szene genannt wird, und seine Geschäftspartner dem Fiskus Lohn- und Umsatzsteuern vorenthalten haben sollen.

Eine Masche für alle Clubs

Der Hauptbeschuldigte Ewald, ihm werden allein 90 Delikte zur Last gelegt, und weitere vier der einst 15 Angeklagten sollen von Herbst an vor Gericht stehen. Hunderte Ordner liegen bereit, die Staatsanwaltschaft fügte kürzlich eine weitere Akte hinzu.

Darin befindet sich, das berichten Justizkreise, eine belastende Notiz vom 10. Juli 1996. An diesem Tag sei das "System Geldwechsel" erfunden und in allen von Ewald dirigierten Clubs eingesetzt worden.

Das in einer Steuerkanzlei entdeckte und im Milieu fleißig zirkulierende Papier besagt, die Bordelle sollten von nun an die Umsätze ihrer Damen nicht mehr registrieren. Künftig gelte folgende "Vorgehensweise": Der Gast lasse über seine Kreditkarte beispielsweise 5000 Mark von seinem Konto abbuchen. Das Etablissement berechne 1000 Mark als Wechselgebühr und noch einmal 2000 Mark für Getränke. Die restlichen 2000 Mark zahle das Bordell laut Buchführung bar aus, darüber verfüge der Gast "nach Belieben". Was mit dem Geld geschehe, "entzieht sich unserer Kenntnis".

Abrechnung über Kreditkarte forciert

Der Leierkasten und andere Clubs forcierten nach den Erkenntnissen der Ermittler die Abrechnung über Kreditkarten, ehe Steuerfahndung und Staatsanwaltschaft zugriffen und sich neben den Bordellbetreibern auch deren Gäste vorknöpften. Die Freier belasteten die Clubs schwer. Er habe mit Kreditkarte bezahlt, aber nie Bargeld vom Club bekommen, berichtete Giuseppe N. dem Vernehmen nach. Er will gesehen haben, wie stattdessen der Chef des Etablissements den Damen ihren Lohn zugesteckt habe. Der angebliche "Geldwechselvorgang" sei nie praktiziert worden, erzählten auch etliche weitere Besucher.

Die Steuertricks der Rotlicht-Könige

Christiane S. und andere Prostituierte bekundeten, so ist zu hören, genau das Gegenteil: Den Gästen mit Kreditkarte sei das Bargeld offen auf dem Tresen ausgehändigt worden. Die Freier hätten anschließend bei den Damen bar bezahlt, über die Clubs sei nichts abgerechnet worden.

Aussagen für den Boss

Für die Betreiberin des Crazy Sexy trug deren Anwalt beim Finanzamt gar vor, dies könnten die Kunden bezeugen, sofern sie nicht "unter Druck gesetzt" würden. Die Steuerfahndung habe die rmittlungsergebnisse "bewusst verfälscht". Doch die Fahnder gehen davon aus, dass die Damen es sich nur mit den Bordellbetreibern nicht verderben wollen und deshalb in deren Sinne aussagen.

Bei den Finanzgerichten jedenfalls blieben mehrere Einsprüche gegen Nachzahlungsbescheide des Fiskus ohne Erfolg. Die Richter befanden stattdessen, in den Clubs seien "Einnahmen nicht verbucht" und die "täglichen Grundaufzeichnungen vernichtet" worden. Der Bundesfinanzhof bestätigte die Urteile.

Nun liegt die Sache bei der Strafjustiz, der vierten Kammer des Münchner Landgerichts. Den Vorsitz dort führt Huberta Knöringer, eine Spezialistin für Wirtschaftsdelikte. Sie hat schon Boris Becker wegen Steuervergehen verurteilt.

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