Süddeutsche Zeitung

Band der Woche:Youth Okay

Bei mehr als 300 Konzerten hat sich die Band "Naked Superhero" eine respektable Fan-Basis erspielt, doch jetzt erfinden sie sich neu: anderer Bandname, anderer Sound

Von Amelie Völker

Ein neuer Bandname ist die eine Sache. Einige bekannte Bands haben es vorgemacht: Radiohead hieß beispielsweise mal On a Friday, aus Smile wurde später Queen, Maroon 5 hatte mal den Namen Kara's Flowers. Und Green Day nannten sich tatsächlich früher Sweet Children. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Ein Rechtsstreit, eine Fusion, der Wille einer Plattenfirma oder die Weiterentwicklung einer Band. Mit der Namensänderung jedoch zusätzlich noch seinen Sound umzukrempeln und seinen Fans somit eine ziemliche Portion an Umgewöhnung zu servieren, das ist die andere Sache. Letzteres erfordert Mut, musikalische Experimentierfreude und ganz viel kreative Lust auf Neues.

Bei der Münchner Band Youth Okay stand der Wille zu radikaler Neuerung noch vor der ersten Bandprobe im Winter 2018. Nach acht Jahren im Musikbusiness hatten sie mit ihrer Vorgängerband Naked Superhero nicht nur gehörig Live-Erfahrung bei mehr als 300 Konzerten gesammelt, sondern sich auch eine respektable Fan-Basis erspielt. Es war ein schleichender Prozess, und doch wurde den Musikern irgendwann klar: Für sie war kreativ alles gesagt. Die sechs jungen Münchner steckten in einer Sackgasse und beschlossen kurzerhand, die bereits aufgenommenen Songs für ein neues Album komplett zu löschen. "Als wir uns sicher waren, dass wir etwas Neues wollten, war es für uns wichtig, einen richtigen Cut zu machen und zu sagen: Okay, ab jetzt wirklich neu und anders", sagt Sänger Daniel Fahrländer, 27. Er, Leonard Schulz, 24, Jakob von Andrian, 27, Christoph Treuberg, 24, Florian Belkner, 24, und Leander Widmoser, 20, wagten daraufhin den abenteuerlichen Schritt, ihre Band neu zu erfinden.

Musikalisch wurde fleißig experimentiert: Trompete und Posaune, die schon immer einen festen Platz im Bandkonstrukt hatten, werden nun durch Effektgeräte elektronisch verfremdet, sodass sie wie Synthesizer anmuten. Es entsteht ein neuer, lebendiger Sound, den Youth Okay selbst als "Alternative BrassFX" bezeichnet. "Wir versuchen einen Sound zu erzeugen, der so noch nicht existiert", sagt Posaunist Leonard. Der verfremdete Sound der Bläser klingt tatsächlich nach etwas noch nie Dagewesenen. Ein gleichmäßiges Wummern, elektronische Synthi-Töne, geschliffen und basslastig.

Dies gibt es bereits mit ihrer ersten Single "Get Up" zu erleben, die am 29. März veröffentlicht wurde. Energetische Rock-Dynamik, gepaart mit neuartig eingesetzten Blechblasinstrumenten, ein eingängiger Refrain und ein Männerchor-Part mit Gänsehaut-Faktor. Ergibt zusammen: geballte Alternative-Rock-Power.

Inmitten der positiven Neufindungsstimmung verarbeitet Daniel für die neuen Songlyrics Gedanken über einen Vorfall in seinem engsten familiären Umfeld: Depressionen, die ein Leben komplett verändert haben. Die Enttabuisierung solcher psychischen Erkrankungen in der Gesellschaft soll nun das Kernthema des neuen Albums bilden. Auch weitere politische Missstände und aktuelle gesellschaftliche Themen werden angesprochen. In "Get Up" gibt es einen Vorgeschmack: "Threats against reporters, no more freedom of speech, no supporters", singt Daniel dort beispielsweise. In Zeiten von belangloser Popmusik und emotionaler Oberflächlichkeit hat die Band auf ihrem Debüt-Album durchaus etwas zu sagen, geht emotional tief, traut sich. Ehrlich, dringlich, notwendig.

Hinter dem neuen Bandnamen Youth Okay kann man sich laut Jakob eigentlich noch ein Fragezeichen denken. Hey, junge Generation, seid ihr okay? "Eigentlich geht es unserer Generation ja gerade so gut wie noch nie. Und doch merkt man generell eine Art, gespalten zu sein, und gleichzeitig eine politische Einsatzbereitschaft. Die junge Generation fragt sich: Wollen wir so weiterhin in unserer Welt leben oder wollen wir sie verändern?", fragt Jakob. Man könnte also auch sagen, die einstigen nackten Superhelden haben sich in vielerlei Hinsicht weiterentwickelt, sind ein Stück weit erwachsen geworden. Bei ihrer Band-Neuerfindung sind sich die Musiker einig: Für das Vermissen von Naked Superhero blieb ihnen in der ganzen Aufbruchseuphorie bisher keine Zeit. Verständlich: Kein Abschied, sondern ein Neuanfang sollte es werden.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2019
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