Band der Woche:We Too, Will Fade

Explosive Momente der Songs ziehen das Publikum in den Bann

Von Marietta Jestl

Es war der Beginn großer Rockmusik, als sich die Mitglieder von Pink Floyd in ihren Studios als eine der ersten großen Bands dazu entschlossen, konventionelle Songstrukturen radikal aufzulösen und sphärische Songs aus verschiedensten Klangelementen zu konstruieren. Intros von der Länge eines gewöhnlichen Rocksongs und Gesangsparts, die in den zwölfminütigen Werken rein prozentual gesehen nichtig erschienen. Dennoch ist es ein Leichtes, die Gänsehaut nachzuempfinden, wenn lediglich durch Einsatz der Stimme die Gefühlsexplosion des Songs zur Vollendung gebracht wird. Eine frühe, musikalisch unglaublich eindrucksvolle Form des Post-Rocks.

Seit einiger Zeit erlebt nun in einer eher im Underground vertretenen Szene ein anderes Genre einen Aufschwung, das sich stark durch ungewöhnliche Songstrukturen charakterisiert. Hier werden Gesangselemente aus dem Hardcore über ausufernd-komplexe Klangkonstrukte gesetzt. Durch den Kontrast zwischen dem wütenden Screamen mit seinem unmenschlichen, nahezu gequält wirkenden Charakter, über langsamen Melodien einer cleanen Gitarre und wuchtigen Basslinien entsteht eine faszinierende Stimmung, ein Gefühl wie beim Betreten einer riesigen Kathedrale. Man kann es als Post-Hardcore beschreiben, der erwachsen gewordene Bruder eines Genres, das mit um sich tretenden Fans in Moshpits verbunden wird. Entschleunigt, aber nicht weniger mächtig.

Auf Konzerten der Münchner Band We Too, Will Fade entstehen trotzdem Moshpits. Die explosiven Momente der Songs ziehen das Publikum in einen Bann, der nicht stillstehen lässt. Dies liegt auch an der Intensität der persönlichen Ebene, auf der die Konzerte stattfinden. "Wir wollen eine Atmosphäre kreieren, eine Verbindung zwischen den Leuten und der Band", sagt Sänger Vlad Andrei. Auf seinen Konzerten springt er in die Menge und geht zwischen die Menschen. Diese Nähe und Impulsivität ist für ihn entscheidender Bestandteil der Szene.

Shmagi Liklikadze und Giovanni Raabe gründeten die Band 2016. "Ich hatte damals schon einiges geschrieben, mit dem ich arbeiten wollte", sagt Shmagi. Und als 2017 mit Julian und Vlad die Band komplett war, starteten sie als erstes mit der Veröffentlichung einer Single. "In The End We All Wish We Were Back Home" weist nahezu keine wiederkehrenden Passagen auf und produziert einen Spannungsbogen, der nie aufgelöst wird. Die Lyrics bestehen aus einem einzigen Satz, der sich durch das gesamte Stück zieht und schon im umständlichen Titel spiegelt sich die komplexe Form des Songwritings wider. Die Rastlosigkeit, das Umhertaumeln und niemals Ankommen werden so treffend durch jegliches genretypische Stilmittel interpretiert, dass der Song an Symbolik überzuquellen scheint.

Die Songs des Post-Hardcores sind intelligent komponierte Werke, bestimmt von Gegensätzen. Fast vorsichtig werden die unverzerrten Noten eingesetzt, die dann plötzlich in dynamischen Klangexplosionen gipfeln, wiederum gefolgt von Bridge-Passagen, die allein von den geschrieenen Vocals getragen werden - der Song endet dann meist abrupt, wie ein abreißender Faden. Bei bekannten Bands des Genres wie Being As An Ocean ziehen sich diese Schemata auch durch die meisten Songs. We Too, Will Fade will ihre Musik aber durch die verschiedenen Einflüsse ihrer Mitglieder weiterentwickeln. Da fast alle schon in anderen Projekten gespielt haben, ziehen die Musiker ihre Einflüsse aus den unterschiedlichsten Genres vom Death Metal bis zum experimentellen Elektro. "All diese Elemente bestimmen unseren Sound und unsere Definition vom Post-Hardcore. Wir blicken der Zukunft sehr offen entgegen", sagt Schlagzeuger Giovanni. Dies soll schon auf ihrer ersten EP zu hören sein, die Ende November erscheinen soll. Auf die Veröffentlichung folgt in diesem Jahr noch eine Show in München am 20. Dezember im 8below.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: