Band der Woche:Vleming

Marvin Langner hat sich für den Ausbruch aus dem Alltag entschieden

Von Viktor Schacherl

Ein Singer-Songwriter funktioniert am besten, wenn er aus seinem gewohnten Umfeld ausbricht. Das hat niemand in den vergangenen Jahren so eindrucksvoll bewiesen wie Bon Iver, als er sich für sein Debütalbum "For Emma, Forever Ago" in eine abgelegene Hütte in Wisconsin zurückzog und dort nach der Trennung von seiner Freundin die gewünschte Einsamkeit fand. Aus dem Nichts veröffentlichte er anschließend ein bahnbrechendes Werk.

Auch Marvin Langner hat sich zu diesem Ausbruch aus dem Alltag zum Wohle seiner Musik entschieden. Unter dem Künstlernamen VLEMING produziert er seit 2018 verträumte Folkmusik mit elektronischen Elementen und Jazz-Anleihen. Zwar hat es ihn nicht in eine abgelegene Hütte gezogen, sondern in einen zu einem Tonstudio umgebauten Bus. Der 26-Jährige hat sich entschlossen, acht Monate lang eine Auszeit von seinem Job als 3 D-Designer bei einem großen Automobilhersteller zu nehmen und in dieser Zeit in seinem neuen Gefährt zu reisen, zu surfen und vor allem Musik zu machen. "Das deutsche, besonders das bayrische Mindset ist ja oft die Sicherheit, der gute Job, die schöne Wohnung und die Gemütlichkeit", sagt Marvin. Als Musiker muss er diese Gemütlichkeit eine längere Zeit lang ruhen lassen.

Dass der Münchner sich jetzt auf seine Musik konzentrieren will, ist kein Wunder. Sein ganzes Leben dominiert sie schon. Im Alter von fünf Jahren begann er Schlagzeug zu spielen, die Gitarre folgte kurz darauf. Als er dann auch noch Gesangsunterricht nahm und in Musicals mitspielte, war klar, dass er alle Voraussetzungen mitbrachte, um ein eigenes Projekt zu starten.

Für die Produktion seiner Debüt-EP "Forest" unterlegte er seine Akustik-Songs mit sanften, jazzigen Drums und bekam von Freunden elektronischen Input, indem sie Synthesizer, Beats und Samples beisteuern. Die Leichtigkeit von smoothem Jazz und der sphärische Charakter von elektronischer Chillout-Musik geben dem Singer-Songwriter-Sound eine Tiefe - die Lieder erinnern nicht nur an das besagte, erste Album von Bon Iver, sondern auch an dessen Nachfolgewerke. Während seiner Reise durch Europa war Marvin nun aber komplett auf sich allein gestellt - er musste sich das Integrieren von elektronischen Elementen und das Sampling selbst aneignen.

VLEMING legt nicht nur eine geografische Reise zurück, sondern auch eine persönliche. Kurz vor seiner Abreise endete die fünfjährige Beziehung zu seiner Frau. Sie hatte auf seiner Debüt-EP noch Gesangsparts beigesteuert. Der Name VLEMING war aus dem V in seinem Vornamen und ihres gemeinsamen Nachnamens Fleming zusammengesetzt - es war ursprünglich als ein gemeinsames Projekt gedacht. Nach der Trennung hatte Marvin überlegt, den Namen zu ändern und hat sich dann dagegen entschieden. "Narben sind sexy", sagt er selbst.

Durch die Trennung wurde Marvins Alltag erst recht durchgerüttelt. Raus aus einem geregelten Alltag mit einem sicheren Job und einer festen Partnerschaft. Rein in das Ungewisse, in das Leben eines alleinstehenden Künstlers auf Reisen. Solche Umstände zwingen einem wohl fast dazu, kreativ zu werden und Texte zu schreiben. "Es war sehr schön zu sehen, dass es sehr heilend wirken kann, wenn man all diese Sachen in einem Song rauslässt", sagt er. Während der Reise hat VLEMING viele Künstler getroffen. Viele lud er in seinen Bus ein und nahm mit ihnen Lieder auf. Zum Beispiel hat er ein französisches Pärchen getroffen, das in seinem fahrbaren Studio unter der Begleitung von einem Akkordeon traditionelle Lieder eingespielt hat. Elemente wie diese will Marvin durch das Herausschneiden von einzelnen Passagen in seinen Aufnahmen unterbringen.

Nach der Veröffentlichung seiner ersten EP im vergangenen Jahr wird Marvin mehr Zeit in seine Musik stecken. Inspiriert und ermutigt von den Menschen, die er in den vergangenen Monaten getroffen hat, will Marvin nun mehr wagen. Das auf der Reise entstandene Debütalbum wird nur der Anfang sein.

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