Süddeutsche Zeitung

Band der Woche:Taiga Trece

Der Untergrund soll nun das Leben der Rapperin werden - auch ökonomisch

Von Rita Argauer

Gangster-Rap war eine lustige Erscheinung in der deutschen Pop-Landschaft. Ganz anders als in der US-amerikanischen in den Neunzigerjahren. Denn da wurde für die Gang-Authentizität Blutzoll gezahlt. Doch kurz nach Tupacs Tod verwandelten ein paar Berliner Rapper diese Haltung in grandios inszeniertes Theater: Sido trug eine Affenmaske, Fler disste Bushido, der aber verwandelte sich kurz darauf zum Filmstar, der sich selbst spielt - und zuletzt führte Materia auf "Zum Glück in die Zukunft II" wunderbar zynisch Resümee darüber. Aggro Berlin ist nun nicht mehr scharf auf Drogen und Prügel, sondern ein gesetztes High-Class-Unternehmen. Und da entschließt sich eine Münchner Rapperin, dieses Theater mit den bekannten Insignien von vorn zu beginnen. Nur hat sie den Schauplatz verlegt.

Taiga Trece hat schon auf "7 auf ein' Streich", ihrer ersten EP aus dem Jahr 2014, nach anderen kulturellen und kontinentalen Einflüssen gesucht. Dafür hat sie auch beste Voraussetzungen, immerhin hat sie einige Zeit ihrer Jugend in Mexico-Stadt verbracht. In ihrer Musik spiegelte sich das schon auf besagter EP. Da hörte man Soul und R 'n' B-Einflüsse, wie sie in Deutschland nur selten auftauchen. Auch die unterschiedlichen Lebensweisen von Mittelamerika und Mitteleuropa waren auf der ersten Platte bereits ein Thema, das Taiga Trece mit dem Authentizitätsanspruch der eigenen Erfahrungen heraufbeschwor. Bloß war das darauf noch - ähnlich dem Titel der EP - etwas märchenhaft.

Auf ihrem neuen Album "La Cholemana" hingegen klingt das nun nach beinharter Realität. Innerhalb der vergangenen paar Monate hat sie es mit vier verschiedenen Produzenten aufgenommen. Die Geschichten, die sie darauf erzählt, erheben sich mit dokumentarischem Anspruch statt mit märchenhaften Anspielungen. Es geht um den Drogenkrieg in Mexiko. Und Taiga Trece befindet sich mittendrin. Das ist vom Titel-Track und Opener an klar, wenn eine Männerstimme in Nachrichtensprecherhaltung über Opfer und Ausschreitungen der Drogenkartelle in Mexiko berichtet. Bis Taiga einsteigt und sich mit der Haltung der Rächerin mitten ins Geschehen wirft. Fazit: "Die Straße liebt mich", so die Hook-Line des Songs. Doch da sie sich eben anders als die Aggro-Berlin-Version des deutschen Gangster-Raps nicht auf grauen Berliner-Proll-Alltag bezieht, sondern auf Mexiko, ist auch die Musik ein wenig bunter, ein wenig gewitzter und ein wenig leichter geraten. Kinderchöre treffen auf Soul-Refrains. Harte Rap-Strophen auf Neunzigerjahre-Synthies.

Drei Affen hat sie zu Maskottchen des Albums erklärt. Die, die nichts sehen, nichts hören und nicht sprechen, als Symbol der Abschottung, der Feigheit und des Schutzes. Doch sie reißt ihnen gehörig die Sinne auf - und verlangt von ihren Hörern hinzuschauen, vor allem, wenn die Musik so soulig und zugänglich gerät wie in manchen ihrer Refrains. Taiga Trece ist eine Kunstfigur, die sich mit in der Realität verankerten Geschichten umgibt. Eine Mischung aus Gangster (und zwar aktiver Gangster und explizit nicht Gangsterbraut) und Hippie, die auf Spanisch, Englisch und Deutsch zwischen den Kontinenten hin- und herschwenkt. Dass sie auch musikalisch weiß, auf was sie sich bezieht, zeigt sie im Song "Drei Affen". Die Klavier-Linie des Beats untermalte einst "Clint Eastwood", den Superhit von Damon Albarns virtueller Retorten-Band Gorillaz. Und ganz passend antwortet sie im Song "Ilusion o Realidad" in ihrem gewohnten Sprachmix "Ich trag' ne Maske (. . .) represent underground".

Der Untergrund soll nun ihr Leben werden - auch ökonomisch. Das Album stellt sie am Freitag, 18. Dezember, im Clap-Club im Arri-Studio vor. Anschließend geht es auf Mexiko-Tour.

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Quelle:
SZ vom 14.12.2015
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