Band der Woche:Oakhands

Lesezeit: 2 min

"Post-Hardcore" nennt die Band ihren Stil. Die Texte liegen nahe an der Lyrik der Romantik. Sie mit Hardcore-Musik zu verbinden ist mutig, aufwendig und künstlerisch höchst eindrucksvoll

Von Rita Argauer

Ursprünglich war Hardcore mal eine ganz schön rohe Angelegenheit. Schweiß und Muskelshirt, präzise Gitarren auf vertrackten Rhythmen und eine daraus gewonnene, beinahe unbarmherzige Härte. Die Bad Brains, eine der ersten Hardcore-Punk-Bands überhaupt, gründeten sich bereits 1977. Das Phänomen dieser härteren Spielart aggressiver Gitarrenmusik ist keine Antwort auf den Punk, sondern eigentlich ein gleichzeitiges Phänomen und damit auch eine Reaktion auf Sechzigerjahre-Hippie-Idyllen und Siebzigerjahre-Disco-Spaß. Doch diese Musik, deren emotionaler Hauptimpuls sich über Härte und Wut generiert, hatte seitdem lang genug Zeit, andere Aspekte in sich aufzunehmen. So ist etwa die Emo-Bewegung, die eigentlich erst Anfang der Nullerjahre so richtig groß wurde, aus dem Hardcore gewachsen. Die verzerrten Gitarren erscheinen hier mehr wie ein Stilmittel, ein Zitat, das nicht mehr seinem rohen Urimpuls folgt, sondern in eine beinahe kitschige Umgebung eingebettet wird.

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(Foto: Dennis Klausmann)

Stil: Post-Hardcore Besetzung: Lukas Gündogar (Gesang), Max Mayr (Gitarre, Gesang), Rainer Cannstein (Gitarre), Justin Urbach (Schlagzeug), Alex "Walter" Friedrich (Bass) Seit: 2015, aktuelle Besetzung seit 2018 Aus: München Internet: www.instagram.com/oakhands

Post-Hardcore nennt die Münchner Band Oakhands hingegen ihren Stil. Und dass Emo bei der Stilfindung eine gewisse Rolle gespielt hat, ist nicht zu überhören. Dennoch schaffen es die Musiker, den kitschigen Aspekt des Emos völlig beiseite zu lassen. Hier findet eine ganz andere, viel extremere Form des Stilisierens statt. Die Rohheit des ursprünglichen Hardcore ist einer Hochglanz-Ästhetik gewichen: voller Gloss, HD und Tiefenschärfe - bildnerisch genauso wie musikalisch.

So fächert sich die Musik des Quintetts zwischen Shoutings und Zartheit, zwischen Gitarren-Brettern und fein melodiösen Akustik-Pickings auf. Und alles ist im Sound so transparent und so durchscheinend, dass die Aussage durch alle Schichten der Musik spürbar und klar umrissen bleibt. Tiefenscharf eben. "Der Ausdruck und Impuls ist roh und direkt, sehr in der Traditionslinie von Punk und Hardcore", erklärt Bassist Alex Friedrich, die Umsetzung dabei sei jedoch "artifiziell und konzeptuell, und somit kunstvoll" gedacht. In "A Reverie, 1890", dessen Titel schon stark an romantische Stücke wie Schumanns bekannte "Reverie" aus den "Kinderszenen" erinnert, stehen sich diese beiden musikalischen Pole noch gegenüber. Der Song beginnt indie-melancholisch mit Gitarre und Gesang und bricht plötzlich in einen lauten, schnellen und treibenden Teil mit geshoutetem Gesang aus. In "The Parnassus", zu dem die Oakhands gerade ein spektakulär pathetisches und verstörend psychotisches Video veröffentlicht haben, vermischen sich die musikalischen Ebenen mehr. Als würden sich die verschiedenen Stile gegenseitig jagen und verdrängen und in diesem Kampf dann irgendwann doch vereinigen. Das passt natürlich inhaltlich blendend zum titelgebenden "Parnassus", einem Berg, der zweigipfelig in der griechischen Mythologie auch Heimat des Gottes Apoll und der Musen ist.

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Solche intertextuellen Verquickungen mögen ein bisschen verkopft wirken, füllen die Musik aber auch mit einem Inhalt, der auf mehreren Ebenen funktioniert und dadurch vor Kitsch schützt: "Musik, Texte und Video müssen ineinander greifen", sagt Alex, "nicht einfach, indem wir wild drauflosgehen, sondern auf der Basis konzeptueller Überlegungen." Für ihr Debüt-Album "The Shadow of Your Guard Receding", das am Freitag, 24. April, auf dem Münsteraner Label "This Charming Man" erscheinen soll, haben sie deshalb ein lyrisches Ich geschaffen, das die einzelnen Songs wie unterschiedliche Zustände der Seele durchläuft und dabei "verschiedene Facetten der eigenen Psyche, wie Familienkonflikte und solche der eigenen Person, Isolationismus, mentale Gesundheit, Maskulinität" beleuchtet. Strukturell ist das ziemlich nah an der Lyrik der Romantik. Das mit Hardcore zu verbinden, ist mutig, aufwendig und künstlerisch höchst eindrucksvoll.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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