Süddeutsche Zeitung

Band der Woche:Miss Mellow

Erst vor einem halben Jahr gegründet erfrischt die Band mit einem Mix aus Psychedelic-Indie-Sound und Orgelklängen

Von Rita Argauer

Es gibt kaum etwas so ambivalentes wie Fusionen. In vielerlei Hinsicht. Etwa wenn Firmen fusionieren. Da mag es ökonomisch positive Effekte geben, wenn verschiedene Kompetenzen unter einem Dach gebündelt werden. Gleichzeitig schwebt darüber auch immer die Angst vor Megakonzernen, deren Unternehmensgewinn weit über dem Wohl der Mitarbeiter steht. Oder in der Fusion-Küche: Mediterranes Sushi kann eine positive Überraschung sein. Ist aber in der ersten Vorstellung zunächst einmal etwas ziemlich Grauenvolles.

Aber hier geht es um Musik. Fusion als Genre vereinte in den Siebzigerjahren Rock und Funk. Oder Jazz und Rock. Also ganz ähnlich gegensätzliche Dinge wie Sushi und Rosmarin. Erdige Rockriffs und hüpfende Funklicks, da muss gut komponiert werden, damit das nicht plump, sondern gewitzt klingt. Den letzten ernsthaften Versuch einer Fusionierung in der Popmusik gab es dann Ende der Neunzigerjahre. Da nannte man das schon gar nicht mehr Fusion. Die Verschränkung von Hip-Hop und Metal bekam den Namen Crossover. Und entweder klang das etwas billig wie bei Limp Bizkit oder Kid Rock. Oder aber wirklich toll wie bei Rage Against The Machine - deren Gitarrist mischte allerdings dazu noch eine ziemliche Portion Funk-Rhythmik, was erst einmal echt absurd klingt, aber sich in der gekonnten soundästhetischen Reduzierung der Band bald als ziemlich genial erwies.

Nun, beinahe 30 Jahre später, versucht sich eine Band in München an einer neuen Kombination der Gegensätze: Bei Miss Mellow wird zur Neunzigerjahre-Indie-Süße mit ordentlich Sixties-Einschlag georgelt. Pavement trifft dabei auf Krautrock-Verschrobenheit. Indie-Einfachheit vergeht in Psychedelic-Strukturen. "Wir lassen uns gerne vom alten Orgelsound inspirieren", sagen sie, schreiben aber auch gerne eine melodisch süße Popästhetik in die Songs. Seit August 2019 spielen die vier Jungs zusammen. Sänger und Gitarrist Joshua Lilienthal und David Stockinger, der ebenfalls singt und Bass spielt, haben sich während ihres Studiums in Bayreuth kennengelernt. Nach ihrem Abschluss im März vergangenen Jahres sind die beiden ausgebildeten Tontechniker nach München gezogen und begannen sich hier nach Musikern umzusehen. Songs hatten sie schon zuvor zusammen geschrieben, in München wollten sie diese nun endlich mit voller Besetzung, sprich mit Schlagzeug und Keyboard, spielen. Gefunden haben sie dafür den Schlagzeuger Niccolò Schmitter und den japanischen Multiinstrumentalisten Junsuke Kondo. Schnell machten sie sich daran, Demos aufzunehmen. Fünf Songs sind es geworden, die nun auf Soundcloud stehen und einen ganz eigenartigen Charme ausstrahlen. Meist wuselt die Musik vor Spielfreude nur so dahin, bis plötzlich die Gitarre in "Peace in my Mind" in schweres punktiertes Stoner-Riff fällt, auf das die Orgel mit fast pathetischen Akkorden antwortet. In "Chopsticks" wiederum wird in bekiffter Hippie-Wurschtigkeit der Satz "A rocket over here, a rocket over there" wiederholt und der Song so zum eigenwilligen Kommentar zu Trumps "Rocketman"-Provokationen in Richtung Nordkorea.

Darf man das mit so einer Gelassenheit? Irgendwie will man "ja, gerade" als Antwort schreien. Denn die Art wie die Hippies den Frieden in Vietnam forderten, so gelassen wie dringlich, die wirkt heute erstaunlich erfrischend. Doch eigentlich - und das passt zu dieser Haltung - geht es den Musikern von Miss Mellow sowieso in erster Linie um die Musik und dann nur im Nachschlag um die Textarbeit, die dann "gleichberechtigt zur Musik stehen soll". Praktisch geht es jetzt aber erst einmal um Konzerte und da steht nun am 6. März im Sunny Red im Münchner Feierwerk das erste an. Zudem haben sie schon eine ganze Menge weiterer Songs geschrieben, die bald den Weg auf ein Album finden sollen. Hoffentlich können sie sich diese gelassene, verhaltene und trotzdem ungemein stimmungsvolle Soundästhetik der Demos darauf bewahren.

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Quelle:
SZ vom 03.02.2020
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