Band der Woche:Her Tree

Lesezeit: 2 min

Sängerin Alexandra Cumfe nimmt in der Natur Geräusche auf, die sie für ihre Songs in Beats oder Basslines verwandelt

Von Marietta Jestl

Wer schon mal alleine mit geschlossenen Augen in einem Wald stand, weiß, dass die Natur einen Klang hat. Einen Klang, der im Menschen oft Gefühle weckt. Das Trommeln von Regen auf einem Hausdach wird als beruhigend empfunden, genauso wie das gleichmäßige Rauschen einer Brandung, das Knistern eines Lagerfeuers oder das Schnurren einer Katze. Die Klänge der Natur wirken erdend auf uns. Als würde die einstige Verbundenheit der menschlichen Spezies mit der Natur für einen Augenblick geweckt werden und die Menschen daran erinnern, wo sie hingehören.

Die Sängerin Alexandra Cumfe hat sich den Klang der Natur für ihre Musik angeeignet. In ihrem Projekt Her Tree verwendet sie neben ihrer Stimme ausschließlich Sounds, die sie in der Natur aufgenommen hat . Bei der Produktion hilft ihr Maximilian Spindler von der Band Kannheiser. Er zerlegt die Aufnahmen am Computer in sekundenlange Fetzen, verändert die Bruchstücke mit Effekten und bastelt sie zu Percussions, Melodien oder Basslines. Dieser Klangteppich bildet dann die Begleitung zu Alexandras Gesang. "Mir gefällt dieser Kontrast: die Verbindung von etwas Organischem mit moderner Technik", sagt Alexandra.

Her Tree

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(Foto: Lena Semmelroggen)

Stil: Organic Electro Besetzung: Alexandra Cumfe Aus: München Seit: 2019 Internet: www.facebook.com/hertreemusic

Die Idee entstand über einen längeren Zeitraum. Alexandra wurde der Klang der Natur erstmals beim Wandern mit ihrem Hund bewusst. Sie war so mitgerissen von der Atmosphäre, die die Geräusche des Waldes um sie herum erzeugten, dass sie den Moment mit einer Tonaufnahme auf ihrem Handy festhalten musste. Von da an machte sie es sich zum Spaß, Geräusche in der Natur aufzunehmen - immer wenn ihr eine besondere Stimmung auffiel, versuchte sie diese einzufangen. Noch dachte sie nicht an irgendeine Verwendung für ihre Aufnahmen. Erst nachdem sie mehrere Monate lang immer wieder neuen Sound eingefangen hatte, kam ihr die Idee, die Klänge zu Musik zu verarbeiten.

Je mehr Gestalt das Projekt annahm, desto eifriger ging sie explizit auf die Suche. Sie legte sich einen Field Recorder zu, um die Sounds in hochwertiger Qualität und mit wenig Störfaktoren aufzunehmen. "Es ist leicht, dabei die Zeit zu vergessen", sagt Alexandra. "Manchmal will ich nur schnell für eine halbe Stunde mit dem Hund raus, und dann finde ich mich dabei wieder, wie ich zwei Stunden lang einem Specht hinterherlaufe - nur um eine perfekte Aufnahme seines Klopfens einzufangen." Fast zwei Jahre lang sammelte sie eine riesige Datenmenge an Geräuschen. Sie reiste nach Polen, Österreich, Slowenien und sogar nach Thailand, immer auf der Suche nach dem Ersatz für beispielsweise eine Bass-Drum oder ein Klavier. "Die größte Herausforderung war dabei tatsächlich, Orte ohne Autogeräusche zu finden", sagt sie.

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Der Prozess des Songwritings bei Her Tree ist einzigartig, aber auch langwierig. Oft hat Alexandra eine Songstruktur im Kopf und versucht sie mit den passenden Bruchstücken umzusetzen. Wie die Tonspur dann schlussendlich klingt, beeinflusst jedoch die Natur. "Zuerst hört sich das nach einer wahnsinnigen Limitierung an, aber eigentlich erweitert diese Einschränkung den Horizont", sagt Alexandra. "Es entstehen Ideen, an die man vorher nicht gedacht hätte."

Die Musik lebt aber nicht nur von den überraschenden Sounds, sondern auch von Alexandras sanfter Stimme und den sehr eingängigen Melodien. Bisher hat Her Tree fünf Singles veröffentlicht, im Februar 2020 soll ein ganzes Album erscheinen. Wer nicht weiß, welcher Entstehungsprozess hinter der Musik von Her Tree steckt, wird dies nicht heraushören. Die Tonspuren, die Alexandra und Maximilian aus Wassertropfen, hohlem Holz oder den Rufen eines Kuckucks produzieren, könnten auch rein instrumental oder elektronisch sein. Auf ihren Social-Media-Seiten gibt Her Tree Einblicke in einzelne Soundaufnahmen. Dieses Hintergrundwissen lässt beim Hören nicht nur staunen, sondern auch wundern, wie melodisch die Natur sein kann.

© SZ vom 09.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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