Süddeutsche Zeitung

Band der Woche:Eyeclimber

Singer-Songwriter mit melancholischer Stimme

Von Marietta Jestl

Ein Singer-Songwriter - ein Musiker, ein Instrument - scheint bei Menschen eine gewisse Faszination, ein Gefühl der Behaglichkeit auszulösen. Dem liegt vielleicht die beruhigende Komponente eines Urinstinkts zugrunde - die Symbiose von Mensch und Objekt: Verschmilzt ein Sänger mit seiner Gitarre, scheint er sich selbst erst zu vervollständigen. Diese gebündelte Konzentration von musikalischer wie lyrischer Kreativität auf einen einzelnen Menschen macht es wohl unter Singer-Songwritern zu keiner Seltenheit, sich nicht nur der Musik komplett zu verschreiben, sondern auch alles selbst zu produzieren. Sogenanntes Bedroom-Producing ist populär, für die Aufnahmetechnik braucht es längst keine Plattenfirma oder kein Tonstudio mehr. Direkt aus dem Schlafzimmer ins Internet und damit theoretisch verfügbar für die ganze Welt. Diese Möglichkeit, viele Leute auf so einfachem Weg zu erreichen, ist für Musiker motivierend.

Auch für Dominik Feike ist die Musik schon immer sein Lebensinhalt, er möchte davon leben. "Das bin eben einfach ich", sagt der 22-Jährige. "Wenn ich nicht Musik machen würde, wüsste ich nicht, was ich machen sollte." In den vergangenen Jahren hat er all seine Zeit in verschiedenste Projekte gesteckt. In eigenes Songwriting sowie als Studiomusiker oder Beat-Produzent. Um einerseits Geld zu verdienen, andererseits Erfahrungen zu sammeln, sich auszuprobieren.

Jetzt will er sich auf sein Projekt Eyeclimber konzentrieren. "Bisher war vieles Spielerei", sagt er. "Aber jetzt habe ich das Gefühl, ich bin der, der ich sein will." Mit Eyeclimber hat er bereits 2017 die selbst produzierten EPs "Winter's Call" und "Summer's Dawn" veröffentlicht. Sein Song "The Open Road" wurde auf Youtube mehr als 160 000 Mal aufgerufen. Für einen jungen Künstler, den in seiner Stadt noch fast niemand kennt, ist das beachtlich. Für Dominik ist es Ausdruck davon, wie Single- und Playlist-bezogen die Leute Musik konsumieren. Wer Glück hat, kann mit nur einem Song über Nacht berühmt werden. Nicht nur die Erfolgsgeschichten von Justin Bieber oder Billie Eilish zeigen dies.

Und seine Klicks hat Eyeclimber nicht zu Unrecht. Er hat das gewisse Etwas, was manchen eher austauschbar klingenden Singer-Songwritern fehlt. Seine Stimme ist weich und melancholisch, aber der Kontrast des unbeschwerten Gesangs über teilweise komplexem Gitarren-Picking lässt die Musik so leichtfertig erscheinen, wie man es eher von Jack Johnson oder John Meyer gewohnt ist. Die Symbiose aus Instrument und kreativem Kopf ist hier eindeutig zu spüren und die Ambient- und Folk-Einflüsse geben den Songs einen speziellen Charakter. Es wirkt surreal, dass diese Musik in einem Zimmer zwischen Tisch, Bett und Dachfenster entstanden sein soll.

Was macht es mit einem Menschen, komplett abgeschottet in seiner eigenen kreativen Welt Musik zu produzieren? "Ich denke, das passt zu mir, ich bin auch eher ein introvertierter Mensch", sagt Dominik. "Ich finde dabei zu mir selbst. Gleichzeitig entsteht in dem Mini-Zimmer auch ein gewisses Fernweh, das mir Inspiration gibt." Diese Introvertiertheit, gepaart mit einem gewissen Freiheitsdrang, gibt Eyeclimbers Songs eine Persönlichkeit. "Vielleicht trifft dieser Drang nach dem Zurück zur Natur den aktuellen Zeitgeist der jungen Leute", sagt Dominik. "Ich nehme viel meiner Inspiration aus der Natur. Die Songs erzählen keine Geschichten, sondern sind eher Momentaufnahmen." Atmosphärische Elemente, wie gekonnt eingesetzter Hall, erzeugen Klangteppiche - und starke Bilder. Es ist ein Leichtes, sich von der Musik an einen anderen Ort transportieren zu lassen.

Am 23. Mai erscheint seine neue Single, es ist die erste seit 2017, weitere sollen bald folgen. Vielleicht gelangt ja eine von ihnen zur richtigen Zeit an den richtigen Slot auf einer Spotify-Playlist und beschert Eyeclimber wieder Streaming-Zahlen, die er verdient hat.

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Quelle:
SZ vom 13.05.2019
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