Band der Woche:Elvis de Sade

Die Münchner Postpunker machen "depressive Musik, die trotzdem vorwärts geht"

Von Marietta Jestl

Die Renaissance des Postpunk ist eigentlich nichts Neues. Die Epoche wurde Ende der Siebzigerjahre maßgeblich von monotonen Melodien und depressiven Attitüden von Bands wie Joy Division oder Bauhaus geprägt. Der Begriff kann jedoch weiter gefasst werden. Bands wie Siouxie and the Banshees, Depeche Mode oder The Cure übernehmen alle eine eigenständige Rolle in der Definition des unter Postpunk bekannten Sounds. Großzügig eingesetzter Hall und jede Menge Synthesizer fanden ihren Platz neben durchlaufenden Basslines und dem typisch kühlen Gesang. Goth, New Wave und Postpunk fanden einen gemeinsamen Nenner, der noch heute unverkennbar ist. Seit einigen Jahren zitieren zahlreiche Musiker all diese einschlägigen Elemente des Genres. Oft jedoch auf zunehmend selbstironische Weise. Die aggressivere No-Future-Message des Punk negierend, scheint sich der neue Postpunk eher distanziert zu einem fast schon verächtlichen Kommentar zu den gesellschaftlichen Missständen herabzulassen. Eine Generation, die in eine düstere Zukunft blicken muss, aber dennoch nicht aufgehört hat, nach irgendeiner rationalen Art von Hedonismus zu suchen.

Die Dialektik von Rationalität und Katharsis steckt auch im Namen der Münchner Postpunk-Band Elvis de Sade. "De Sade repräsentiert gewissermaßen in einer Person die Aufklärung und ihre Abgründe", erklärt Sänger Leo. "Einerseits die rationale Seite, und in seinen Romanen die Schattenseiten, die mit der Aufklärung einhergehen." Elvis als Popikone einer ganzen Generation ist ebenfalls sowohl Aufklärer, als auch Symbol des Hedonismus in einem. Der Name passt gut in das gesamte Bild des Postpunk-Revivals, das als selbstironische und kritische Antwort auf diesen Widerspruch zu wirken scheint.

Andreas Rentz, Gitarrist und Gründungsmitglied von Elvis de Sade, komponiert weitgehend alle Songstrukturen der Band und nennt als einen seiner wichtigsten Einflüsse Sisters of Mercy. Für ihn war von Anfang an klar: dieses Genre, und kein anderes. 2017 war er nach der Auflösung eines früheren Projekts auf der Suche nach einem Sänger für bereits fertiggestellte Tracks. Eher durch Zufall fanden Leo Schild und er zusammen. Dieser schrieb die bislang fehlenden Lyrics und Gesangsmelodien zu Andreas' Musik. Seine tiefe, leicht hohl klingende Stimmlage erinnert an Dave Gahan von Depeche Mode und ist wie gemacht für eine Darkwave-Band. Nach etwa einem halben Jahr stießen Cosima Weiske und Felix Hölter hinzu, da die Band nun auch live auftreten wollte. Gemeinsam veröffentlichten sie Anfang 2018 einige Songs und entwickelten einen eigenen Sound mit Wiedererkennungswert.

Die Melodik in Synthesizern und Gesang greift deutlich Elemente aus den frühen Achtzigerjahren auf. In fast jedem Song erscheinen geschickt platzierte Samples, beispielsweise kurze Filmtonspuren, die den Text zwar kurz unterbrechen, aber eher wie eine Bridge funktionieren. Monoton gehaltene Drumcomputer und Bass-Strukturen produzieren eine für den Postpunk typische, düstere Grundstimmung, die eine Art betäubende Trance hervorruft. Trotz der Introvertiertheit scheinen die Songs eine interessante Leichtigkeit zu vermitteln. "Es ist depressive Musik, die trotzdem vorwärts geht", sagt Andreas. Und Leo fügt hinzu: "Widersprüchlichkeiten regen zum Denken an. Es ist ein Ausbruch aus der Rationalität, aber nicht auf eskapistische Weise. Wir wollen die Depression nicht verklären." Denn Selbstmitleid ist keine Lösung und Rationalität kein Dauerzustand. Die Texte sind dementsprechend nicht lebensverneinend, sondern beinhalten Gesellschaftskritik oder auch mal Liebesthemen. Elvis de Sade arbeiten an einer neuen EP und gehen im Oktober auf Tour mit der Berliner Band Knarre. Die nächste Möglichkeit die Postpunk-Katharsis in München zu erleben, bietet sich aber schon am 20. Juni im Sunny Red.

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