Kritik:Fast ohne Worte

Die Bamberger Symphoniker spielen Wagners "Ring" in der Isarphilharmonie. Das Ergebnis ist eine ungewöhnliche Klangerzählung, die süchtig macht.

Von Egbert Tholl, München

Die Bamberger Symphoniker und ihr Chefdirigent Jakub Hrůša haben enorm viel Erfahrung mit Wagners "Ring des Nibelungen". Das spürt man bei dieser Unternehmung zu jeder Sekunde, obwohl dieser "Ring" ein etwas ungewöhnlicher ist, es wird nämlich nicht gesungen. Ganz ohne Worte kommt die Aufführung entgegen der Ankündigung aber doch nicht aus: Jens Harzer rezitiert kurze Passagen aus einer Zusammenstellung verschiedener Texte, von Richard und Cosima Wagner, Elfriede Jelinek, George Bernard Shaw, Virginia Woolf und vielen anderen. Meist sind dies nur ein, zwei Sätze, Harzer steht in der Isarphilharmonie links oben am Pult wie ein Steuermann, der das Schiff den Rhein hinab führt. Er spricht seiner Natur gemäß wundervoll, und mitunter ist man überrascht, wo hinein Wagners Gedankenwelt so sickerte. Aber braucht man die Texte wirklich?

Lorin Maazel erdachte einst diese orchestrale "Ring"-Essenz und spielte sie vor ein paar Jahrzehnten auch selbst ein. Ohne Worte. Sein Ziel war eine Aufführung ohne Pause, mit harmonischen Übergängen, bestehend aus den rein instrumentalen Passagen und jenen an sich gesungenen, in denen die Singstimme parallel von einem Instrument begleitet wird - deswegen singt hier zum Beispiel das Waldvögelein, obwohl es nicht singt.

Die Bamberger sind fabelhaft in Schuss

In den Übergängen, teils auch in Zäsuren, mitunter auch als Melodram meldet sich nun Harzer zu Wort. Vielleicht wäre der ungehemmt fließende Klangstrom noch imposanter, die assoziative Gedankensteuerung durch die Texte ist aber von Wert, auch wenn nicht jedes Schweigen der Musik bei seinem Eintreten erfreut, wenn dies zu abrupt geschieht. Doch aus Walther Rathenaus "An Deutschlands Jugend" von Nibelungentreue und, kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs, von der Empörung über die Sehnsucht nach klirrenden Schwertern und rauschenden Standarten zu hören, ist erhellend.

Hrůša sucht nicht nach Metaphysik, er liebt die Klangerzählung, die herrlich plastisch hervortritt. Die Bamberger sind fabelhaft in Schuss, die Horn- und Wagnertubenabteilung ist Weltklasse, die anderen sind nicht schlechter. Durch den Kopf rauschen Erinnerungen an viele verschiedene "Ring"-Aufführungen, die Musik evoziert Bilder, nach eineinhalb Stunden ist der Rausch aus. Süchtig wäre man nach mehr.

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