Süddeutsche Zeitung

Festival:Die Narben des Krieges

Die Balkantage München widmen sich dem Thema einer gemeinsamen "Erinnerungskultur".

Von Jutta Czeguhn

Ein Krieg mitten in Europa? Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Terror, das Massaker von Srebrenica, Vergewaltigungen, Vertreibung. Das Entsetzen darüber, dass das Unvorstellbare möglich sein könnte, war groß in den 1990er-Jahren. Jugoslawien, die Illusion eines friedlichen Vielvölkerstaates, zerfiel auf blutigste Weise. Die Lehren aus zwei Weltkriegen? Nein, die Menschheit hat rein gar nichts gelernt, wie die aktuelle Situation, rund 30 Jahre nach dem Balkan-Krieg zeigt, dessen Narben längst nicht verheilt sind. "Erinnerungskultur" ist das Thema, das über den Balkantagen München steht. Das Festival beginnt am 28. April (19 Uhr) mit einer Diskussionsrunde im Stadtmuseum München, Titel "Unsere Opfer - eure Täter". Wie können die Teilstaaten des früheren Jugoslawien, die sich einst bekämpften und bis heute gegensätzliche Täter-Opfer-Narrative propagieren, das gespaltene Gedenken überwinden und zu einer gemeinsamen Aufarbeitung der Kriegsgeschichte gelangen?

Eine Innenschau? Nein, das Festival, das bis Ende Mai geht und seit mittlerweile 15 Jahren organisiert wird vom Verein "Hilfe von Mensch zu Mensch", will den Menschen in Westeuropa auch Einblick in die große kulturelle Vielfalt Südosteuropas geben. Etwa mit der Tanzperformance "Dunjaluk", die von einer Gruppe junger Menschen auf den Straßen von Belgrads erzählt (29. April, 19.30 Uhr, Saal X im Gasteig HP8). Oder mit dem Autor, Musiker und Moderator Danko Rabrenovic. 1991 vor dem Kriegseinsatz aus Jugoslawien zu seiner Tante nach Recklinghausen geflohen, wurde er mit seinem Buch "Der Balkanizer" bekannt. Den Stand-up-Comedian kann man im Kleinen Konzertsaal im Gasteig erleben (30. April, 20 Uhr). Dort präsentieren sich auch am Literaturtag (15. Mai, 16 Uhr) die Autorinnen Tanja Stupar Trifunovic und Senka Marić sowie der Schriftsteller Stefan Bošković. Die Balkanfilmtage sind diesmal im neuen Kulturzentrum Luise zu Gast (16. /17. Mai), mit den Filmen "Cinema Komunisto" (Mila Turaljić, Serbien) und "Deset u Pola" (Danis Tanović, Bosnien und Herzegowina). Das Festival schließt am 28. Mai mit einem Symposium, hoffnungsvoller Titel "Erinnerung für die Zukunft der Region" (14 bis 18 Uhr, Sudentendeutsches Haus)

Balkantage München Festival, 28. April bis 28. Mai, Programm mit aktuellen Ergänzungen unter www.balkantage.org.

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