Bahnverkehr:Warum die Stellwerkstörung ein Klassiker bleibt

Betriebszentrale München

Das elektronische Stellwerk München Südwest: Der Fahrdienstleiter steuert von hier aus den Betrieb auf den Bahnhöfen und Streckenabschnitten zwischen München-Pasing und Tutzing.

(Foto: dpa)
  • Immer wieder fallen auf den S-Bahn-Strecken in München die Stellwerke aus, aus unterschiedlichen Gründen.
  • Manche Stellwerke sind anfälliger als andere, zum Teil, weil sie noch aus den Sechzigerjahren sind.
  • Der Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert die Deutsche Bahn regelmäßig, doch die verweist auf zahlreiche Investitionen in die Strecken in und um München.

Von Andreas Schubert

Eines muss man den Schweizern lassen: Humor haben sie zuweilen. So kürte 2013 eine Jury die "Stellwerkstörung" zum Schweizer Wort des Jahres. Als kuriose Begründung führte die Jury unter anderem an, das Wort "Stellwerkstörung" schaffe im Eisenbahnwagon ein Gemeinschaftsgefühl, unter anderem, weil es für Gesprächsstoff sorge. Wenn es nach dem geht, müssten sich die Münchner Fahrgäste alle ziemlich lieb haben, denn die Stellwerke sind auch bei der S-Bahn nicht selten gestört.

Erst an diesem Samstagnachmittag ist in Haar für eine Stunde ein Stellwerk ausgefallen - ab Trudering gab es einen Schienenersatzverkehr. Vor knapp zwei Wochen war ein Stellwerk in Grafing dran, was dazu führte, dass tagsüber keine Züge zwischen Ebersberg und Grafing fuhren. Tags zuvor war Trudering dran, am Sonntag davor der Ostbahnhof. Wer die Störungsmeldungen eine Weile sammelt, kommt auf eine lange Liste, was der Fahrgastverband Pro Bahn nicht besonders lustig findet. Er fordert gar Entschädigungen für die Fahrgäste. Es dürfe nicht sein, kritisiert Pro Bahn, dass die DB ihre Infrastruktur derart schlecht im Griff hat. Diese Kritik formuliert der Verband nicht zum ersten Mal.

Und auch nicht zum ersten Mal nimmt die Bahn eine Verteidigungshaltung ein. Ja, es stimme, sagt ein Sprecher, dass das Stellwerk am Ostbahnhof anfälliger für Ausfälle sei als zum Beispiel Pasing, wo 2011 ein neues elektronisches Stellwerk in Betrieb ging. Am Ostbahnhof handelt es sich um ein sogenanntes Relais-Stellwerk aus den Sechzigerjahren. Das alte Stellwerk komplett umzustellen, sei nicht so einfach und koste Millionen, so der Bahnsprecher. Hier stelle sich wieder die Frage der Finanzierung. "Da sind Bund und Freistaat gefragt." Zum Vergleich: Die Anlage in Pasing hat 130 Millionen Euro gekostet.

In einem Stellwerk hat ein Fahrdienstleiter alle Strecken in seinem Bereich im Blick, sei es auf einem Computerbildschirm oder auf einer Schalttafel. Von hier aus wird das Schienennetz gesteuert. Ein Fahrdienstleiter lenkt die Züge in seinem Abschnitt auf die richtigen Gleise, stellt die Weichen, schaltet Signale. "Fahrstraßen einrichten" heißt das im Fachjargon. Detektoren im Gleis melden, wenn ein Abschnitt frei ist. Nur dann kann der Fahrdienstleiter einen Zug auf die Strecke schicken. Wenn etwas nicht stimmt, muss der Fahrdienstleiter den Zugverkehr so lange aufhalten, bis der Fehler behoben ist.

Im Bereich des Netzbezirks München, zu dem außer dem Münchner S-Bahnnetz inklusive der Fernbahngleise auch die Strecken nach Mühldorf und nach Kufstein und Freilassing gehören, gibt es insgesamt 92 Stellwerke. Davon funktionieren zwölf mechanisch respektive elektromechanisch und steuern jeweils nur einen kleinen Streckenabschnitt. Die 46 Relaisstellwerke und die 34 elektronischen Stellwerke (ESTW) steuern nach Auskunft der Bahn jeweils größere Streckenabschnitte.

Die Ursachen sind vielfältig

Doch warum eigentlich fallen die Stellwerke so oft aus? Genauso vielfältig wie die Stellwerkstypen seien auch die Ursachen der auftretenden Störungen, teilt ein Bahnsprecher mit. "Es können zum Beispiel Relais oder Kabel beschädigt sein, Überspannungen auftreten oder Einzelkomponenten wie Achszähler ausfallen."

Die Bahn arbeite kontinuierlich daran, die Stellwerkstechnik zu modernisieren und zu vereinheitlichen. So wurde in den vergangenen Jahren nahezu der gesamte Münchner Westen mit dem Knoten Pasing und den Ästen nach Tutzing, Geltendorf und Mammendorf mit moderner ESTW-Technik ausgerüstet. Die Stammstrecke und die Strecken im Raum Rosenheim, Kufstein und Freilassing sind schon länger auf ESTW-Technik umgestellt.

Investiert wird laufend

Auch beim Relais-Stellwerk am Ostbahnhof gibt es immer wieder Verbesserungen. Um die Zuverlässigkeit dieses Stellwerks zu erhöhen, habe die Bahn zwischen 2011 und 2017 verschiedene Maßnahmen ergriffen. Es gibt jetzt getrennte sogenannte Anschaltbereiche für den Linienast nach Giesing (S 3 und S 7), den übrigen S-Bahnverkehr und die Fernbahn mit Fern-, Regional- und Güterverkehr. Wenn eine Störung auftritt, sei deshalb in der Regel nur noch einer dieser Bereiche betroffen, während in den anderen Bereichen der Verkehr weiter rollen kann. Außerdem wurde die Stromversorgung des Stellwerks am Ostbahnhof hochgerüstet, dabei wurden zahlreiche Kabel erneuert.

Den Vorwurf von Pro Bahn beantwortet der Bahnsprecher so: Für die Modernisierung und Nachrüstung der Stellwerkstechnik im Raum München habe die DB Netz AG schon viel Geld investiert und werde das auch weiterhin tun.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: