Süddeutsche Zeitung

Bahnhofsviertel:Stadt will Alkoholkranke "aufmerksam beobachten"

  • Die SPD-Stadtratsfraktion will auf die Szene Alkoholabhängiger reagieren, die sich rund um den Hauptbahnhof eingerichtet hat.
  • Dazu solle die Stadt einen Modellversuch einrichten, fordern die Politiker.
  • Die Gesundheitsreferentin hält den Stadtrat nicht für zuständig - zudem sei während der Bauvorhaben am Hauptbahnhof die Suche nach Räumen schwierig.

Von Andrea Schlaier

Betreuen statt verdrängen. Das ist, verkürzt gesagt, die Idee, die hinter dem Antrag der SPD-Stadtratsfraktion steht, auf die Szene alkoholabhängiger Menschen zu reagieren, die sich rund um den Hauptbahnhof eingerichtet hat. Die Stadt solle einen Modellversuch entwickeln, wie mit dieser Klientel ein sinnvoller Umgang in einem benachbarten Stützpunkt gefunden werden könne; gedacht wird sowohl an ein therapeutisches Begleitprogramm als auch an geduldeten kontrollierten Alkoholkonsum.

"Übermäßiger Alkoholgenuss im öffentlichen Raum sorgt bei vielen Bürgerinnen und Bürgern für Verunsicherung", heißt es in der SPD-Begründung, und er berge außerdem die Gefahr "von tatsächlich vermehrten Straftaten". Ein Modellversuch könne Erkenntnisse liefern, wie für alle Betroffenen ein sinnvoller Mittelweg gestaltet werden kann.

Gesundheits- und Umweltreferentin Stephanie Jacobs erklärt in ihrer Antwort, nicht der Stadtrat sei für das Thema zuständig, sondern der Oberbürgermeister, weil es sich um eine laufende Angelegenheit handle. Dennoch geht die Referentin ausführlich auf die aktuelle Situation in München ein.

Um Menschen mit Alkoholproblemen einen Tagesaufenthalt zu bieten und ihnen einfachen Zugang zu Hilfs- und Behandlungsangeboten zu ermöglichen, so die Referentin, gebe es in der Stadt bereits zwei sogenannte Kontakt- und Begegnungsstätten, eine an der Kurfürstenstraße 34 in Schwabing, die andere in Hauptbahnhofnähe an der Dachauer Straße 36. Die niederschwelligen Anlaufstellen hätten zum Ziel, durch tagesstrukturierende Angebote einer Verelendung Alkoholkranker entgegenzuwirken. Allerdings: Wer sichtlich alkoholisiert ist, muss draußen bleiben.

Für diejenigen, die nicht in der Lage seien, ihren Konsum entsprechend zu begrenzen, habe der Träger Soziale Dienste Psychiatrie im April 2018 eine weitere Kontaktstelle an der Lindwurmstraße 12 eröffnet. Sie sei gerade für die Menschen rund um den Hauptbahnhof und dem weiteren Stadtzentrum gedacht. Vor einem Modellversuch sollten zunächst die Erkenntnisse dieser neuen Einrichtung abgewartet werden. Außerdem solle ein ebenfalls im Frühjahr in Augsburg gestarteter Treffpunkt mit ähnlicher Ausrichtung wie in der Lindwurmstraße mitbetrachtet werden, der seine Zielsetzung aber stärker auf die Entlastung des öffentlichen Raumes lege.

Bei einem Münchner Modellversuch, erläutert die Gesundheitsreferentin, würde sich in den nächsten Jahren die Wahl eines Standortes außerdem schwierig gestalten. Die Umgebung des Hauptbahnhofes sei im Umbruch, "ein Teil der Menschen, die sich in diesem Bereich aufhielten, wanderten in den Alten Botanischen Garten ab"; ein weiterer Teil in die Gegend ums Sendlinger Tor.

Im Herbst werde der Hauptbahnhof für lange Zeit schließlich zur Großbaustelle. Man werde, versprach die Gesundheitsreferentin den Antragstellern, die Problematik gemeinsam mit den betreuenden Hilfseinrichtungen "aufmerksam beobachten".

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SZ vom 19.06.2018/vewo
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