Bahn:Gefährliche Mutprobe

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Ein 23-Jähriger lässt sich von einem Zug überfahren - er überlebt wie durch ein Wunder

Von Martin Bernstein

Seine Überlebenschance war gleich Null, nur unfassbares Glück hat einen 23-Jährigen davor bewahrt, von einer Regionalbahn zerfetzt zu werden. Der junge Mann hatte sich am Samstagnachmittag betrunken in Längsrichtung auf die Gleise gelegt und sich - wohl als dem benebelten Verstand entsprungene Mutprobe - von einem Zug überrollen lassen. Auch wenn der Truderinger das Spiel mit dem fast sicheren Tod überstanden hat - die Aktion wird teuer für ihn: Er hat eine Straftat begangen, die mit einer Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren geahndet wird. Außerdem wird wohl die Bahn ihn und seinen 25-jährigen Begleiter aus dem Landkreis Ebersberg regresspflichtig machen. Denn auf der Strecke zwischen München und Dachau kam es zu massiven Verspätungen und Zugausfällen.

Als "lebensgefährlichen Irrsinn" bezeichnet Simon Hegewald, Sprecher der Bundespolizeiinspektion am Münchner Hauptbahnhof, was sich die beiden Betrunkenen geleistet haben. Sie kletterten am Samstag gegen 17.30 Uhr auf die Gleise der Bahnstrecke zwischen Karlsfeld und Allach. Als eine Regionalbahn anrollte, legte sich der Truderinger mit Absicht längs ins Gleis. Der 54-jährige Lokführer sah den im Gleis liegenden Mann noch und leitete eine Schnellbremsung ein. Der junge Mann reagierte jedoch nicht auf die Warnfanfare und blieb regungslos liegen, als ihn die Regionalbahn überrollte. "Zu 99 Prozent geht das schief", kommentiert Polizeisprecher Hegewald die Überlebenschance bei einer derartigen Aktion. Je nach Geschwindigkeit und Stärke des Sogs, nach Bauart der Züge oder einfach nach der Statur oder der Kleidung der Person enden solche Experimente mit lebensgefährlichen Verletzungen oder mit dem Tod. Der Lokführer meldete den Vorfall umgehend an die Notfallleitstelle der Deutschen Bahn. Diese verständigte die Bundespolizei.

Als der 54-jährige Bahnmitarbeiter nach dem Überfahrenen sehen wollte, stand dieser unverletzt mit seinem Bekannten am Rand der Gleise. Der Triebfahrzeugführer nahm die zwei alkoholisierten Männer mit und brachte sie zum Hauptbahnhof in München. Dort wartete bereits eine Streife der Bundespolizei. Bei dem 23-Jährigen stellten die Beamten einen Atemalkoholwert von 0,98 Promille fest. Sein 25-jähriger Begleiter aus dem Landkreis Ebersberg pustete sogar 1,4 Promille. Gegen den Beschuldigten wird jetzt wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr ermittelt. Für die Münchner Bundespolizei ist die Tat glücklicherweise "ein absoluter Einzelfall". Hegewald kann nicht ausschließen, dass die beiden jungen Männer sich mit einem sogenannten Prank-Video im Internet wichtig machen wollten.

Die lebensgefährliche Mode, Selfies auf Bahnstrecken zu machen, ist dagegen - zumindest in München - offenbar vorbei. In diesem Jahr verzeichnete die Bundespolizeiinspektion noch keine Fälle, im ersten Halbjahr 2015 hatte es noch acht derartige Vorfälle gegeben. Und auch Pokémons halten sich anscheinend von Bahngleisen fern. Lediglich seine Kollegen in Osnabrück hätten einen betriebsblinden Spieler von den Schienen ziehen müssen, erzählt Hegewald.

© SZ vom 30.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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