Bäckerei Wimmer:"Eine Bäckerei ist auch Heimat"

Bäckerei Wimmer: Martin Wimmer in der Backstube im Münchner Norden: Auch nach 85 Jahren Betriebsgeschichte beginnt der Arbeitstag für einen Bäcker immer noch am Vorabend.

Martin Wimmer in der Backstube im Münchner Norden: Auch nach 85 Jahren Betriebsgeschichte beginnt der Arbeitstag für einen Bäcker immer noch am Vorabend.

(Foto: Stephan Rumpf)

Deshalb kann ein Backregal beim Discounter sie nicht ohne Weiteres ersetzen. Martin Wimmer führt Dutzende Filialen - und weiß um das besondere Verhältnis der Münchner zum Brot.

Von Pia Ratzesberger

Es ist nicht so, dass Martin Wimmer einfach machen könnte, was er wollte. Er hat zum Beispiel vor nicht allzu langer Zeit einmal das Mischbrot aus dem Sortiment genommen und dann kamen die Beschwerden. Ein andermal bekam er eine Mail, der "Granatsplitter" erinnere ihn immer an den Krieg, schrieb ein Mann. Martin Wimmer, 44, benannte den "Granatsplitter" also um. Er heißt jetzt "Schokospitz".

Der Name Wimmer ist in München fest verbunden mit den Bäckereien, doch es ist nicht mehr unbedingt bekannt, dass hinter den vielen Filialen auch noch eine Familie namens Wimmer steht, dritte Generation. In einer Backstube in Schwabing fertigten die Großeltern die ersten Semmeln, vor 85 Jahren, um die drei Brotsorten verkauften sie damals. Heute sind es 18. Und Martin Wimmer diskutiert plötzlich mit einer Unternehmensberatung, ob sich der Stollen aus Lübeck nicht auch in München verkaufen könnte.

Die Bäcker hatten es in den vergangenen Jahren nicht leicht, da waren erst die billigen Backshops, Anfang der Nullerjahre. Dann die Tankstellen, die Discounter-Supermärkte. Brot war überall zu haben. Jetzt aber seien die Leute wieder bereit mehr auszugeben, sagt Martin Wimmer, vielleicht hätten sie verstanden, dass ein Backshop einen Bäcker nicht ersetzen könne.

Die Menschen plauderten dann an der Theke, "die alleinstehende Dame, deren Mann gestorben ist, weil es ihr sonst langweilig ist". Martin Wimmer sagt: "Eine Bäckerei ist auch Heimat."

Das ist das Schwierige für solch eine große Bäckerei, eine Heimat zu bleiben, trotz 50 Filialen, trotz 600 Mitarbeitern. Schon lange fertigt Wimmer nicht mehr in der Stube in Schwabing, aus einer Fabrik im Norden von München bringen die Lastkraftwagen die Ware heute in die ganze Stadt. Um sieben Uhr am Vorabend geht es los, zwischen drei und sechs Uhr morgens wird es voll - die Semmeln laufen automatisch durch, die Brezen werden noch von Hand geschlungen.

Mit den Brezen, sagt Martin Wimmer, nähmen es die Münchner nämlich besonders ernst. Vor ein paar Jahren hat er noch einen zweiten Laden gegründet, der sollte mediterraner sein, ausgefallener. In der Schellingstraße gibt es den zum Beispiel, "mi piace" steht über der Türe und eigentlich sollte es dort keine Brezen geben. Zumindest hatte sich Martin Wimmer das so überlegt. "Es gab genau vier Wochen keine Brezen."

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