Bäche in München:So könnte München wieder ein kleines Venedig werden

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  • Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war die Münchner Altstadt durchzogen von einem dichten Netz von Bächen und Kanälen.
  • Der Bau der Kanalisation und die Entwicklung des Stadtverkehrs führten unter anderem dazu, dass viele Bäche in den Untergrund weichen mussten.
  • Jetzt will der Stadtrat einige der verschwundenen Bäche wieder an die Oberfläche holen.

Von Thomas Anlauf

Bäche sind etwas ganz Besonderes in München: In der Au wirbt ein Wohnstift mit seiner Lage am Entenbach, den es eigentlich seit 1901 nicht mehr gibt. Nur in der Seniorenanlage plätschert und sprudelt noch etwas Wasser des einst zwei Kilometer langen Laufs, in dem bis ins 19. Jahrhundert Geflügelhändler ihre Enten schwimmen ließen.

Drüben, auf der anderen Seite der Isar, rauscht der Glockenbach, der einem sehr angesagten Viertel seinen Namen gibt. Sichtbar ist er trotzdem nicht, er fließt in einem unterirdischen Bett. Dafür ist der Westermühlbach, etwas südlich im Dreimühlenviertel gelegen, aufwendig von einem Immobilienunternehmen ein Stück weit an die Oberfläche geholt geworden; er fließt nun durch das alte Rodenstockgrundstück, wo eine edle Wohnanlage errichtet wurde. Leben am Bach inmitten der Großstadt - das ist eben für viele ein Traum. Heute.

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:Münchens verlorene Gewässer

Die Altstadt war bis Ende des 19. Jahrhunderts durchzogen von Bächen und Kanälen, was ihr auch den Beinamen "Klein-Venedig" einbrachte.

Von Thomas Anlauf

Im vergangenen Jahrhundert jedoch wollte die Stadt ihre vielen Bäche loswerden. Sie waren lästig und wurden vielerorts verschüttet, verrohrt, verbaut.

Jetzt will der Stadtrat, dass möglichst viele der verschwundenen Bäche wieder sichtbar werden. Denn die paar verbliebenen Bäche und Kanäle in München sind geradezu Symbol geworden für die lebensfrohe, moderne Stadt. Die Wellenreiter am Eisbach geben weltberühmte Fotomotive ab, die Nackerten und spärlich Bekleideten weiter nördlich im Englischen Garten nicht minder. Im Münchner Süden teilen sich Kajakfahrer, Floßfahrer, Stand-up-Paddler, Surfer und Schwimmer den Kanal. Und selbst die Stadtwerke haben längst die Bedeutung der alten Bäche für sich entdeckt, als Strom- und als Kältelieferanten.

Eigentlich war auch nicht die große Isar der Grund, weshalb sich im Mittelalter Menschen hier niederließen, auch wenn die Münchner Stadtgeschichte die Isarbrücke in den Mittelpunkt rückt. Der Gebirgsfluss war geradezu lebensgefährlich mit seinen unberechenbaren Hochwassern. Immer wieder änderte er seinen Lauf durch die Schotterebene, links und rechts bildeten sich Bäche. Die ersten Siedler lebten demnach nicht unten an der Isar, sondern auf der sogenannten Altstadt-Terrasse in einer hochwasserfreien Zone.

Die Bäche flossen dort entlang und lieferten genügend frisches Wasser für die ersten Münchner. Bereits vor der Stadtgründung im 12. Jahrhundert ratterten Mühlen an den Bächen, links der Isar wurden alle Bäche vom Großen Stadtbach versorgt, der Auer Mühlbach auf der anderen Flussseite wurde über das Harlachinger Wehr in der Wasserzufuhr reguliert. Im ausgehenden 14. Jahrhundert waren es 15 Mühlen, allein am Dreimühlenbach drehten sich die Räder von drei Mühlen, bedeutender war aber die Westermühle an der Holzstraße. Die Bäche und ihre Mühlen waren Motoren für die wirtschaftliche Entwicklung Münchens.

SZ-Grafik (Foto: hh)

Die Stadt wuchs und mit ihr der Bedarf an Holz zum Bauen und Heizen. Im Oberland wurden die Wälder gerodet und über die Isar und die Stadtbäche nach München transportiert. Bis zum Alten Südlichen Friedhof trieben die Stämme, weiter oben im Lehel führte der Triftkanal Schwemmholz in den herzoglichen Holzgarten, in dem das Holz getrocknet und verkauft oder am Hof verheizt wurde. Noch heute erinnern Straßennamen wie die Trift- und Ländstraße an ihre frühere Bedeutung.

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts durchzog ein dichtes Netz von Bächen und Kanälen die heutige Altstadt, das Lehel sowie die Isarvorstadt, um die Versorgung Münchens zu gewährleisten. Da die Isar immer wieder ihren Lauf änderte, war es nötig geworden, das Wasser weit vor den Stadttoren zu kanalisieren. Schließlich dienten die Bäche nicht mehr nur dem Frischwasserbedarf der Münchner, sondern auch der Abfall- und Abwasserentsorgung.

Mit der Kanalisation verloren die Stadtbäche ihre Bedeutung

Das hatte dramatische Folgen. In der mittlerweile dicht besiedelten Stadt brachen im 19. Jahrhundert mehrmals Cholera-Epidemien aus, etwa 1854 während der Industrieausstellung im Glaspalast. Der Mediziner Max von Pettenkofer sah in den hygienischen Zuständen in München den Grund für den Ausbruch der Epidemie und setzte den Bau der Kanalisation und einer zentralen Trinkwasserversorgung durch. Viele Münchner Stadtbäche verloren daraufhin ihre Bedeutung, bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurden die ersten zugeschüttet.

Der ständig wachsende Verkehr in München tat sein Übriges. Bereits 1911 diskutierte die Stadt darüber, deshalb alle Bäche aufzulassen, wie Franz Schiermeier in seinem Buch "Münchner Stadtbäche. Lebensadern einer Stadt" schreibt. Allerdings hatten damals noch zu viele Kraftwerksbetreiber Nutzungsrechte an den Bächen. In den Sechzigerjahren jedoch war das Schicksal der meisten innerstädtischen Bäche endgültig besiegelt.

Beim U-Bahn-Bau machten die Planer den Münchner Stadträten weis, dass die Stadtbäche den Tunneln weichen müssten, dabei verlaufen die Röhren meist unterhalb des Grundwasserspiegels. Andere Bäche verschwanden im Untergrund oder wurden trockengelegt. Von dem einst 300 Kilometer umfassenden Bachsystem blieben nur 175, viele Bäche verlaufen heute nur noch im Untergrund, wenn sie nicht sogar trockengelegt worden sind.

Doch es regte sich Widerstand gegen die irrwitzigen Pläne einer "autogerechten Stadt" und der Zerstörung der Bäche. Allen voran der Münchner Ingenieur, Architekt und Stadtplaner Karl Klühspies und weitere engagierte Architekten wehrten sich gegen die Idee, gigantische Straßenschneisen durch die Stadt zu bauen. Die Isarparallele, eine Art Autobahn vom Isarring bis zur Brudermühlstraße, wurde gerade noch verhindert.

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Zugegeben, ganz neu ist er nicht. Aber unter Gullydeckeln suchen muss man den historischen Stadtgrabenbach künftig wohl nicht mehr.

Von Thomas Anlauf

Auch die Zerstörung des Viktualienmarkts, über den eine Ringstraße hätte führen sollen, wurde abgewendet. Schon bald forderte Klühspies, auch die Stadtbäche wieder zu öffnen und präsentierte sogar konkrete Ideen: etwa die, den Westlichen Stadtgrabenbach, der bis heute unter der Herzog-Wilhelm-Straße fließt, wieder freizulegen. Tatsächlich hieß es Jahre nach der Forderung von Klühspies in einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie, "dass es mit nicht allzu großem Kostenaufwand möglich ist, Wasserflächen im Zuge des westlichen Stadtgrabenbachs zu schaffen".

Nur geschehen ist danach nichts, jahrzehntelang. Genau 34 Jahre nach der Studie präsentierte vor vier Wochen die Münchner Umweltorganisation Green City eine eigens in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie, wonach ein Teil des Wassers im Bach unter der Herzog-Wilhelm-Straße für etwa 100 000 Euro an die Oberfläche geholt werden könnte.

Nun sind sich die großen Fraktionen aus CSU, SPD und Grünen einig, dass die alten Stadtbäche dort, wo es möglich ist, künftig wieder sichtbar fließen sollen. Die Stadtverwaltung solle das prüfen, heißt es in den jeweiligen Anträgen der Fraktionen. Stadtplaner Klühspies, der sich in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit seinen Forderungen nicht nur Freunde gemacht hat, sieht sich bestätigt. "Das war damals eine völlig unnötige Zerstörung der Stadtbäche", sagt der heute 89-Jährige.

Wann die Stadt einen ersten Schritt unternimmt, tatsächlich wieder mehr Wasser an der Oberfläche sprudeln zu lassen, ist noch völlig offen, auch wenn sowohl Stadtbaurätin Elisabeth Merk als auch Umweltreferentin Stephanie Jacobs immer wieder betont haben, wie wichtig weitere Wasserflächen für München wären - als kühlende Elemente, aber auch als Erholungsraum.

Andere Städte haben ihre verschwundenen Bäche schon wiederentdeckt

Die Wiederentdeckung der Bäche in Städten ist im Gegensatz zu München anderswo längst geschehen. In Zürich wurde bereits in den Achtzigerjahren damit begonnen, die verrohrten Stadtbäche sichtbar zu machen, in Wiesbaden geschieht das seit einigen Jahren. Im dänischen Aarhus wurde sogar ein Teil eines seit 1930 unterirdisch fließenden Flusses wieder freigelegt, das Ufer ist nun eine beliebte Flaniermeile mit Lokalen.

Für München hätte Karl Klühspies auch noch weitere Ideen, welche Bäche wieder an die Oberfläche geholt werden könnten: Der frühere Pesenbach in der Isarvorstadt könnte zumindest teilweise wieder frei fließen und bei St. Maximilian in einer Kaskade in die Isar rauschen. Diesen Vorschlag hat er der Stadt schon mal gemacht - vor vier Jahrzehnten.

© SZ vom 03.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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