Jetzt, da eh schon viel zu viel auf der Welt gekämpft wird, rücken auch noch diese üblen Prügelknaben im Münchner Backstage an. Der "Dirty Old Man" aus Transsilvanien, der seine Gegner mit Flatulenzen und anderen Ekligkeiten traktiert. Oder El Sid mit Spiralmaske und Papagei, der die anderen Ringer mit Psychoattacken lähmt, solange er nicht selbst nach einer Linie Koks auf dem Ringseil ins Koma fällt. Und scheint auch der Finsterling im langen Ledermantel mit dem Zwang zum Heben des rechten Armes aus der Kämpferriege geschmissen, so ist doch noch Boris da, der "Metzger aus Wladiwostock", der übrigens schon vor Russlands Einmarsch in die Ukraine der blutverschmierte Oberschurke beim "Rock'n'Roll Wrestling Bash" war. Schmierentheater? Natürlich. Aber wie im US-Wrestling und dem mexikanischen Lucha Libre ist das eben auch spektakuläre Ringer-Akrobatik, und obwohl zwischendrin zu Motörhead-Covers der knüppelguten Live-Band Mayham bestrapste Ring-Girls den johlenden Gästen Schnaps in den Schlund gießen, erfüllt dieses Trash-Schauspiel mit Striptease-Finale seit fast 20 Jahren durchaus auch Kunst-Ansprüche (ein Hamburger Ableger schaffte es bereits als "Ring der Nibelungen"-Version an die dortige Staatsoper).

Und jetzt das Erstaunlichste: Dieses seit zehn Jahren wiederkehrende Highlight im Jahreskalender des Backstage ist diesmal, am Freitag, 23. Juli, 18 Uhr, völlig kostenlos zu erleben. Der "Rock'n'Roll Wrestling Bash" ist eine von 100 Veranstaltungen des "Free & Easy"-Festivals im großen Subkulturzentrum an der Friedenheimer Brücke. Diese 18 Tage der Gratis-Unterhaltung sind eine Art Oktoberfest der Alternativ-Kulturen: Live-Musik gibt es da von 200 Bands, Partys, Unterhaltsames, Musik, auch Diskussionen an Biertischen, viele Imbissstände, und das Ganze bei freiem Eintritt aufs Gelände und zu den jeweiligen Bühnen im Werk, der Halle, dem Club und im Garten. Nur der Bierpreis ist günstiger als auf der Wiesn, wenn auch hier ein Politikum, denn er musste wegen der Pandemie auf 4,50 Euro je Halbe erhöht werden. Und die Einlassgarantie kann man sich beim "Free & Easy" auch erkaufen, 15 Euro kosten solche optionalen Reservierungstickets.

Das Geld ist gut investiert, nicht nur wegen der zwei inkludierten Getränke-Bons. Man unterstützt damit Hans-Georg Stocker und sein treues Team des privat geführten Mehrzweckareals, das wahlweise von der Heavy-Metal-, der Hip-Hop-, der Indie- und der Reggae-Szene zu den besten Clubs Deutschlands gewählt wird. Und man sichert sich Zugang zu Bands, die auch bei Bezahlkonzerten in vollen Häusern spielen. Beim ersten Free & Easy nach der Pandemie drängen wieder Legenden von internationalem Format herein: Da finden sich Napalm Death, Death-Metaller der ersten Stunde (27.7.), ebenso wie Youth Of Today, die Mitbegründer der suchtfreien "Straight Edge"-Bewegung in der Hardcore-Szene (28.7.), die seit Jahren aktiven Skate-Punk-Klassiker No Fun At All (30.7.) oder die Amerikaner Pentagram, die seit sage und schreibe 50 Jahren mit ihrem Doom-Metal an der Spitze ihres selbst miterschaffenen Genres stehen, was auch auf der 70er-Jahre-Kompilation "First Daze Here" dokumentiert ist - lustigerweise spielen sie an ihrem Tour-Pause-Tag nach dem offiziellen Konzert am 1. August eine zweite "geheime" Show im Backstage als Two Daze Here. Nicht zu vergessen Gwar aus Richmond, Virginia, die während ihres Rock-Horror-Spektakels mehr Blut und andere Körperflüssigkeiten verspritzen als die Rock-Wrestler - alles Satire, versteht sich (2. August).

Dazu gibt es jede Menge nationale Größen, etwa den Hamburger Hip-Hop-Lümmel und Deichkind-Aussteiger Ferris (28.7.). Nur für seine Kollegen, die anderen Hamburger Hip-Hop-Pioniere Fünf Sterne Deluxe um Tobi und Das Bo, muss man tatsächlich regulären Eintritt bezahlen, was sie aber erfahrungsgemäß wert sind (4.8.). Deren Legendenstatus in der Deutsch-Rap-Welt erreichen als einzige Münchner Main Concept, die dem Backstage die Treue halten (22.7.), ebenso wie die Ska-Veteranen Busters (31.7.), die Ethno-Popstars Jamaram (26.7.), die Metal-Münchner Megaherz (1.8.) oder Liedermacher-Rebell Der Weiherer (26.7.).

Alles da. Was fehlt? Vielleicht etwas Reggae (außer dem Briten Macka B., 5.8.). Und - ein Szene-Problem - wieder einmal mehr Frauen auf der Bühne. Die Iron Maiden-Cover-Girls The Iron Maidens aus Los Angeles sind da das Feigenblatt in der Testosteron-Rockwelt, auch oder gerade weil sie die Dachauer Kolleginnen The Aerochicks ( Aerosmith-Covers) gleich mitbringen (24.7.).

Freilich, man bemüht sich, und dass das Backstage stets streitbar und korrekt sein will, zeigt sich auch in der Reihe "Free & Easy Politics", bei der der Soziologie-Doktor Rainer Sontheimer vier Mal gesellschaftlich brennende Fragen diskutiert. Bei "Vier Fäuste für das Gute" diskutiert er zum Beispiel mit dem Publikum "Moral und Ethik in Bud-Spencer- und Terence-Hill-Filmen" (25.7.). Und dass das Dampfhammer-Duo stets auf der richtigen Seite stand, davon kann man sich bei gleich zwei Haudrauf-Movies in Folge und dem Konzert der überaus herzigen Filmmusiksangeskünstler vom Bud Spenzer Heart Chor überzeugen.