Kommunalwahl in Sendling-Westpark:Gemeinsam gegen die Lawine

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Unten durch und oben drüber: Trotz des Tunnels brummt der Verkehr auf dem Luise-Kiesselbach-Platz. (Foto: Robert Haas)

Der Autoverkehr auf dem Mittleren Ring bereitet im ehemaligen Waldfriedhofviertel die meisten Sorgen

Von Berthold Neff

Recht klein ist der Bindestrich, der Sendling und Westpark vereint, aber der Mittlere Ring, der diesen Stadtbezirk trennt, ist groß, schmutzig und laut. Der Verkehr hält das einstige Waldfriedhofviertel immer noch in seinem stählernen Griff, auch wenn seit mehr als vier Jahren der größte Teil der Autolawine im Untergrund verschwunden ist und dadurch die Menschen an einigen Straßen an der Oberfläche aufatmen lässt. Deutlich ruhiger ist es auch am Luise-Kiesselbach-Platz geworden, auf dem sich der Verkehr mehrere Jahrzehnte lang staute. Aber weil die Autos dann doch wieder aus der Versenkung auftauchen müssen, bleibt die Belastung für die Menschen auch nach dem Bau des Südwest-Tunnels hoch - zum Beispiel für die Anwohner am Max-Seidl-Weg, vor deren Augen und Nasen sich die Autos aus dem Tunnel nach oben quälen, wenn sie zum Beispiel die Garmischer Autobahn anpeilen. Dann rauschen sie in wenigen Metern Abstand an den Häusern vorbei.

Was also tun? Mit dieser Frage, aber auch mit Problemen an vielen anderen Stellen im Viertel muss sich Günter Keller (SPD), Vorsitzender des Bezirksausschusses (BA) Sendling-Westpark, mehr beschäftigen, als ihm lieb ist. Immer wieder lädt er, in seiner zweiten Funktion als Vorsitzender des Unterausschusses Verkehr, Bürger und Experten an solche Brennpunkte, um nach einer guten Lösung zu suchen. Oft gelingt es dann, die Situation zu entschärfen. Die Anwohner des Max-Seidl-Wegs zum Beispiel werden demnächst durch einen Sichtschutz, der vielleicht auch den Lärm abhält, wenigstens etwas abgeschirmt.

Aber wer auch nur einigermaßen rechnen kann - und Günter Keller kann das als Mathematiker ziemlich gut -, weiß ohnehin, dass der eine Zebrastreifen hier, die andere Ampel dort und ab und zu eine Fahrradstraße nicht reichen, um die Menschen vor der wachsenden Auto-Mobilität zu schützen. In der Landeshauptstadt sind laut Statistischem Amt derzeit 832 524 Kfz zugelassen, davon 714 658 Pkw, und das bei einer Einwohnerzahl von 1,54 Millionen. Wenn dann auch noch die Pendler ins Viertel strömen, muss man sich etwas einfallen lassen, damit es nicht zum Infarkt kommt. In der Garmischer Straße zum Beispiel, wo auf der Mittelpromenade demnächst die Kirschen blühen werden, stehen die Busse Richtung Norden immer wieder im Stau. "Das kann nicht sein", sagt Günter Keller, "dass ausgerechnet jene Leute, die den Autoverkehr reduzieren, weil sie Bus fahren, dafür bestraft werden". Busse müssten dort künftig priorisiert fahren können. Und um die Pendler auszubremsen, setzt nun auch Sendling-Westpark auf die Parkwapperl, zunächst in einem Gebiet rund um den Partnachplatz bis hin zum Harras und zum Westpark, 2021 soll es soweit sein.

Große Pläne gibt es auch für den Sendlinger Wald, auch Südpark genannt, den vor allem die Grünen zur autofreien Zone machen wollen. Dafür soll die Höglwörther Straße in ihrem ganzen Verlauf durch den Wald für den privaten Autoverkehr tabu sein, nur noch Fußgänger, Radfahrer und Busse sollen dort noch erlaubt sein. Erste Proteste gibt es bereits gegen diese Idee, vor allem der Anwohner aus den umliegenden Straßen, die eine Zunahme des Schleichverkehrs befürchten.

Bei aller Relevanz des Themas Verkehr sollte allerdings nicht in Vergessenheit geraten, dass Sendling-Westpark, auch ohne die Bäume des Waldfriedhofs, der 1992 den Nachbarn in Hadern zugeschlagen wurde, ein Viertel mit guter Lebensqualität ist. Und damit auch das Wohnen bezahlbar bleibt, wurde auf BA-Initiative eine Erhaltungssatzung für ein großes Gebiet rund um den Luise-Kiesselbach-Platz beschlossen. Und auch das Ökologische kommt nicht zu kurz. Dazu trägt vor allem der Westpark bei, der 1977 von Landschaftsarchitekten Peter Kluska als ein "vom Lärm der Großstadt abgeschirmter Talraum im Charakter der Voralpenlandschaft" entworfen wurde und pünktlich zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) fertig wurde.

(Foto: SZ)

Günter Keller saß damals bereits im Stadtviertel-Gremium, war dann 30 Jahre Fraktionssprecher der SPD, bevor er 2014 - durch eine rot-grüne Allianz - erstmals den BA-Vorsitz übernahm, während sein schwarzer Gegenpart, der CSU-Fraktionssprecher Alfred Nagel, leer ausging, obwohl seine Partei ein besseres Ergebnis als die SPD eingefahren hatte. Nagel nahm's sportlich und sucht regelmäßig das Rededuell mit Keller, wenn es darum geht, wie es Nagel formuliert, "unseren schönen und sicheren Stadtbezirk voranzubringen, mit seinen großartigen Grünflächen und guter Infrastruktur, in dem man gerne wohnt, arbeitet und sich mit Respekt begegnet". Da können die beiden durchaus spitz werden, aber sie bescheinigen sich gegenseitig gute Sachkenntnis und erheblichen Fleiß.

Meist ist man sich in der Sache auch einig, quer über alle Fraktionen hinweg hofft man, dass der Bau des Kulturzentrums an der Ludwigshafener Straße, das man gemeinsam mit den Laimer Nachbarn nutzen will, irgendwann einmal beginnt. In Sachen Tram-Westtangente ist man allerdings nach wie vor uneins. Die CSU würde das Projekt, für das - anders als angekündigt - noch nicht mal der Antrag auf Planfeststellung gestellt wurde, am liebsten verhindern und stattdessen Elektrobusse im Fünf-Minuten-Takt durch die Fürstenrieder Straße rollen lassen. SPD und Grüne hingegen können es kaum erwarten, dass die Tram ins Rollen kommt.

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Die Grünen, die vor sechs Jahren den Ausschlag für die Wahl von Günter Keller gaben, wollen an ihre guten Ergebnisse - zuletzt bei der Landtagswahl - anknüpfen und diesmal von Rang drei auf Platz eins in der Fraktionen-Rangliste vorstoßen. Ihre Spitzenkandidatin Maria Hemmerlein, derzeit stellvertretende BA-Vorsitzende, setzt auf Klimaschutz, Verbesserungen beim Nahverkehr, nachhaltiges Wirtschaften und sozialen Zusammenhalt - und hofft, aus der zweiten Reihe an die BA-Spitze zu rücken. Die 62 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftlerin setzt auf die Verkehrswende: "Wir wollen, dass Menschen ihr Auto stehen lassen, weil sie ausgebaute, unverparkte Fahrradstraßen und sichere Fußwege benutzen können." Ganz wichtig ist ihr auch, dass die Rechte der Bezirksausschüsse langfristig gestärkt und ihre Kompetenzen ausgebaut werden - eine Forderung, die ihre BA-Kollegen sicher sofort unterschreiben könnten.

© SZ vom 15.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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