Kommunalwahl in Pasing-Obermenzing:Moderatoren des rasenden Wandels

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Auch hier hat sich Wesentliches verändert: Am Pasinger Marienplatz nimmt das Geschäftshaus mit Hotel (rechts) an Stelle des einstigen Flachbaus, der sogenannten "Pappschachtel", Gestalt an. (Foto: Florian Peljak)

Ohne die Einlassungen der Stadtviertelvertreter wäre der großdimensionale Umbau Pasings wohl noch chaotischer ausgefallen. Auch um die massive Nachverdichtung in Obermenzing konstruktiv zu begleiten, kommt dem Bezirksausschuss seine Fähigkeit zum Konsens zugute

Von Jutta Czeguhn, Pasing-Obermenzing

"Gäbe es den Bezirksausschuss nicht, man müsste ihn erfinden", sagt Sonja Haider. Die ÖDP-Stadträtin hat dem Gremium im Stadtbezirk Pasing-Obermenzing sechs Jahre angehört, aus Zeitgründen wird sie bei den anstehenden Kommunalwahlen nicht mehr dafür kandidieren. Mit ihrer Sicht auf den BA, so die gängige Abkürzung, bringt Haider etwas Grundlegendes auf den Punkt. Der großdimensionale, im Eiltempo erfolgte Umbau Pasings in den vergangenen zehn Jahren wäre entschieden chaotischer verlaufen, hätte es diese Gruppe von 31 gewählten Bürgervertreterinnen und -vertretern nicht gegeben. Sie haben versucht, im rasenden Durcheinander den Überblick zu behalten und als kritische Masse vor Ort eine aktive Rolle gegenüber Planern im Rathaus und privaten Bauherrn gespielt. Die Ehrenamtlichen mussten viel Alltagsärger über die Baustellensituation aushalten und die massiven Nachwehen des Zentrumumbaus gerade für die Pasinger Geschäftswelt abfedern helfen. Der komplexe Prozess des Wandels setzt sich indes munter fort, längst haben sich mit dem Anschluss der U 5 nach Pasing oder dem möglichen S-Bahn-Halt Berduxstraße neue Riesenprojekte angekündigt, die das Gremium auch künftig beschäftigen werden.

Tonlagen

Als BA-Vorsitzenden hat man in der Legislaturperiode 2014-2020 mit Romanus Scholz einen Mann der sanften Einsätze erlebt, der das diskussionsfreudige Gremium zuweilen bis zur Schmerzgrenze geduldig orchestrierte, anders als sein Vorgänger Christian Müller (SPD), der mit einem entflammbareren Temperament ausgestattet ist. Seine Dirigentenrolle verdankte der Grüne dem Umstand, dass die CSU bei den Wahlen 2014 mit zwölf Sitzen zwar die meisten Stimmen abgeräumt hatte, aufgrund der Mehrheitsverhältnisse (SPD: neun Sitze, Grüne: sechs Sitze, ÖDP/FW und FDP: je zwei Sitze) jedoch nicht damit rechnen konnte, selbst den Vorsitz zu stellen. Um die Wiederwahl von Müller als BA-Chef zu verhindern, schlug die CSU also Scholz vor. "Wir wollen das Experiment Schwarz-Grün wagen", verkündete CSU-Fraktionssprecher Frieder Vogelsgesang, der selbst gerne Vorsitzender geworden wäre. Im Rückblick hat sich das Wagnis, ein mittelsanfter Schienbeintritt gegen die SPD, gelohnt. "Ich meine, dass wir bei allen politisch-inhaltlichen Unterschieden sehr gut zusammenarbeiten und uns gegenseitig respektieren", sagt Scholz. Das sei nicht in allen Münchner Bezirksausschüssen so. SPD-Sprecherin Constanze Söllner-Schaar sieht das ähnlich, obwohl sie gerne mit ihrem Stadtratskollegen Vogelsgesang Wortduelle führt: "Es lief atmosphärisch im Gremium ganz gut." FDP-Mann Klement Bedzdeka pflichtet bei: "Auch wenn es manchmal einen politischen Diskurs gibt, wurden bisher gute Anträge unabhängig der Fraktion mit guter Mehrheit, oftmals auch einstimmig beschlossen." Schreiduelle und wirkliche Bissigkeiten erlebt man in der Runde der 31 kaum noch. Die stoische Nettigkeit von Sitzungsleiter Scholz scheint sich wie Löschschaum über entzündliche Debatten zu legen. Weshalb auch Frieder Vogelsgesang keine "nennenswerten Gräben" erkennen kann.

Fortsetzungsromane

Den Luxus von Grabenkämpfen kann sich das Gremium angesichts der vielen Problemlagen sowieso nicht leisten. Denn längst haben bestimmte Themen Ringe angesetzt wie ein Baum. Sie sind so komplex, dass sie von einer BA-Wahlperiode in die nächste weiter gereicht werden und an Dringlichkeit stetig zunehmen. Die maroden Schulen zum Beispiel oder die Gentrifizierung. Und die Bäume: Geradezu explodiert sind ungenehmigte Fällungen, die das Gremium nur konsterniert registrieren muss, wenn wieder einmal der Entrüstungssturm von Bürgern in eine Sitzungen hinein brandet. Die massive Nachverdichtung in Obermenzing und Pasing gefährdet den historischen Gartenstadtcharakter. Oft wird der BA zum Beschimpfungsobjekt der Bürger, zum "Prellbock", wie Grünen-Mitglied Andreas Bergmann sagt. Ein Missverständnis, das Gremium ist zwar Umschlagplatz für Bauprojekte, die ihm von der Lokalbaukommission zur Stellungnahme vorgelegt werden, doch nicht für Baugenehmigungen verantwortlich zu machen. Häufig, so Bergmann, werde der BA vom Stadtrat und der Verwaltung übergangen. Er wünscht sich mehr Kompetenzen für den BA, "so wie dies zum Beispiel in Berlin und Hamburg der Fall ist". Den Ausbau des Baumschutzes einzufordern, wird für das Gremium also immer dringlicher. Zudem sind sich alle Fraktionen im Klaren, dass Stadtbegrünung, Arten- und Klimaschutz Aufgaben sind, die auch auf örtlicher Ebene angestoßen werden müssen. Wie bereits geschehen mit dem Projekt "1200 Quadratmeter Grün für Menzing" oder der SPD-Initiative zu Fotovoltaikanlagen auf Großdächern im Stadtbezirk.

(Foto: SZ)

Weichenstellungen

Die Bebauung großer Gartengrundstücke ist eine Seite der Nachverdichtung, die riesigen neuen Quartiere sind die andere, augenscheinlich bedrohlichere. Pasing und Obermenzing wachsen unaufhaltsam, neue Wohngebiete mit mehreren Tausend Bewohnern entstehen an der Paul-Gerhardt-Allee, auf dem ehemaligen Stückgutgelände und an der Lipperheidestraße. Nicht nur aus der Sicht flüchtiger Beobachter kommen hier gewaltige Infrastrukturprobleme auf den Bezirk zu. Der Verkehr, schon heute an vielen Stellen vor dem Kollaps, beschäftigt das Gremium in nahezu jeder Sitzung. Er birgt wohl den meisten Konfliktstoff mit den Verantwortlichen in der Stadt. "Die Verkehrsführung im Pasinger Zentrum hat noch Verbesserungspotenzial, und die seit Jahren verzögerte Neugestaltung des Nordbereichs am Pasinger Bahnhof ärgert mich", sagt etwa Vogelsgesang. Im Konsens, da ist er sich sicher, werde auch der nächste BA hier einiges voranbringen können. Was etwa eine Park&Ride-Anlange an der A 8 angeht oder Großprojekte wie die U 5-Verlängerung nach Pasing und den vehement geforderten S-Bahn-Halt an der Berduxstraße. In neuen Mobilitätskonzepten denken. Für den BA bedeutet das nicht nur eine Verbesserung des Radwegenetzes, sondern auch heute noch etwas utopisch erscheinende Ideen wie Seilbahnen oder Lufttaxen.

Die Spitzenkandidaten (soweit bekannt): CSU: 1. Frieder Vogelsgesang, 2. Sven Wackermann, 3. Maria Osterhuber-Völkl. SPD: 1. Franziska Messerschmidt, 2. Christian Müller, 3. Constanze Söllner-Schaar. Grüne: 1. Ingrid Standl, 2. Romanus Scholz, 3. Sophia Genikomsidis. ÖDP/FW: 1. und 2. Karl-Heinz Wittmann, 3. Hans-Joachim Kilian. FDP: 1. Bernhard Labudek, 2. Klement Bezdeka, 3. Christa Stock.

© SZ vom 13.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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