Kommunalwahl in der Maxvorstadt:Pracht und Probleme

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Altes und Neues: Die Maxvorstadt - hier das Kunstareal - ist ein sich wandelndes Gebilde. (Foto: Jürgen Reichmann/oh)

Der Stadtbezirk gilt als Vorzeige-Viertel, aber die Lokalpolitiker stehen beim Kampf gegen die Immobilien-Investoren mit dem Rücken zur Wand

Von Stefan Mühleisen

Der große Dichter Heinrich Heine spottete einst über die Maxvorstadt, es sei "ein Dorf, in dem Paläste stehen". In der Tat hatte König Ludwig I. damals, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vor die Tore der Stadt Prunkbauten auf die grünen Wiesen gesetzt, Gartenvillen gab es, dazu einen Prachtboulevard mit Ludwigs Namen, der quasi ins Nirgendwo führte, also zum Dorf Schwabing.

Heute spottet niemand mehr über diesen Stadtbezirk, der längst zu den bedeutendsten und begehrtesten Teilen Münchens zählt. Unerträglich begehrt, wie viele Maxvorstädter und ihre politischen Vertreter im Bezirksausschuss allerdings finden. Die Furcht vor Investoren geht um, die Bestandsobjekte aufkaufen, modernisieren, Mieten erhöhen. Es ist das Topthema an den Wirtshaustischen ebenso wie im Tagungsraum des Bezirksausschusses in der Bayerischen Landesbank.

(Foto: SZ)

Das Problem ist nicht neu, aber es ist virulenter geworden. Im Maxvorstädter Bezirksausschuss vergeht kaum eine Sitzung, in der nicht ein Bauantrag unter Luxussanierungsverdacht gestellt wird. Der Argwohn hat eine lange Tradition in diesem Gremium: Schon in den Siebzigerjahren stemmte sich der damalige BA-Chef Klaus Bäumler (CSU) mit einem gewissen Christian Ude (SPD), damals junger Mieteranwalt, gegen das rücksichtlose Agieren von Immobilienfirmen. In den vergangenen Amtsperiode befasste sich das Gremium immer wieder mit haarsträubenden Fällen, etwa mit einem Komplex an der Ecke Schelling-/Türkenstraße. Der Eigentümer hatte, ohne den Mietern Bescheid zu sagen und ohne einen Termin mit der Denkmalbehörde abzuwarten, das historische Treppenhaus von Handwerkern herausreißen lassen. Daneben, Türkenstraße 52, kämpften die Mieter lange gegen den Abriss des gut 100 Jahre alten Hauses, das als Denkmal eingetragen war, dann aber plötzlich nicht mehr. Jetzt gähnt dort, wo es stand, eine riesige Baulücke.

Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Selbst in den Erhaltungssatzungsgebieten ist es mitunter nicht zu verhindern, dass Gebäude saniert, günstige Miet- in teure Eigentumswohnungen umgewandelt werden. Vor drei Jahren bezifferte eine städtische Studie die Zahl der Umbaumaßnahmen in der Maxvorstadt auf 5,9 Prozent - deutlich höher als im gesamtstädtischen Durchschnitt (3,4 Prozent). Im BA führte die Aufwertungsdynamik zuletzt zu einer gewissen Ohnmacht. Ausweis dafür war der BA-Antrag, die gesamte Türkenstraße unter Ensembleschutz zu stellen. Vergeblich allerdings. Der Denkmalschutz könne und dürfe nicht für den Milieuschutz instrumentalisiert werden, bekamen die Maxvorstädter zu hören.

Apropos Türkenstraße: Dort und im gesamten Universitätsviertel werden wohl in der nächsten Amtsperiode auch die Konflikte zwischen Anwohnern und Feiernden zunehmen. Die Kneipendichte nimmt zu, was die Eingaben von Anwohnern ansteigen lässt, denen das zuviel wird. Noch sind die liberal Duldsamen in der Überzahl, wie sich bei der Bürgerversammlung im November 2019 herausstellte: Eine knappe Mehrheit der Besucher wollte die Sperrzeitregelung bis Mitternacht beibehalten.

Ansonsten wird das Dauerthema Verkehr genug Anlässe bieten für kontroverse Debatten. Zoff dürfte dem Gremium ins Haus stehen, wenn die Stadtverwaltung mit einem schon lange erwarteten Konzept für die Umgestaltung der Augustenstraße aufwartet. Zwar ist sich das Gremium weitgehend einig, dass Ordnung gebracht werden sollte in die enge und unübersichtliche Situation; doch wie drastisch die Eingriffe ausfallen sollen, ist bei den Bürgern umstritten. "Finger weg von der Augustenstraße!", mahnte kürzlich eine SZ-Leserin in einer Zuschrift. Sie zählt zu jenen, die gerade das wuselige Gedränge schätzen und mit einem Umbau den Verlust des quirligen Charmes befürchten.

Recht turbulent könnte es auch werden, wenn die Planungen für die Radl-Expressroute durch Ludwig- und Leopoldstraße auf den Tisch liegen. Hunderte Parkplätze sollen dafür geopfert werden. Mit großer Spannung blicken die Maxvorstädter ferner auf die bereits beschlossene Reparatur einer alten Bausünde: Nach der Sanierung des Altstadtringtunnels soll die riesige Verkehrsfläche am Westausgang der Röhre am Oskar-von-Miller-Ring neu gestaltet werden - jahrzehntelang hatten der gesamte BA dafür gekämpft.

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Gut vier Jahrzehnte hat auch ein Projekt auf dem Buckel, das der Bezirksausschuss-Vorsitzende Christian Krimpmann (CSU) als "den Berliner Flughafen der Maxvorstadt" bezeichnet: die Neuregelung des Verkehrs im Pinakotheken-Viertel in Bereichen der Theresien-, Gabelsberger- und Türkenstraße; der behördliche Titel lautet "Modifizierte Alternative 5". Zuletzt war das Projekt auf der Zielgeraden, doch der Stadtrat stoppte es. Nun soll die modifizierte Alternative um die Vorgaben des Rad-Entscheids erneut umgemodelt werden.

Ein Projekt für die Ewigkeit, wie es scheint, weshalb kaum ein Maxvorstädter noch daran glauben mag. Wo sich Heinrich Heine einst lustig machte über die einsam herumstehenden Prunkbauten, sind eben diese nun schier eingekesselt vom Autoverkehr. Das Kuriose dabei ist, dass Stadt und Staat sich schon seit mehr als zehn Jahren angeblich ernsthaft bemühen, das Gebiet mit den vielen Kunst- und Wissenschaftsinstitutionen zu einer Art Kulturdorf namens "Kunstareal" zu arrondieren. Allein, passiert ist kaum etwas. So bleibt nur Spott. BA-Chef Krimpmann sagt: "Das Kunstareal hat den Indikativ nicht verdient sondern nur den Konjunktiv."

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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