Autor Martin Schönleben:Konditor und Heimatforscher: Kulinarik lebt vom Kulturmix

Autor Martin Schönleben: Der Puchheimer Martin Schönleben ist nicht nur Bäcker und Konditor, er betreibt auch einen Rezepteblog und schreibt Backbücher.

Der Puchheimer Martin Schönleben ist nicht nur Bäcker und Konditor, er betreibt auch einen Rezepteblog und schreibt Backbücher.

(Foto: Stephan Rumpf)

Der bayerische Konditor, Blogger und Buchautor Martin Schönleben weiß alles über vergessene Gebäcksorten - und zeigt, wie weltoffen Heimatforschung sein kann.

Von Franz Kotteder, Puchheim

Dieser Tage wurde gerne der bekannte Satz von Karl Valentin zitiert: "Wenn die staade Zeit vorbei ist, werd's aa wieder ruhiger." Das ist nicht immer richtig, aber für Martin Schönleben stimmt es auf alle Fälle. Denn in der Weihnachtszeit herrscht in seinem Puchheimer Café Schönleben an der Lagerstraße Jahr für Jahr Hochbetrieb.

Martin Schönleben ist niemand, der sich davon aus der Ruhe bringen ließe. Der 56-Jährige wirkt sehr gelassen, er beobachtet die Welt gerne mit einem belustigten Lächeln, so scheint es zu sein. Und insofern stresst es ihn auch nicht besonders, dass er in der Adventszeit rund 60 verschiedene Plätzchen im Angebot haben muss. Da ist er schließlich selbst dran schuld, wegen seines Anspruchs und auch wegen seines Blogs "cafeschoenleben.de". Er ist nämlich nicht nur Bäcker und Konditormeister, sondern nebenbei auch noch Autor.

Sein Rezepteblog hat unter Freunden des Backens mindestens einen Geheimtipp-Status, hier findet man viele, auch sehr ausgefallene Rezepte für Gebäck aller Art, viele Plätzchen sind darunter. Man findet im Blog zum Beispiel aber auch seine Nachempfindung der Hochzeitstorte von Prinz Harry und Meghan Markle, die er sich aus der Zutatenliste zusammengereimt hat. Und Schönleben ist mittlerweile auch Autor zweier Bücher. Eines über Mini-Törtchen erschien vor knapp fünf Jahren im Kochbuchverlag Gräfe und Unzer sowie 2018 ein weiteres im Insel-Verlag mit dem schönen Titel "Heimat - Das Backbuch" (184 Seiten, 16 Euro).

Sebasti-Brezen, Apostelkuchen und Dreifaltigkeitsknöpfe

"Das sind zwei große Themen, die mich viel beschäftigen", sagt Schönleben, "Plätzchen und Brauchtumsgebäck." So ist "Heimat - Das Backbuch" nach dem Jahreslauf in Monate eingeteilt. Man findet dort also Sebasti-Brezen am 20. Januar zum Sebastianstag, einen Apostelkuchen an Ostern oder die Dreifaltigkeitsknöpfe am Dreifaltigkeitssonntag im Mai. Weihnachten ist im Buch noch ausbaufähig, gibt er zu: "Aber das wäre ja auch wirklich schon ein eigenes Buch."

Als er seine Konditorlehre abgeschlossen hatte, erzählt er, seien bei den Kollegen die italienischen Süßwaren gerade sehr in Mode gewesen. Andere hätten sich mehr an Frankreich orientiert: "Jeder, der ein bisschen nobler sein wollte, hat etwas Französisches gebacken, das klang dann gleich schon viel edler." Der junge Konditor Schönleben fragte sich dann aber: "Kann es sein, dass es bei uns nichts Vergleichbares gibt?" Er begann, sich für typisch deutsche Gebäcke zu interessieren und Rezepte zu sammeln.

Sahnetorten-Station in London

Damals schickte er sich gerade an, auch erste internationale Erfahrungen zu sammeln. Geboren und aufgewachsen ist er in Gräfelfing, seine Eltern waren dann mit ihm nach Puchheim gezogen, weil sie dort eine Konditorei übernehmen konnten. Er selbst machte seine Lehre bei der heute nicht mehr existierenden Konditorei Macher in München, Anfang der Achtzigerjahre war das.

Danach zog es ihn erst einmal in die Ferne, was für ihn bedeutete: für ein Jahr nach London - vor allem, weil er die Sprache besser lernen wollte. Dort fand er eine Stelle bei einem Schweizer Konditor, am Backposten fürs Dauergebäck, dort war er für Sahnetorten zuständig. "Dieser Schweizer war in seiner Familie das schwarze Schaf gewesen und wollte allen beweisen, dass er so ein Geschäft in einem fremden Land hinkriegen würde." Hat offenbar geklappt, seinen ziemlich großen Konditoreibetrieb gibt es immer noch.

Kritik an Neu-Interpretationen? Eigentlich "ein Schmarrn"

Zurück in der Heimat arbeitete Schönleben wieder im Café seiner Eltern, vor knapp 20 Jahren übernahm er es dann, zusammen mit seiner Frau. Inzwischen arbeitet auch seine Tochter mit. "Wir sind ein kleiner Familienbetrieb", sagt Schönleben, "da hinten ist die Backstube, da ist keine Semmelstraße, hier wird alles noch von Hand gemacht." Die Nachtarbeit übernimmt ein angestellter Bäcker, Schönleben selbst kommt erst um fünf Uhr für die Konditorwaren. Früher hat er auch nachts gearbeitet und tagsüber geschlafen, aber irgendwann hat das nicht mehr funktioniert: "Wenn ich zum Arbeiten kam, hatte ich immer schon eine Riesenliste mit Dingen von tagsüber, die ich erledigen musste."

So konzentriert er sich nun auf die Konditorei und den Forschungsauftrag, den er sich selbst gegeben hat: das Gebäck im Jahreslauf. So leicht geht ihm da der Stoff nicht aus. "Die meisten Gebäcke hat man sich in der Fastenzeit ausgedacht", sagt er, "und in Bayern zum Beispiel war mindestens ein Drittel des Jahres Fastenzeit - vor Ostern, vor Weihnachten, vor allen möglichen Festtagen." Und wie der Mensch halt so ist: "Die wollten zwar fasten, wollten sich aber nicht unbedingt einschränken." Sein Fazit: "Dampfnudeln, Rohrnudeln, Schmalzgebäck - das haben wir alles der katholischen Kirche zu verdanken."

Wir lieben orientalische Gewürze im Weihnachtsgebäck

Freilich: Viele alte Rezepturen sind auch recht spartanisch, man hatte halt auch mit Mangelwirtschaft zu tun. Wenn Schönleben die alten Rezept sozusagen aufwärmt, dann macht er sie schon mal ein bisschen spannender. "In meinen Apostelkuchen kommen zum Beispiel Pinienkerne rein, dann wird der für unsere Zeit schmackhafter."

Manchmal, sagt er, wird er dafür auch kritisiert, aber er findet: "Eigentlich ist das ein Schmarrn." Rezepte seien immer schon weiterentwickelt und im Stile der Zeit verändert worden. Kein Mensch stoße sich schließlich daran, "dass wir diese ganzen orientalischen Gewürze im Weihnachtsgebäck haben". Überhaupt lebe die gesamte Kulinarik ja von dem, was andere zu essen mitbrachten. "Deutschland liegt in der Mitte Europas, seit Jahrhunderten musste hier jeder durch, der irgendwo verfolgt wurde. Oder er blieb gleich da."

Was da alles so an Küche mitgebracht wurde, das findet Schönleben hochinteressant. Zurzeit interessiert er sich besonders für die orientalischen Gewürze und das Gebäck in deren Herkunftsländern: "Es ist ein Wahnsinn, was es da für eine Fülle gibt." Kann also auch sein, dass sein nächstes Buch ganz einfach "Schönleben im Morgenland" heißt.

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