Anschlag in München:Mann fährt in Menschenmenge

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Die Tat ereignet sich am Donnerstag, kurz bevor das Ende eines Demonstrationszugs der Gewerkschaft Verdi den Stiglmaierplatz erreicht. (Foto: MICHAELA STACHE/AFP)

In der bayerischen Landeshauptstadt werden mindestens 28 Personen bei einem mutmaßlichen Anschlag mit einem Auto verletzt. Ermittler sehen Hinweise auf eine möglicherweise islamistische Gesinnung des Fahrers.

Von Sebastian Erb, Christoph Koopmann und Benedikt Peters, München

In München ist am Donnerstagvormittag ein Mann mit einem Auto offenbar gezielt in eine Menschenmenge bei einer Demonstration gefahren. Nach Angaben der Polizei wurden dabei 30 Menschen verletzt, einige von ihnen schwer. Der Fahrer des Wagens wurde noch am Tatort festgenommen. Bei dem Mann handelt es sich laut Polizei um einen 24 Jahre alten afghanischen Staatsbürger. Der genaue Hintergrund der Tat war zunächst nicht klar. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach jedoch noch am Mittag von einem „mutmaßlichen Anschlag“.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte am Mittag, der Festgenommene sei als Asylbewerber nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag sei abgelehnt worden. Laut Polizei hat er aber nach bisherigen Erkenntnissen über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt, weil er eine Ausbildung machte.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung aus Sicherheitskreisen wurde Farhad N. 2001 in Kabul geboren. Demnach ist er 2016 über Italien nach Deutschland gekommen und ist in München gemeldet. Er soll eine Ausbildung absolviert haben. Den Verfassungsschutzbehörden im Bund und in den Ländern war er nach Angaben von Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind, bislang nicht als Extremist bekannt. Es gebe allerdings Hinweise auf eine möglicherweise islamistische Gesinnung. Die Ermittler prüfen Social-Media-Profile des Mannes auf entsprechende Postings. Vorbestraft war er aber offenbar nicht – und nach Angaben der Polizei auch sonst nicht mit Betäubungsmitteldelikten oder Diebstahl auffällig geworden, wie Innenminister Herrmann zunächst gesagt hatte.

(Foto: SZ-Grafik: jos)

Der Vorfall am Donnerstag ereignete sich bei einer Demonstration der Gewerkschaft Verdi, die Beschäftigte im öffentlichen Dienst der Landeshauptstadt zum Warnstreik aufgerufen hatte. Die zentrale Kundgebung sollte auf dem Königsplatz in der Münchner Maxvorstadt stattfinden. Kurz bevor das Ende des Demonstrationszugs mit mehreren Hundert Teilnehmern gegen 10.30 Uhr den Stiglmaierplatz erreichte, überholte der Mann einen Polizeiwagen, der zur Sicherung der Demonstranten hinter ihnen herfuhr. Dann steuerte er das Auto in die Gruppe. Videos von Augenzeugen zeigen, dass Polizeikräfte rasch am Tatort waren und den Fahrer am Boden fixierten. Der 24-Jährige wurde nach Polizeiangaben leicht verletzt und zunächst in ein Krankenhaus gebracht. Er sei aber nicht angeschossen worden, hieß es.

Die Tat dürfte die Debatten kurz vor der Bundestagswahl prägen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach am Rande eines Wahlkampfauftritts in Fürth von einem „furchtbaren Anschlag“. Der Täter könne nicht mit Nachsicht rechnen. „Er muss bestraft werden, und er muss das Land verlassen“, wenn der Fall vor Gericht entschieden sei, sagte Scholz.

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Er verwies darauf, dass Bund und Länder derzeit weitere Abschiebeflüge nach Afghanistan planten, trotz der dortigen Taliban-Herrschaft. Seit deren Machtübernahme 2021 ist aus Deutschland bislang eine Maschine mit ausreisepflichtigen Straftätern nach Afghanistan abgehoben, im vergangenen Sommer. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mahnte, der Rechtsstaat müsse „maximale Härte zeigen“. Die scheidende Bundesregierung habe „die Gesetze für die Ausweisung von Gewalttätern und für mehr Abschiebungen massiv verschärft, jetzt müssen sie mit aller Konsequenz durchgesetzt werden“.

Eineinhalb Wochen vor der Bundestagswahl dürfte die Tat von München damit auch zum Thema in einem Wahlkampf werden, der nach dem Attentat in Magdeburg kurz vor Weihnachten und dem Doppelmord von Aschaffenburg Ende Januar ohnehin von der Debatte über Migration geprägt ist. Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz schrieb auf der Plattform X: „Es muss sich etwas ändern in Deutschland.“ Mit Blick auf eine womöglich bald von ihm geführte Bundesregierung kündigte er an: „Die Sicherheit der Menschen in Deutschland wird für uns an erster Stelle stehen. Wir werden Recht und Ordnung konsequent durchsetzen.“ Zuletzt ist die Debatte über die Migrationspolitik hochgekocht, nachdem Merz’ CDU/CSU-Fraktion im Bundestag bei Anträgen und einem Gesetzentwurf zu Asylfragen die Stimmen der AfD in Kauf genommen hatte.

Auch die AfD reagierte am Donnerstag umgehend auf die Ereignisse in München. Parteichefin Alice Weidel nannte den Festgenommenen auf der Kurznachrichtenplattform X „Terror-Fahrer“. Sie forderte zum wiederholten Mal: „Wir brauchen eine Migrationswende – und wir brauchen sie sofort!“

Hauptrednerin auf der Verdi-Kundgebung in München hätte die Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Yasmin Fahimi, sein sollen. Der SZ sagte sie, man habe die Veranstaltung abgebrochen, als die „schreckliche Nachricht von dem Vorfall im Demonstrationszug“ sie erreicht habe. Ihre Gedanken seien bei den Familien und den Opfern, sie danke den Helferinnen und Helfern. „Alles Übrige bedarf jetzt weiterer Ermittlungen. Was wir daraus schlussfolgern, werden wir in den nächsten Tagen bewerten.“ Laut Polizeiangaben wird der Tatverdächtige an diesem Freitag einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, der Tatverdächtige sei bei der Polizei bereits wegen Drogendelikten und Diebstahls auffällig geworden, aber nicht vorbestraft. Diese Angaben stammten aus einer Stellungnahme des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann. Am Donnerstagabend korrigierte das Polizeipräsidium München diese Angaben: Der Mann sei „nach jetzigem Stand aus Ermittlungsverfahren polizeibekannt, in denen er aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Ladendetektiv als Zeuge geführt wurde“.

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