Süddeutsche Zeitung

Auszeichnung:Vom Klassenzimmer auf den Laufsteg

Mit einer Modenschau im Französisch-Unterricht ist das Erasmus-Grasser-Gymnasium unter den 23 Vorrundensiegern des bayerischen Projekt-Seminar-Preises

Von Alessa Becker

Bei einem gewöhnlichen Modelcasting hätte Asrin höchstwahrscheinlich keine Chance. Die hübsche Schülerin ist 1,50 Meter groß, "zu klein für Germanys next Topmodel". Aber nicht zu klein für den Laufsteg des Erasmus-Grasser-Gymnasiums (EGG). Unter dem Titel "Grasser en vogue" haben die Schüler der Oberstufe im Leitfach Französisch eine Modenschau organisiert. "Inspiriert wurden die Looks von den französischen Modeschöpfern Coco Chanel und Jean-Paul Gaultier", erklärt Projektleiterin und Französisch-Lehrerin Kirsten Mallmann. Mehr als ein Jahr lang hat sie gemeinsam mit neun Abiturienten die Modenschau vorbereitet. "Es gab hinter den Kulissen viel zu tun, später haben wir noch Models aus verschiedenen Klassenstufen gecastet." Die Schüler der elften Klassenstufe konnten die Modenschau als Projekt-Seminar zur Studien- und Berufsorientierung (P-Seminar) wählen und im Abitur anrechnen lassen.

Das EGG ist mit dem Projekt unter die 23 Vorrundensieger des bayerischen P-Seminar-Preises gekommen. Die Ministerialbeauftragten für die Gymnasien in Bayern und Vertreter des Vereins Bayerischer Wirtschaft haben diese Sieger aus den jeweils besten Seminaren ihres Bezirks ausgewählt und unterstützen sie mit einem Preisgeld von 200 Euro. Darunter werden nun die besten vier P-Seminare auf Landesebene ermittelt. Sie bekommen ein zusätzliches Preisgeld von 500 Euro. Die Preisverleihung ist am 25. März in München.

Kirsten Mallmann ist zuversichtlich, dass ihr Seminar unter die besten vier auf Landesebene kommen könnte. "Die Schüler waren sehr kreativ und die Modenschau ist etwas Besonderes geworden", sagt sie. Freilich, die Konkurrenz ist groß. Ein Gymnasium in Augsburg ist mit einem Hörbuch zum Thema "Fluchtgeschichten" in die Vorrunde gekommen; eines in Memmingen hat im Fach Informatik einen virtuellen Rundgang durch die Stadt erstellt. Bei der Auswahl der Preisträger werden die Idee, Projektplanung, aber auch Kontakte zu außerschulischen Kooperationspartnern im Sinne einer berufsorientierten Arbeitsweise berücksichtigt. "In den P-Seminaren können Schüler ihre Stärken zeigen und in einem Bereich aktiv werden, den sie selbst auswählen können", sagt Alexander Schröder, Schulleiter des EGG. Die P-Seminare sollen auf das Berufsleben vorbereiten. Beim P-Seminar "Grasser en vogue" haben die Schüler mit einem Münchner Kaufhaus zusammengearbeitet. Auszubildende gaben "Tipps für die Auswahl der Outfits", so Mallmann. Aufrecht gehen, nicht ins Scheinwerferlicht schauen - das lernte Asrin beim Lauftraining mit einer Münchner Modelagentur. "Am Anfang hatte ich Angst, auf der Bühne hinzufallen, aber ich bin jetzt das Laufen in hohen Schuhen gewohnt." Bei dem Lauftraining "mussten selbstverständlich auch die Jungs mitmachen", sagt Mallmann.

Vor ihrem Auftritt im November wurden die Schüler-Models außerdem von einem Kosmetiksalon professionell geschminkt. "Vielfältige Kontakte zu externen Unternehmen herzustellen ist ein wichtiger Aspekt der P-Seminare", erklärt Mallmann. Die Modenschau fand in der Turnhalle des EGG statt. "Ich war so aufgeregt", erinnert sich Asrin. "Aber in den Kleidern habe ich mich wohlgefühlt, ich mag die Stilrichtung auch im Alltag." Die Mode von Coco Chanel steht seit dem 20. Jahrhundert für die selbstbewusste, moderne Frau. Das "Kleine Schwarze" oder das "Chanel-Kostüm" mit Tweedjacke sind weltbekannt. Mit mehr als 60 verschiedenen Outfits zeigten die Schüler, wie sich Mode in den letzten Jahrzehnten verändert hat. "Wir haben größtenteils keine Markensachen getragen und die Outfits günstig auf Flohmärkten gekauft oder von Eltern ausgeliehen", sagt Chiara. Die 18-Jährige war hinter den Kulissen für die Auswahl der Kollektion zuständig. Auf der einen Seite Chanels lässiger Chic, auf der anderen Seite Korsetts, Ringelpullis und T-Shirts im Marinestil: "Die Mode von Gaultier ist teilweise sehr gewagt", sagt Mallmann. "Formidable" - "wunderbar", heißt einer der französischen Songs zu denen die Schüler über den Laufsteg liefen. Dazu moderierten sie die Modenschau auf Französisch. "Normalerweise sind unsere Schüler vor allem in den Naturwissenschaften stark und haben ein Affinität zu Mathe, umso schöner ist es, dass wir diesmal mit einem sprachlichen Projekt für den P-Seminar-Preis nominiert sind", sagt Schröder. Im nächsten Schuljahr möchte Kirsten Mallmann das Projektseminar "auf jeden Fall wieder anbieten". Asrin und ihre Freundinnen können dann nicht mehr mitmachen. Sie schreiben nach den Osterferien ihr Abitur.

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SZ vom 04.03.2019
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