Süddeutsche Zeitung

Auszeichnung:Preisgekrönte Schwabbelwesen

Das Kinder-Computerspiel des Jahres kommt aus München: "Shift Happens". Ein Besuch bei den Entwicklern von Klonk Games.

Von Caspar von Au

Bismo ist rot, Plom ist blau. Die kleinen Kerle rennen durch eine virtuelle Laborwelt. Sie können ihre Gestalt verändern. Wenn der eine klein ist, ist der andere groß und umgekehrt. Bismo und Plom sind die Hauptfiguren in dem Computerspiel "Shift Happens". Das Jump-and-Run-Game ist als bestes Kinderspiel mit dem Deutschen Computerspielpreis 2016 ausgezeichnet worden.

Bismo und Plom entstammen der Fantasie von zehn Münchner Computerspielentwicklern. "Klonk Games" haben ihr Studio gut versteckt im "Werk 1" am Ostbahnhof, wo sich zahlreiche Start-ups aus der Digitalbranche eingemietet haben. Kahle Bürotische, weiße Wände und zehn Rechner: Nur das Schild an der Tür verrät, dass hier bunte Computerspiele voller Fantasiewesen entwickelt werden. Und natürlich die Game Controller mit farbigen Knöpfen, die vor jedem Computer liegen - die Entwickler testen ihr Spiel am liebsten selbst.

Anscheinend ein gutes Erfolgsrezept. "Shift Happens", das erste Spiel der Münchner Firma, hat beim Deutschen Computerspielpreis auch in der Kategorie "bestes Gamedesign" gewonnen. Der Computerspielpreis wird unter anderem vom Bundesverkehrsministerium ausgelobt und gilt als die wichtigste Auszeichnung in der Branche.

Nur in der Königskategorie "bestes Spiel" musste sich "Shift Happens" dem Strategiespiel "Anno 2205" geschlagen geben. Das gehe schon in Ordnung, findet Klonks Geschäftsführer Oliver Machek, 37: "Jetzt enttäuscht zu sein, wäre bescheuert." Anno 2205 sei ein international erfolgreicher Titel. So weit ist "Shift Happens" eben noch nicht.

Das Spiel muss erst noch fertig werden. Ende Juni soll es auf den Markt kommen. Fünf Tage nach der Preisverleihung sitzen die Entwickler von "Klonk Games" - drei Frauen und sieben Männer - deshalb schon wieder an ihren Rechnern. So richtig glauben können sie es noch nicht, was da am vergangenen Donnerstag passiert ist, auch wenn sie mit einem Preis gerechnet haben, wie Robin Kocaurek, 26, zugibt. Er kümmert sich bei "Klonk Games" um den Kontakt zur Außenwelt. Als Oliver Machek die beiden übergroßen Schecks mit dem Preisgeld von insgesamt 65 000 Euro zur Bank in Fürstenfeldbruck gebracht hat, mussten die Angestellten lachen, erzählt Oliver. Eingelöst haben die Bankangestellten die Schecks natürlich trotzdem.

Zwei Spieler steuern Plom und Bismo im Jump-and-Run-Spiel "Shift Happens". Die beiden Schwabbelwesen - einer gutmütig und einer frech - bewegen sich in 42 Levels durch Hindernisparcours, die sie nur gemeinsam bewältigen können. Dazu müssen die Spieler Rätsel knacken. Nur wenn beide Spieler miteinander kooperieren, kommen sie ans Ziel. Damit der Spaß trotzdem nicht verloren geht, können sie sich auf dem Weg gegenseitig piesacken. Zum Beispiel, indem sie sich die auf dem Weg gesammelten Münzen gegenseitig wegnehmen. Wer keinen zweiten Mitspieler hat, kann auch alleine spielen, muss Bismo und Plom dann aber gleichzeitig steuern.

Bis "Shift Happens" zu dem zweifach ausgezeichneten Computerspiel geworden ist, hat es mehr als fünf Jahre gedauert. Robin Kocaurek und Mitgründer Michael Schilbach kennen sich schon aus der Schule. Damals haben sie gemeinsam ihr erstes Spiel für den Browser programmiert und waren "angefixt". Doch nicht alle im Team wussten von Kindesbeinen an, dass sie einmal Computerspiele entwickeln wollen. "Der Gedanke war für mich völlig utopisch", sagt Oliver Machek. "Ich dachte immer, dass Computerspiele von irgendwelchen Göttern gemacht werden." Durch eine Werbebroschüre ist er auf die Idee gekommen, Gamedesign zu studieren.

An der Mediadesign Hochschule (MDH) in München traf Machek auf Kocaurek, Schilbach und den Rest des Teams. Ein wichtiger Teil des Studiums sind zwei mehrwöchige Projektblöcke. Am Ende entsteht - im Idealfall - das Konzept für ein marktfähiges Computerspiel. Machek und die anderen wollten nicht auf die Projektwochen warten: Sie haben schon in ihrem ersten Semester an der MDH damit begonnen, einen Prototypen zu entwickeln. Das war 2010.

Zunächst nannten sie ihr Spiel "Mercury Shift". Da war es noch in 2D, die Spielfiguren "Klötzerl", wie Machek sagt. Das heutige Spielprinzip von Shift Happens war aber schon erkennbar. "Wir wollten unbedingt ein Jump-and-Run-Spiel entwickeln, das man zu zweit spielen kann." Wichtig sei ihnen gewesen, dass die Spieler miteinander kooperieren müssen, um ans Ziel zu kommen. Erst im Nachhinein entwickelten sie auch einen Ein-Spieler-Modus.

Während der Prototyp noch eher grau und düster war, ist "Shift Happens" bunt und freundlich. Dass dabei ein Kinderspiel herauskommt, sei ursprünglich nicht der Plan gewesen. "Wir wollten es hauptsächlich für alle zugänglich machen", sagt Kocaurek. "Es ist gut für Kinder geeignet, damit sind wir glücklich."

Am Ende ihres Studiums, im Oktober 2013, gründen die Entwickler das Unternehmen "Klonk Games". Der Film-Fernseh-Fonds Bayern förderte das Start-up mit mehr als 100 000 Euro. "Von da an haben wir zwei Jahre geschuftet", sagt Kocaurek. Das Spiel selbst ist mittlerweile fertig. Momentan arbeiten sie an den letzten "zwei Prozent" - damit nach der Veröffentlichung alles reibungslos verläuft. Gleichzeitig planen die Entwickler von Klonk Games schon ihr nächstes Spiel.

Der Name "Klonk" steht für "Kreative Leute Ohne Nennenswerte Kenntnisse", erklärt Kocaurek. Hin und wieder packt die Entwickler die Angst, dass morgen jemand vor der Tür steht und ihnen sagt, sie könnten das alles gar nicht, Computerspiele entwickeln und programmieren; Hochstapler-Syndrom heißt das in der Wissenschaft. Künftig erinnern sie die beiden blau-leuchtenden Pokale vom Deutschen Computerspielpreis daran, dass das vermutlich Quatsch ist.

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Quelle:
SZ vom 15.04.2016
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