Wanderausstellung:Gegen den "kollektiven Verdrängungsprozess" beim FC Bayern

Wanderausstellung: Uri Siegel (links), Neffe des Ehrenpräsidenten Kurt Landauer, mit Bayern-Präsident Karl Hopfner bei der Eröffnung der Ausstellung.

Uri Siegel (links), Neffe des Ehrenpräsidenten Kurt Landauer, mit Bayern-Präsident Karl Hopfner bei der Eröffnung der Ausstellung.

(Foto: Toni Heigl)
  • Eine Wanderausstellung zeigt die Biografien von neun in der NS-Zeit verfolgten Mitgliedern des FC Bayern.
  • Bislang sind 56 Fälle von Verfolgung bekannt. 26 Vereinsmitglieder überlebten die NS-Zeit nicht.
  • Der FC Bayern versucht damit seine eigene Geschichte aufzuarbeiten.

Von Benjamin Emonts

Im Februar 2014 beeindruckten die Bayern-Fans mit einer denkwürdigen Choreografie: In der Südkurve hielten sie ein großes Transparent in die Höhe, auf dem das Abbild von Kurt Landauer, dem ehemaligen jüdischen Präsidenten des FC Bayern, zu sehen war. Auf einem Spruchband, das die Choreografie umrahmte, wurde Landauer zitiert: "Der FC Bayern und ich gehören nun einmal zusammen. Und sind untrennbar voneinander."

Die von der Fan-Gruppierung Schickeria inszenierte Choreografie setzte einen Meilenstein in der Erinnerungspolitik des FC Bayern. Die Südkurve thematisierte die Geschichte der während des Nationalsozialismus verfolgten Vereinsmitglieder vor einem Millionenpublikum. Am Mittwoch nun, dem bundesweiten Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus, eröffnete Bayern-Präsident Karl Hopfner in der Evangelischen Versöhnungskirche auf dem Gelände der KZ-Gedenkstätte Dachau eine Wanderausstellung mit dem Titel "verehrt - vergessen - verfolgt. Opfer des Nationalsozialismus beim FC Bayern."

Die Wanderausstellung wurde von der Erlebniswelt, dem Vereinsmuseum des FC Bayern, in Zusammenarbeit mit der KZ-Gedenkstätte Dachau erarbeitet. In der Aufarbeitung seiner Geschichte während der NS-Zeit setzt der Verein damit ein weiteres Zeichen, um seine teils vergessene Historie wieder in Erinnerung zu rufen.

26 Mitglieder überlebten die NS-Zeit nicht

In seiner Eröffnungsrede gedachte Präsident Hopfner den bislang 56 bekannten Mitgliedern des Vereins, die das "grausame Schicksal" ereilt hatte, "aus politischen und religiösen Gründen verfolgt zu werden". 26 Mitglieder überlebten die NS-Zeit nicht, "vier davon nahmen sich aus schierer Verzweiflung das Leben", bedauerte Hopfner. Er räumte ein, dass auch beim FC Bayern in der Nachkriegszeit ein "kollektiver Verdrängungsprozess" der eigenen NS-Vergangenheit stattgefunden habe.

Vor 20 Jahren aber habe man begonnen, die Geschichte des Vereins während des Zweiten Weltkriegs aufzuarbeiten. Die Fan-Gruppierung Schickeria bezeichnete Hopfner als entscheidenden "Impulsgeber" in der Erinnerungspolitik des Vereins. "Ohne sie wäre die Ausstellung so nicht entstanden." Stolz verwies Hopfner auf seine Initiative, Kurt Landauer im Jahr 2013 posthum zum Ehrenpräsidenten des Vereins zu ernennen. Seit Dezember ist der Vorplatz der Allianz Arena nach Landauer benannt. So könne dessen Name jedem Stadionbesucher ins Bewusstsein gerufen werden.

Mit der Wanderausstellung verfolge der Verein das Ziel, unterschiedlichen Gruppen den Zugang zum Thema "Holocaust, Rassismus und Ausgrenzung" zu ermöglichen. Die Ausstellung sei ein "beispielhafter Geschichtsunterricht gegen das Vergessen" und soll Ausstellungshäusern, Fanklubs und Schulen nach dem Ende der Ausstellung in Dachau am 1. Mai 2016 kostenlos zur Verfügung gestellt werden.

Worum es in der Ausstellung genau geht

Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen neun Biografien ehemaliger Vereinsmitglieder, die von den Nazis vertrieben, verhaftet und teilweise ermordet wurden. Widerständler Wilhelm Buisson etwa, der erste Auswärtsfahrten zu den Spielen des FC Bayern organisierte, wurde 1940 wegen Landesverrats und Vorbereitung zum Hochverrat hingerichtet.

Der langjährige Jugendfunktionär Otto Albert Beer wurde nach gescheiterten Emigrationsversuchen mit seiner Frau ins KZ Kaunas in Litauen deportiert und dort ermordet. Ihre Geschichten sind auf großen Bannern mit prägnanten Texten, Bildern und Originaldokumenten illustriert. Aus den Biografien wird deutlich, dass jüdische Vereinsmitglieder wie Kurt Landauer maßgeblich am Aufstieg des Vereins seit seiner Gründung im Jahr 1900 beteiligt waren.

Kurt Landauer, der 1938 vier Wochen im KZ Dachau inhaftiert war, führte den FC Bayern gemeinsam mit dem jüdischen Trainer Richard Dombi im Jahr 1932 zur ersten Deutschen Meisterschaft. Nach der Machtergreifung im Jahr 1933 mussten Juden auf Druck der Nazis den Verein verlassen. Die Nazis diskriminierten den FC Bayern fortan als "Judenclub". Die Liebe Landauers zu seinem Verein aber konnten die Nationalsozialisten nicht brechen. Nach seiner Wiederwahl im Jahr 1947 verhalf er den Bayern wieder zu gesellschaftlichem Ansehen. Landauer ebnete damit den Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Fußballvereine der Welt.

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