Ausstellung über Herta Müller:Besessen vom Schreiben

Eine Ausstellung im Literaturhaus erkundet Leben und Werk der Nobelpreisträgerin Herta Müller. Zur Eröffnung las sie einige Passagen aus Niederungen.

B. Weidinger

Eine zierliche Gestalt betritt den Saal, in sich gekehrt, wie in einen Kokon gewickelt - der Besucher kann nachvollziehen, dass dieser Person der öffentliche Auftritt ein bisschen mehr Last als Lust bedeutet.

Herta Müller, München

Nobelpreisträgerin Herta Müller im Literaturhaus bei der Ausstellungseröffnung.

(Foto: Foto: Stephan Rumpf)

Sobald aber die Nobelpreisträgerin Herta Müller vor dem dichtgedrängten Auditorium im Literaturhaus anfängt aus ihren Texten zu lesen, wächst sie mit ihren Worten und ihrer Sprache, die Kraft ihrer Schilderungen trägt sie.

Sie liest Passagen aus Niederungen, dem Buch, das sie mit einem Schlag bekannt gemacht hat und in dem Glücksanspruch und - Wirklichkeit oft hart aufeinanderstoßen:

"Verdammt noch mal, wir sind eine glückliche Familie, verdammt noch mal, das Glück verdampft im Rübentopf, verdammt noch mal, der Dampf beißt uns die Köpfe ab, verdammt noch mal, das Glück frisst uns das Leben."

Eingangs hatte Ernest Wichner, langjähriger Weggefährte der Rumäniendeutschen aus Nizkydorf, ihre Kindheit und Schulzeit, ihren Werdegang als Schriftstellerin, ihre immer schärfere Bespitzelung durch die Securitate, ihre Ausreise 1987 und die weiteren Lebensstationen geschildert, einfühlsam, mit einem Touch Ironie, der die endlosen ausgeklügelten Schikanen eines totalitären Landes hervorhob.

Ebenso wie Vorwürfe der Nestbeschmutzung, die die Autorin von Zeitungen wie Der Donauschwabe einstecken musste. Herta Müllers Heimat- und Lebensbild konnte kaum von frohsinniger Erinnerungsromantik geprägt sein, es war gezeichnet von den dunkleren Seiten andauernder Lebens-Beeinträchtigung: Skepsis und Nachdenklichkeit darüber teilt sich auch dem Publikum mit.

Viele stärken sich, noch im Bann von Müllers präziser Formulierungsgabe, mit Wein und Brot, ehe sie ins Erdgeschoss zur Ausstellung über Leben und Werk hinuntersteigen. Schon der Katalog sei ein gelungenes Beispiel gründlicher, anschaulicher Aufbereitung, ist lobend zu hören.

Und beim Gang durch die Räume zeigt sich, dass hier kundige Kuratoren - einer davon Ernest Wichner - und weitere Mitarbeiter intensiv mit der literarischen und politischen Persönlichkeit Müllers beschäftigt waren, die von sich sagt: Eigentlich schreibe ich nicht gern. Nur Idioten schreiben gern. Aber ich bin davon besessen.

Die Ausstellung "Der kalte Schmuck des Lebens" ist vom 23. April bis zum 20.Juni täglich ab 11 Uhr im Literaturhaus, Salvatorplatz 1, geöffnet.

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