Amerikahaus:Trumps Truppen, Bidens Boten

Amerikahaus: In Westwood, Ohio marschieren bei der alljährlichen Erntedankparade auch militaristische Vereine mit.

In Westwood, Ohio marschieren bei der alljährlichen Erntedankparade auch militaristische Vereine mit.

(Foto: Jens Schwarz)

Der Münchner Fotograf Jens Schwarz hat auf einer Reise durch North Carolina, Kentucky und Tennessee Wahlkampfhelfer porträtiert. Die Bilder und die dazugehörigen Interviews geben im Amerikahaus einen Einblick in die zerrissene US-Gesellschaft

Von Evelyn Vogel

Resist. Widerstand. So steht es auf dem Shirt von Jana Brooks wie auf dem vieler Menschen in den USA, die sich für die Demokraten im Wahlkampf stark machen. Aber es geht bei diesem Widerstand nicht allein um den politischen Gegner, die Republikaner und Präsident Trump. Jana und ihre Mitstreiter wollen dem Hass, der Homophobie und der Ungleichheit widerstehen, die in den vergangenen Jahren immer mehr zugenommen haben und die die amerikanische Gesellschaft immer stärker spalten.

Ob das gelingen wird? Die Wahlhelferin und Krankenschwester aus Charlotte in North Carolina weiß es nicht. Doch sie glaubt, dass es lange dauern wird, bis die verfeindeten Lager wieder zueinander finden werden, bis wieder Respekt einkehren wird in die Gesellschaft. Wie das gelingen soll, scheint ihr ebenfalls rätselhaft. Denn Jana, die 2012 Wahlkampfunterstützerin von Obama wurde, erwähnt in ihrem Interview den möglichen demokratischen Wahlsieger Joe Biden nicht. In ihren Augen wird die Heilung der Wunden nur jemandem gelingen, der über Obamas Mitgefühl und Begeisterung verfügt.

Blue Donkey

Jana ist Krankenschwester und engagiert sich in Charlotte, North Carolina für die Demokraten.

(Foto: Jens Schwarz)

Der Fotograf Jens Schwarz hat einen Roadtrip durch North Carolina, Kentucky und Tennessee unternommen und viele Menschen getroffen, die sich entweder für die "Blue Donkeys", die Demokraten, oder die "Red Elephants", die Republikaner, engagieren. Er hat sie fotografiert, sie interviewt und hat viele von ihnen tagelang begleitet. Seine Aufnahmen sind im Münchner Amerikahaus zu sehen - noch diesen Sonntag und dann hoffentlich nach dem Lockdown wieder im Dezember und Januar. Von den meisten dieser Menschen kennt er nicht nur die politische Einstellung. Er hat sie als Wahlkampfhelfer, aber auch in ihrem Alltag, auf der Straße und in ihrem Zuhause fotografiert. Ihn interessiert nicht nur ihre politische Haltung, sondern warum jemand so denkt und handelt.

Dabei bedient der Münchner Fotograf nicht das Klischee vom dicken weißen Mann, der Trump zujubelt, während die arme schwarze Frau oder der von Ausweisung bedrohte Latino Biden beklatscht. Schwarz sucht stattdessen auf beiden Seiten die Menschen hinter den Klischees.

Natürlich findet er da auch die streng gläubige Familie, die sich wie die Mehrheit der Evangelikalen, die Donald Trump wählten und erneut wählen wollen, nicht an seinem Lebenswandel oder seiner Einstellung zu Frauen stören. Natürlich sind da auch die Waffennarren, die sich nur dafür interessieren, dass er das Recht auf Waffenbesitz nicht einschränken will.

Da sind aber auch junge, gebildete Wahlkampfhelfer wie Cole, der überzeugt ist, dass Trump der richtige Präsident ist, um das amerikanische Volk zu neuer Größe und Stärke zu führen. Da sind junge Menschen beider Lager, die voller Idealismus während des Wahlkampfs von Tür zu Tür gehen im Namen ihres Präsidentschaftskandidaten und in der Hoffnung auf eine bessere und gerechtere Gesellschaft.

Amerikahaus: Jim lebt im republikanisch geprägten Black Oak in Tennessee.

Jim lebt im republikanisch geprägten Black Oak in Tennessee.

(Foto: Jens Schwarz)

Schön sind die Szenen, wo Schwarz den Betrachtern auch ganz alltägliche Momente näher bringt. Da ist beispielsweise Jack, ein alleinerziehender schwarzer Vater, mit seiner Tochter Chandler, die am Rande des Existenzminimums in einem Vorort von Cincinnati leben. Und während er sich mit Hilfsarbeiterjobs über Wasser hält und auf seinen weißen Nachbarn, der noch weniger hat, herunterschaut, träumt seine Tochter davon, ein Nagelstudio aufzumachen. Oder da ist Jim, ein Weißer am Rande der Gesellschaft, der im republikanisch geprägten Black Oak in Tennessee lebt und gerade sein Fast Food in einer Tüte nach Hause trägt. Eine Untersuchung fürs Time Magazin hat 2016 ergeben, dass in der republikanischen Hochburg nicht Burger & Co. das am häufigste bestellte Take-Away-Gericht war, sondern Sweet and Sour Chicken.

Schwarz, der sich als "teilnehmenden Beobachter" bezeichnet, war es wichtig, nicht nur eine Fotoreportage über den Vorwahlkampf zu machen. Das ist ihm gelungen. Auch weil die Fotografien nicht für sich allein stehen, sondern weil in der Ausstellung an vielen Stellen Tablets angebracht sind, auf denen kurze Interviews mit einigen der Beteiligten laufen. Es lohnt sich, hineinzuhören (das kann man übrigens auch auf seiner Website www.jensschwarz.com). Man erfährt viel über die ganz normalen Menschen, die in diesem zerrissenen Land leben.

Im Frühjahr 2020, kurz vor dem Lockdown, konnte Schwarz eine Wahlkampfveranstaltung von Trump im Bojangles' Coliseum in Charlotte, North Carolina besuchen. Die Bilder dort zeigen einerseits typische Szenerien einer Wahlkampfarena, andererseits aber auch, dass in diesem Swing-State die Trump-Anhänger so unterschiedlich sind, wie man sich eine Gesellschaft wünscht, damit Hass und Vorurteile überwunden werden können.

Blue Donkey & Red Elephant - Photographs and Video by Jens Schwarz, Amerikahaus, Karolinenplatz 3, noch diesen So, 1. Nov., 10-16 Uhr, Coronabedingt geschlossen vom 2.-30. Nov., danach noch bis 31. Jan., Mo-Fr 16-20 Uhr, So 10-16 Uhr

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