Ausstellung zu Olympia 72:Der Look der Leichtigkeit

Ausstellung zu Olympia 72: Die passenden Sonnenbrillen zum Dirndl. Bei diesen Spielen mischte auch die Mode mit.

Die passenden Sonnenbrillen zum Dirndl. Bei diesen Spielen mischte auch die Mode mit.

(Foto: Stadtmuseum München)

Eine Ausstellung im Münchner Stadtmuseum zeigt, wie prägend die Olympischen Spiele 1972 für viele Menschen waren. Und welche Rolle die Mode und Musik dabei gespielt haben.

Von Jürgen Moises

André Courrèges wollte keine Dirndl. In einem Interview sprach der französische Modedesigner sogar von einem "Bataillon von Gretchen", das man bei den Olympischen Spielen 1972 über den Laufsteg schicken wolle. Aber die Stadt München und der für das "visuelle Klima" der Spiele zuständige Designer Otl Aicher setzten sich durch. Und so kam ein schnittiger, blauweißer Dirndl-Kompromiss heraus, der auch heute noch moderner wirkt als Vieles danach. In der Ausstellung "München 72. Mode, Menschen und Musik" kann man vier dieser Hostessendirndl sehen, begleitet von kurzen Erinnerungstexten ihrer damaligen Trägerinnen. Mit Königin Silvia von Schweden wird natürlich auch die berühmteste Hostess erwähnt. Weswegen die Präsentation unter dem Titel "Wie angle ich einen Prinzen?" steht.

Ob Silvia Sommerlath Carl Gustav auch ohne Dirndl aufgefallen wäre? Jedenfalls haben die Olympischen Spiele 1972 ihr Leben nachhaltig geprägt. Dass das auch bei vielen anderen so war, das will die Ausstellung zeigen, die deshalb vor allem persönliche, meist geliehene Erinnerungsstücke von damaligen Beteiligten oder Besuchern ins Zentrum stellt. Hinzu kommen Objekte aus der eigenen Sammlung, mit der vor allem die für das Erscheinungsbild der Spiele damals wichtigen Themen Mode und Musik illustriert werden. Diese Schwerpunktsetzung unterscheidet die Schau dann doch ein Stück weit von anderen aktuellen Olympia-Ausstellungen in der Bayerischen Staatsbibliothek, der Pinakothek der Moderne oder Pasinger Fabrik, die rein auf Fotografien, das Design oder die Architektur der Spiele setzen. Wobei man in Pasing etwa auch das gelbe Olympia-Mofa von Silvia sieht.

Viel Vertrautes sieht man trotzdem, wie Otl Aichers berühmte Olympiafarben, seine Plakate oder Piktogramme. Dann gibt es aber auch Olympia-Briefmarken, Streichhölzer, Kissen, Tassen, Taschen oder das Maskottchen Waldi in zahlreichen Versionen. Und genauso wie es einem aktuell in punkto Olympia-Jubiläum zeitweise zu viel wird, sahen auch damals einige nur noch Kommerz. "München 1972. Mitmelken ist alles" hatte Erwin Kurz auf einen Aufkleber geschrieben. Hans-Horst Henschen und Reinhard Wetter hatten ein ganzes "Anti-Olympia"-Buch herausgebracht. Und ein Kollektiv aus dem Umkreis der Kunstakademie hatte in einer Auflage von 100 Stück ein kopulierendes Dackelpaar namens "Fickl & Fackl" produziert.

Ausstellung zu Olympia 72: Mauricio Kagels Auftragskomposition "Exotica" wird vom Ensemble aDevantgarde im Stadtmuseum aufgeführt.

Mauricio Kagels Auftragskomposition "Exotica" wird vom Ensemble aDevantgarde im Stadtmuseum aufgeführt.

(Foto: Gunther Adler/Stadtmuseum München)

Die meisten Zeitzeugen, bei denen bei vielen der Kontakt über das Stadtmuseumsprojekt "Erzählcafé München 72" zustande kam, haben die Spiele aber in guter Erinnerung. Wie etwa diejenigen, welche einige der bunten Olympia-Uniformen ausgeliehen haben. Auch zwei der heute nur schwer auffindbaren Kinderkostüme sind dabei. Dass auch all diese Kostüme bereits Kompromisse waren, zeigt ein Foto mit André Courrèges' Originalentwürfen, auf dem man Frauen in Hosenanzügen sieht. Um zu zeigen, wen man sich da nach München geholt hatte, sind auch nicht-olympische Entwürfe des Franzosen zu sehen. Zum Thema Musik wird per Hörstation die "Olympia Parade" des Orchesters Kurt Edelhagen präsentiert, der dafür Musik aus den beteiligten Nationen "angejazzt" hatte. Da gibt es aus Japan den "Sukiyaki Blues", aus Uganda "African Lady". Und aus Deutschland? "Hoch auf dem gelben Wagen".

Auch außereuropäische Instrumente aus der hauseigenen Musiksammlung werden gezeigt. Rund 60 davon hatte sich Mauricio Kagel für seine Auftragskomposition "Exotica" ausgeliehen, von der es am 29. Juli um 19 Uhr als Teil eines Eröffnungswochenendes im Innenhof des Museums eine Wiederaufführung gibt. Am 30. Juli wird der Hof von 12 Uhr an zum "interaktiven Musiksportplatz" und einen Tag später veranstaltet das Jewish Chamber Orchestra München von 14 bis 17 Uhr ein Mitmachkonzert mit Musik von John Cage. Das soll demonstrieren, dass es damals ein anspruchsvolles Kulturprogramm gab. Aber auch verrückte Aktionen wie Timm Ulrichs "Olympische Marathon-Tretmühle", der darin zehn Tage lang jeweils zehn Stunden lief.

Ausstellung zu Olympia 72: Zehn Tage lang lief Timm Ulrichs in seiner "Olympischen Marathon-Tretmühle".

Zehn Tage lang lief Timm Ulrichs in seiner "Olympischen Marathon-Tretmühle".

(Foto: Ernst Jank/Münchner Stadtmuseum)

Das Olympia-Attentat ist ganz am Ende Thema. Und man könnte fragen, ob das damit nicht etwas zur Seite gedrängt wird. Nun, laut den Kuratorinnen stehe es nun mal für das Ende der Spiele und der Leichtigkeit, mit der man der Welt ein neues München, ein neues Deutschland präsentieren wollte. Es gibt eine Chronologie des Attentats, Videos und Bilder, und mit Yakov Springer wird eines der elf israelischen Opfer näher vorgestellt. Die Kritik am Umgang mit dem Attentat ist ebenfalls Thema: die mangelnde Sicherheit, die damalige Fortführung der Spiele oder dass man erst 2017 einen Erinnerungsort geschaffen hat. Eine wirkliche Entschädigung der Betroffenen steht heute noch aus.

Der Schatten des Attentats, er ist auch in Erinnerungstexten zu spüren. Und ganz zu Beginn ist zu erfahren, dass das Ritual des Fackeltragens gar nicht aus Athen, sondern von den olympischen Spielen 1936 in Berlin stammt. Und genau davon wollte man sich doch abheben. Dass das weitgehend gelungen ist: Das macht auch diese Ausstellung deutlich. Und dass "München 72", im Positiven wie im Negativen, für viele eine prägende Zäsur war.

München 72. Mode, Menschen und Musik, bis 8. Jan., Münchner Stadtmuseum, St.-Jakobs-Pl. 1, www.muenchner-stadtmuseum.de

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