An der Wand lehnt ein Kabeltelefon, es ist wie eine Discokugel mit kleinen Spiegeln beklebt. Gegenüber steht ein Stuhl. Was man auf den ersten Blick nicht sieht: Das Telefon war mal rot. Es geht um Krisen, in denen Politiker zum Hörer greifen, um schnell etwas Wichtiges zu besprechen. Die Arbeit heißt „Worst Case Scenario“. Das schlimmstmögliche Szenario – das ist das Fachgebiet der Künstlerin Nina E. Schönefeld. Dabei ist das Ziel in ihrer aktuellen Ausstellung „No Future Hope“ eigentlich, Hoffnung zu schüren. Wie geht das?
Schönefeld arbeitet mit Videoinstallationen. Wie das Spiegeltelefon wirken auch ihre anderen Arbeiten deshalb wie ein futuristisches Filmset. In der Halle des Lothringer 13 befinden sich da eine Vitrine mit einem skurrilen Gegenstand, umgeben von Pyramiden aus Spiegeln, schimmernde Vorhänge, rosafarbene Sitzkissen. Der Fokus der Ausstellung liegt jedoch auf den Filmen. Drei Stück an der Zahl werden sie an die hohen weißen Wände projiziert, bildgewaltig prophezeien sie eine düstere Zukunft.
Der Film „Ride or Die“ ist Schönefelds jüngstes Werk; er handelt von einem Journalistenpaar, das im Jahre 2039 radikal auf den langsam eingetretenen Zerfall der Demokratie reagiert. „Den Film habe ich bis zur letzten Sekunde textlich bearbeitet, um so aktuell wie möglich zu sein“, erzählt Schönefeld. Das Ziel: Es sollen so viele gegenwärtige politische Ereignisse wie möglich in die Darstellung integriert sein.
In einigen Filmen der Künstlerin spielen ihre Tochter und deren Freundinnen Hauptrollen
Gerade die jüngere Generation spielt in ihren Recherchen eine übergeordnete Rolle. So auch in „The Fourth Estate“, eine Reihe an Filmen, deren gesellschaftskritische Relevanz sogar zugenommen hat, nachdem sie 2023 erschienen sind. Gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Freundinnen in den Hauptrollen entwickelte die Künstlerin kurze Spielfilmsequenzen über junge antifaschistische Gruppen auf dem Land. In einer Szene findet die Protagonistin ein totes Kaninchen auf dem Beifahrersitz ihres Autos, angelehnt an ähnliche, reale Drohgebärden durch rechte Gruppierungen. Ob durch tote Tiere, skurrile KI-Gebilde oder dokumentarische Szenen aus brutalen Ausschreitungen.

Für Schönefeld handelt es sich um Studien über emotional aufgeladene Szenen in der Gesellschaft. Szenen, deren Wirkung sie erforscht und für ihre Videoinstallationen in fiktiven Settings neu zusammensetzt. „Was geht im Menschen wirklich vor, wie kommen diese Gefühle zustande?“, fragt sie sich. „Hass – oder eben auch Liebe. Und wie kann man das visuell darstellen? Das ist einfach wahnsinnig schwer, aber irgendwie neigen wir Künstler immer dazu, uns so blöde Aufgaben zu stellen.“ Sie lacht.
Dem Gedanken, keine Zukunft zu haben, steht „No Future Hope“ hoffnungsvoll entgegen.
Drastische Bilder, die schockieren, bleiben im Gedächtnis und regen zum Nachdenken an. Dass sie manche Leute auch „triggern“, und starkes Unwohlsein in ihnen auslösen, ist Schönefeld durchaus bewusst. Dafür muss man gewappnet sein. „Ich begreife die Rolle eines bildenden Künstlers heutzutage als jemanden, der sich einmischt“, sagt Schönefeld, „Künstler können polarisieren“.

Und so beantwortet sich auch die Frage, wie eine Dystopie Hoffnung schüren soll: In Schönefelds Werken geht es um unsere Zukunft, also den Teil unserer Geschichte, auf den wir aktiv Einfluss nehmen können. Hinter jeder düsteren Erzählung steckt die Botschaft: Dass uns das nicht passiert, können wir jetzt ändern. Der Titel der Ausstellung, „No Future Hope“, erinnert zwar zunächst an die Siebzigerjahre, die Punk-Bewegung und deren wiederkehrendes Mantra „No Future“. Es kritisiert ein System, das keine Zukunft zulasse. Das „Hope“ im Titel solle jedoch separat gelesen werden, als Gegenüberstellung, erklärt Lisa Britzger, die Kuratorin des Lothringer 13. Das heißt: Dem Gedanken, keine Zukunft zu haben, steht „No Future Hope“ hoffnungsvoll entgegen.
Die Ausstellung ist eine der letzten in der Lothringer 13, die Lisa Britzger als Kuratorin verantwortet. Durch das rotierende Leitungsprinzip der Institution neigt sich ihre Amtszeit nach fünf Jahren langsam dem Ende zu. Dabei könnte es nicht passender sein, dass es sich bei Nina E. Schönefeld um eine Videokünstlerin handelt. Denn, so formuliert es Britzger scherzhaft, es sei ihr „letzter Blockbuster“.
No Future Hope, Nina E. Schönefeld, Lothringer13-Halle, München, Lothringerstraße 13, bis 2. Februar