Ausstellung:Klebezoo auf dem Stromkasten

Lesezeit: 3 Min.

Da ein flinkes Äffchen, das der Straßenbahn hinterherjagt, dort ein Stinktier, das an einer Blume herumschnüffelt - Hauptsache, die Straße wird bunt. (Foto: privat)

Bunte Tiere in tristen Straßen: Der Street-Artist Kraven the Hunter hinterlässt seine Fantasiewesen an ungewöhnlichen Orten.

Von Nicole Graner, Untergiesing

Zisch! Krawumm! Ein ohrenbetäubender Krach. Dann springt Kraven the Hunter ins Bild. Er hat immense Muskelpakete. Fesseln aller Arten zu sprengen - ein Klacks für ihn! Russischer Akzent, wilder Bart und eine etwas aus der Mode geratene, fransige Weste, die sich wie ein Flokati über seinen extrem breiten Boxerrücken legt. Der Gegenspieler von Spiderman lässt es krachen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Dort, wo er auftaucht, splittert Holz, bröckeln Mauern. Und auch der sonst so biegsame Spiderman liegt schon mal röchelnd auf dem Boden, weil Kraven seine Fäuste auf ihn niederdonnern ließ.

Comics - jener Mann, um den es sich nun drehen soll, liebt sie. Eigentlich alle. Und Spiderman, nun ja, diese Geschichte hat es dem 34-jährigen Street-Art-Künstler wohl am meisten angetan, der gerade in der Färberei in Giesing ausstellt. So sehr liebte der junge Mann die Comics, dass er sich den Namen Kraven the Hunter gab, den Namen des russischen Aristokratensohns Sergej Kravinoff, eines manischen Jägers, der sich stets beweisen muss und gegen wilde Tiere kämpft. Russisch spricht der 34-Jährige natürlich kein bisschen, eher hat seine Stimme einen hörbaren, aber verhaltenen niederrheinischen Klang. Warum nur dieser Name?

Street-Artist Kraven the Hunter kreiert auch eigene Sticker. (Foto: privat)

Inkognito zu sein, ist Schutz

Zum einen: Seine Mutter gab ihn als Kind in eine Malschule. Sie muss geahnt haben, dass viel kreatives Potenzial in ihrem Sohn steckt. Später übt er sich - wie sollte es anders sein - in Comiczeichnung. "Das hat meiner Mutter dann nicht mehr gefallen", sagt Kraven alias Sergej. Und erst recht nicht, als er Graffiti-Künstler wurde. Diese Tatsache führt zum zweiten Grund, warum er seinen wahren Namen hinter einer Comic-Figur verbirgt. Gesprühte Kunst auf staatlichen und städtischen Gebäudewänden gilt in Deutschland als Sachbeschädigung. Inkognito zu sein, ist Schutz.

Dann kommen die bunten Tiere, die er auf Klebefolie zeichnet und mit der Nagelschere ausschneidet. Für seine damals zweijährige Tochter hat er sie entworfen. Ameisenbären mit Rüsselnasen, ein Mammut mit rosa Ohren, Fantasie-Wesen mit langen Zungen und Hälsen. "Ich malte sie, um meiner Tochter zu erklären, wie Giraffen und Nilpferde überhaupt aussehen", sagt Kraven und lacht. Ansteckend, laut.

Und weil es eben viel mehr Spaß macht, die Tiere auch noch auf irgendetwas draußen in den Straßen aufzukleben, unternehmen Vater und Tochter lustige Spaziergänge in Düsseldorf. Da ein Klebetier auf einen Stromkasten, dort auf einen Mülleimer. Eben ein bisschen was Verbotenes tun - ein Abenteuer. Und manchmal verpetzt die Tochter ihren kreativen Vater bei Passanten.

So gut gefallen ihr die bunten Sticker, so stolz ist sie auf ihren Papa. "Es wurden immer mehr", erzählt der 34-Jährige. Und er lacht wieder. Der Klebezoo war aber auch ein Grund für den Comic-Namen. "Der Name passte einfach dazu, auch weil Kravinoff gerne übermenschliche Wesen jagt." Na ja, jagen? Kraven aus Düsseldorf klebt.

Er klebt seine Tiere auf Stromkästen, die nun in einer ungewöhnlichen Werkschau in Untergiesing zu sehen sind. (Foto: privat)

Eine öffentliche Leinwand

Heute, die Tochter ist mittlerweile fünf Jahre alt, hat der Street-Artist eine Kunst daraus gemacht. Wer durch Düsseldorfs Straßen schlendert, muss nur genau hinsehen. Er wird sie finden. "Die Straße", sagt er, "ist offen für jedermann ." Eine öffentliche Leinwand sozusagen. Die Kinder auf diese Weise auch an Kunst heranzubringen, sei keine zu unterschätzende Wirkung der Street-Art. Aber vor allem will er das Straßenbild verändern, das Grau bunt werden lassen.

"Arghhh!!!! Ahhhhh! "Wenn Du mich noch einmal aufhalten willst, dann zerstöre ich dich, Spiderman!" Kraven schreit es, geht dem maskierten Spinnenmann an die Gurgel - und flieht. Solche Szenen kennt Kraven nicht. Noch nie habe er Probleme mit der Polizei gehabt, sagt der Street-Art-Künstler. "Ein Polizist hat mich mal beim Bekleben erwischt, gegrinst und den Daumen nach oben gestreckt. Das war's."

Von dieser Kunst eine Familie ernähren? "Quatsch!", sagt der Zeichner. Und sein freches Donnerlachen macht doch deutlich, dass es da noch ein Geheimnis geben muss, das mit Kraven so gar nichts gemein hat. "Nö, nö, geht gar nicht!" Aber wie geht es dann? "Ich bin Konditor." Tatsächlich kreiert der Mann, der Tiere zeichnet, Sticker entwirft, Torten aller Arten. Kreativ ist das auch.

Und auch klebrig. Nur, mit Comics hat das nichts mehr zu tun. Obwohl? Zeichentrickkatze Tom wirft Maus Jerry schon mal eine Sahnebombe ins Gesicht. Heitere Tortenschlachten gab es auch in den Filmen von ‎Laurel und Hardy. Und im Band "Der große Graben" heißt ein Zenturio schließlich Tullius Tortengus. Also: Passt auch wieder. Und zum fünften Geburtstag seiner Tochter backt und modelliert er für seine Tochter eine Sponge-Bob-Schwammkopf-Torte. Da ist er wieder, der Comic.

"Kravens letzte Jagd", Ausstellung mit Stickern von Kraven the Hunter, in der Färberei, Claude-Lorrain-Straße 25, bis 13. Dezember, täglich von 16 bis 19 Uhr, Eintritt frei, Telefon 62 26 92 74.

© SZ vom 05.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ-Dienst
:SZ München-News per WhatsApp, Telegram oder Insta

Wissen, was München bewegt: Der WhatsApp-Kanal der Süddeutschen Zeitung bietet einen schnellen und bequemen Nachrichtenservice für die Stadt. Abonnieren Sie ihn kostenlos.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: