Ausstellung:Der Gesang der Erde

Ausstellung: Fragil wie die Umwelt und der Mensch in ihr: Lena von Goedekes Installation „Equipment First, 2019 / 2021“.

Fragil wie die Umwelt und der Mensch in ihr: Lena von Goedekes Installation „Equipment First, 2019 / 2021“.

(Foto: Lena von Goedeke)

Kallmann-Preisträgerin Lena von Goedeke erkundet in ihren Arbeiten die Landschaften der Arktis.

Von Sabine Reithmaier, Ismaning

Eine schwarze gebirgige Landschaft - das ist die erste Arbeit, auf die im Kallmann-Museum der Blick fällt, noch bevor man den Saal betritt. Das passt natürlich, schließlich ist Lena von Goedeke für ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Landschaft eben mit dem Kallmann-Preis ausgezeichnet worden. Doch wie eigenwillig die Berliner Künstlerin diese Auseinandersetzung betreibt, entdeckt man erst unmittelbar vor dem Werk stehend. Denn es handelt sich um eine höchst filigrane Papierarbeit. Kein Relief, wie die Plastizität der Höhen und Tiefen zunächst suggeriert, sondern eine völlig plane Fläche.

Die Berliner Künstlerin hat für "Aerial III" wissenschaftlich vermessene Höhendaten einer Gegend in Spitzbergen auf Papier übertragen, sie am Computer in eine geometrische Gitterstruktur übersetzt und schließlich ungezählte kleine Dreiecke aus der großen Fläche mit der Hand ausgeschnitten. Was für ein gigantischer Aufwand. Aber Lena von Goedeke, 1983 in Duisburg geboren, hat offensichtlich ein Faible für Extremes.

Ein Winter in totaler Dunkelheit

Dafür spricht auch ihre Vorliebe für die Arktis. Schon mehrmals ist sie nach Spitzbergen, der nördlichsten bewohnten Inselgruppe der Welt, gereist. Erstmals 2018, als sie während der "Arctic Circle Residency" mit anderen Künstlern und Wissenschaftlern durch arktische Gewässer segelte, zuletzt setzte sie heuer im Februar und März ihre künstlerische Erkundung des Landes und seines Bodens fort. 2019 verbrachte sie sogar den Winter in Longyearbyen, der Hauptstadt Spitzbergens. In totaler Dunkelheit, dort geht von Mitte Oktober bis Mitte Februar keine Sonne auf. Dass sie Berge und Gletscher während dieser Monate nur schemenhaft erkennen konnte, davon berichten die schwarzen handmodellierten Wandobjekte der Serie "Solid Black", auch sie basieren auf geologischen Daten.

Anfangs arbeitete Lena von Goedeke fast ausschließlich als Malerin, bevor sie ihre Vorliebe für die "Papercuts" entdeckte. Neben den Papierschnitten ist die Konzeptkünstlerin inzwischen multimedial unterwegs, fotografiert, filmt und macht Installationen. Ihre Arbeiten verraten nicht, um welche Landschaften es sich konkret handelt, bezeugen nur, dass der Mensch überall seine Spuren hinterlässt. Der Kohlestaub, den der Wind in der Nähe des Kohlehafens von Longyearbyen über die Landschaft bläst, lässt den Schnee ergrauen - die unberührte Natur der Arktis entpuppt sich als Illusion. Oder die drei Fotografien, die Details eines 1982 aufgelassenen Kraftwerks zeigen, das sich der Permafrostboden nach und nach einverleibt. "Reverse" wiederum identifiziert das Auge sofort als eine Meer-Aufnahme. Aber trotzdem stimmt etwas nicht mit der dunklen, seltsam schillernden Wasseroberfläche. Wieder erkennt man erst spät, dass sie aus schmalen Streifen zusammengesetzt ist, deren Kanten nicht exakt zueinander passen.

Goedeke selbst versank, als sie erstmals arktischen Boden betrat, bis zu den Knien im schmelzenden Permafrostboden, der durch den Klimawandel immer weiter auftaut. Auch daran erinnert die saalfüllende Installation "Equipment first", in der sie vor einem Vorhang mit aufgedruckter Gletscherlandschaft eine Wanderung in der Arktis inszeniert. Die im Raum verteilten Gummistiefel aus Ton hat sie mit einer Flüssigkeit aus Tusche, Tinte und Wasser gefüllt, den Ton dadurch wieder zerstört. Die ausgetretene grün-blaue Flüssigkeit zeichnet zarte Bilder auf den weißen Fußboden. Und die umgekippten, sich auflösenden Stiefel bekunden deutlich, wie zerbrechlich der Mensch ist. Nicht nur in dieser Umgebung.

Lena von Goedeke: Soil's Song, bis 18.Juli, Di. bis Sa. 14.30 bis 17 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr, Kallmann-Museum, Ismaning

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