Ausstellung in der Villa Stuck:Urkorn des Lebens

Ausstellung in der Villa Stuck: Tänzer und Performance-Künstler werden Lee Mingweis Bodenskulptur aus Reiskörnern „Our Labyrinth“ ständig neue Formen verleihen.

Tänzer und Performance-Künstler werden Lee Mingweis Bodenskulptur aus Reiskörnern „Our Labyrinth“ ständig neue Formen verleihen.

(Foto: Stephanie Berger/Metropolitan Museum of Art)

"Li, Geschenke und Rituale" in der Villa Stuck: Der taiwanesische Künstler Lee Mingwei lädt ein, über Geben und Nehmen im Allgemeinen sowie über Achtsamkeit und Traditionen im Besonderen nachzudenken.

Von Evelyn Vogel

Er zieht und schiebt, fegt und rührt mit einem Besen den Haufen Reiskörner über den Boden. Und mit jeder dieser langsamen, bedachtsamen Bewegungen des Tänzers und Performers nimmt die Bodenskulptur eine neue Form an. Mal mutet sie in ihrer Simplizität archaisch an, mal mit feinverästelten Strukturen hoch komplex. Dann erinnert sie an ein unifarbiges Mandala oder an einen spiralförmigen Irrgarten. Das Reiskorn als Urkorn, als Keim der Kunst und Keim der lebendigen Tradition. Quer durch die Ausstellungsräume der Villa Stuck übersetzt Lee Mingwei so Traditionen und Rituale in eine persönliche Sprache.

Mit mehrwöchiger Verspätung ist die Ausstellung des 1964 in Taiwan geborenen Künstlers, der in Paris und New York lebt und arbeitet, nun in München zu sehen. Doch schon vergangenes Jahr hatte die Villa Stuck für drei Projekte Aufrufe zur Beteiligung gestartet: Für "Fabric of Memory" suchte Lee nach textilen Erinnerungsstücken, die er in schlichte, helle Holzkisten gepackt und auf traditionelle Weise mit Bändern verschnürt hat. Diese Objekte stehen nun in der Ausstellung auf einem Podest. Und sollte es die Corona-Lage zu lassen, dürften auch Besucher dort Platz nehmen und die Geschenk-Kisten auspacken.

Für "The Mending Project", eine Arbeit, die Lee Mingwei 2017 auf der Biennale in Venedig gezeigt hat, wurde nach Personen gesucht, die nun von Besuchern mitgebrachte Kleidung flicken und darüber mit ihnen ins Gespräch kommen. "The Living Room" schließlich lädt Münchnerinnen und Münchner dazu ein, ihre persönlichen Sammlungen von Dingen der verschiedensten Art im Rahmen der Ausstellung nicht nur zu zeigen, sondern auch hin und wieder anwesend zu sein, und etwas darüber zu erzählen. Im wöchentlichen Rhythmus werden die Sammlungen wechseln.

Hinter der Ausstellung mit insgesamt 15 Projekten steht das konfuzianische Prinzip "Li", das Gedanken zu Riten, Ritualen, Geschenken und Anstandsregeln beschreibt. Gesten der Gastfreundschaft und Rituale des Gebens und Nehmens unter Beteiligung der Besucher werden zahlreiche Projekte der Ausstellung kennzeichnen. Nicht nur die des Geschenkeauspackens, des Nähens und Flickens und des Erzählens. Alle Projekte Lee Mingweis drehen sich um das Geben und Nehmen und damit auch um Partizipation. Außerdem finden zahlreiche Performances statt. Eine wird mit Hilfe der Besucher eine Arbeit "zerstören".

Die Ausstellung "Lee Mingwei: Li, Geschenke und Rituale" ist eine Kooperation mit dem Gropius Bau in Berlin, wo sie vergangenes Jahr vielerlei Einschränkungen hinnehmen musste. Das soll dieses Jahr in München anders werden.

Lee Mingwei: Li, Geschenke und Rituale, bis 12. September, Dienstag - Sonntag 11-18 Uhr (erster Freitag jeden Monat bis 22 Uhr), Museum Villa Stuck, Prinzregentenstraße 60, Telefon 4555510

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