Ausstellung im Jüdischen Museum:Der besondere Alltag

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Kurze Momente des Glücks, der Fremdheit und der Zugehörigkeit. Die Bilder und Geschichten geben Einblicke in die Vielfalt jüdischer Lebenswelten seit 1945.

Von Willibald Spatz

Die Vorarlberger Stadt Hohenems liegt genau zwischen Österreich, der Schweiz und Deutschland. Der Direktor des dortigen Jüdischen Museums, Hanno Loewy, hat vor Jahren für die Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin Privatpersonen gebeten, in kurzen Berichten ihr Leben als Juden in Deutschland nach 1945 zu schildern.

In Hohenems kam ihm nun der Gedanke, diese Geschichten aus den deutschsprachigen Ländern Mitteleuropas zu sammeln und dann zu sehen, worin sie sich unterscheiden. Es entstand die Ausstellung "So einfach war das", die seit heute im Münchner Jüdischen Museum zu Gast ist.

Leben im Land der Täter

Sich im Deutschland der fünfziger Jahre als Jude eine Existenz aufzubauen, erforderte Mut und bedeutete, zwischen zwei Stereotypen Platz zu nehmen: Zum einen musste man im "Land der Täter" jeden für einen Nazi halten, zum anderen gab es später, in den sechziger und siebziger Jahren, immer mehr, die von sich behaupteten, in der nationalsozialistischen Zeit Retter von vielen gewesen zu sein, den sprichwörtlichen "Juden im Schrank" gehabt zu haben, wie Loewy es ausdrückt.

Seit 1990 haben sich die Umstände geändert, weil Deutschland zu einem attraktiven Einwanderungsland für Juden aus Russland geworden ist, die das jüdische Kulturleben wesentlich mitprägen.

Die wenigen, die sich nach dem Krieg in Österreich und der DDR niederließen, waren politisch und gesellschaftlich engagiert - im Optimismus, jeweils einen neuen, besseren Staat mitgestalten zu können. In der Schweiz schließlich blieb aufgrund der Neutralität die Pluralität erhalten, wurde durch Flüchtlinge sogar noch verbreitert.

Dies sind die generell beobachtbaren Entwicklungen. Durch die in der Ausstellung vereinten Eindrücke werden sie plastisch, bekommen unterscheidbare Gesichter.

43 Personen, die zwar durch persönliche Bekanntschaften ausgewählt wurden, trotzdem aber relativ repräsentativ sind, haben jeweils eine Fotografie hergegeben, die dazugehörende Episode aus ihrem Leben auf ein bis zwei Seiten niedergeschrieben und auf Band gesprochen.

Die Menschen erzählen, was ihnen wichtig ist

Loewy hat danach keine Veränderungen vorgenommen, die Menschen das erzählen lassen, was ihnen wichtig war, in der Umgebung, in der sie sich befinden. Deshalb schwankt die Qualität der Aufnahmen etwas, daher wirken sie aber auch umso persönlicher.

Meist sind es Geschichten aus Kindheiten zwischen den fünfziger und achtziger Jahren, die manchmal nicht sehr spezifisch klingen, dann aber doch eine Besonderheit aufweisen: Zum Beispiel die Anekdoten vom Jungen, der mit seinem Vater einen Berg besteigt, wie alle Schweizer es tun - und oben sind sie die einzigen, die ihre Würste nicht grillen, weil der Vater als Flüchtling nie bei den Pfadfindern war und nicht gelernt hat, wie man in der Natur Feuer macht.

Oder die Geschichte der Frau, die heute in Weimar als Dozentin lebt und von ihren Eltern von Buchenwald erfahren hat, und dass der Onkel dort gestorben sei und dass das alles vorbei sei, weil sie in der DDR, "einer von Ausbeutung und Rassismus freien Welt", lebten. Dabei hängt das Bild von der Einschulung 1955.

Das Bemerkenswerte an dieser Ausstellung ist, dass trotz des kontemplativen Ansatzes und der auffällig geringen Stichprobenzahl ein rundes Bild entsteht, das weder polemisiert noch Problematisches undiskutiert lässt.

(Bis 27. Januar 2005, Reichenbachstraße 27, geöffnet Dienstag 14 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 12 und 14 bis 18 Uhr, sowie Donnerstag 14 bis 20 Uhr.)

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