Ausstellung:Gemeinsam statt einsam

Kunstbild

Demokratischer geht's kaum: Die Arbeiten aus der Ausstellung "For Free*" sind rundum in Doppelreihen an die Galerie-Wände gepinnt.

(Foto: Kilian Bless)

100 Künstler zeigen in der Galerie Andreas Binder mit dem Projekt "For Free*", wie's geht

Von Evelyn Vogel

Das sind doch alles Einzelkämpfer, Ellbogenmenschen, die sich nur für sich selbst interessieren. Dieses Diktum gilt gemeinhin für Künstler und ganz besonders für bildende Künstler, denen in dieser Hinsicht vielleicht noch die Literaten das Wasser reichen können. Die einen stellt man sich allein in ihrer Schreibstube vor, die anderen sieht man einsam im Atelier werkeln. Das Resultat in Pandemiezeiten? Jeder für sich und gemeinsam maximal einsam.

Doch nun zeigt das Projekt "For Free*" in der Galerie Andreas Binder, dass es auch anders geht: "Gemeinsam statt einsam" lautet die Devise, bei der mehr als 100 Künstlerinnen und Künstler zeigen, dass sie nicht nur Einzelkämpfer sind, sondern in Pandemiezeiten ein neues Gemeinschaftsverständnis und einen neuen Zusammenhalt entwickeln. Die Liste der beteiligten Künstler ist nicht nur beeindrucken lang, sondern auch vielfältig. International renommierte Namen stehen neben jungen Akademieabsolventen, Professoren neben Studierenden und Autodidakten, die meisten natürlich mit München-Bezug, aber etliche weitaus mehr als Lokalmatadoren. Die Idee zu "For Free" stammt von dem Künstler Daniel Man. Gefördert wird das Ausstellungsprojekt, das vollständig den Titel trägt "For Free* (*artists are not working for free)", von der Stiftung Kunstfonds.

Das Ganze ist ein echtes Corona-Kind. Es bezieht viele Künstlerinnen und Künstler mit ein und das Konzept setzt vollständig auf Solidarität - im Entstehungsprozess, in der Präsentation wie im Ergebnis. Denn egal wie viel eine einzelne Arbeit kostet - und die Preise variieren erheblich - alle Verkaufserlöse kommen in einen Topf und werden am Ende gleichmäßig verteilt. Auch zeigen alle 100 Kunstschaffenden ihre Arbeiten gemeinschaftlich und gleichwertig. Denn nicht nur, dass jeder die gleiche Ausstellungsfläche hat, wobei die Arbeiten in Doppelreihen gehängt sind, auch die Formate mussten gleich groß sein. Egal in welcher Technik, das Werk sollte auf ein DIN A3-Format passen. Neben Malerei, Zeichnung, Collage und Fotografie in gegenständlicher wie abstrakter Bildsprache gibt es auch Materialarbeiten und Cut-Outs und auch einige Werke in Sprühtechnik sind dabei. Das hängt auch damit zusammen, dass Kurator Daniel Man aus der Graffiti-Szene kommt.

Auch der Titel rührt teilweise daher. Denn Kunst im öffentlichen Raum ist für den Betrachter "for free". Der Ausstellungstitel spielt darauf an, dass es auch hier etwas umsonst gäbe, stellt aber durch den Zusatz "*artists are not working for free" klar, dass Kunst nicht kostenlos sein kann und darf, und dass Künstler selbstverständlich von ihrer Arbeit leben müssen - wobei dieses Etwas in Corona-Zeiten mehr denn je geschrumpft ist, wie die zahlreichen Demonstrationen in den vergangenen Monaten deutlich machten.

So weißt Daniel Man explizit darauf hin, wie schwierig es für Künstler schon vor der Pandemie war, von ihrer Kunst zu leben, wie prekär der Alltag der meisten Kulturschaffenden schon vor März 2020 war. Doch die Pandemie habe auch hier "das Brennglas angesetzt". Die unterschiedlich gewichteten Ausfallförderungen der Regierung hätten zu einer Spaltung verschiedener Berufssparten geführt. Hinter den lauten Rufen "kollektiv organisierter Lobbyisten arbeitsplatzrelevanter Branchen" werde die Kultur als "machtpolitisch nicht ausreichend organisierte Gemeinschaft von Individualisten" zum "fünften Rad am gesellschaftlichen Wagen" degradiert. Mangels Gewerkschaft und Lobby drohe die Kulturbranche unterzugehen. Dabei seien Künstler doch besonders kommunikativ, spontan, kreativ und oft extrem gut vernetzt, weiß Daniel Man.

Wie vernetzt Aktionen, Interaktionen und Reaktionen auf dem gesamten Kunstmarkt sind, zeigt das Projekt "For Free" auch. Um das zu veranschaulichen, hat Man in den Ausstellungsraum eine Computerprojektion einer animierten Grafik integriert, die aus Antworten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler generiert wurde. Das Open Source Tool Infranodus von Nodus Labs Berkeley kann aus textbasierten Netzwerkanalysen Grafiken und Muster erstellen, um Beziehungen und Verbindungen zu visualisieren. So sieht man ein globales Netzwerk, das die Beziehungen zwischen Künstlern, Sammlern, Museen, Kuratoren und jeder Art von öffentlicher Interaktion in Zusammenhang mit Zu- und Absagen der beteiligten Künstler darstellt. Die Projektion ist ein eindrückliches Schaubild der Krise der Kunst in der Pandemie.

For Free*, eine Intervention von mehr als 100 Künstlerinnen und Künstlern initiiert von Daniel Man, Galerie Andreas Binder, Knöbelstraße 27, noch bis 5. Juni, nach Anmeldung: t 21 93 92 50, www.galerieandreasbinder.de/forfree

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