Süddeutsche Zeitung

Ausstellungen in Bernried und München:Flirrendes Licht

Der Maler Leif Trenkler schafft Sehnsuchtsbilder, in die sich der Betrachter hineinträumen möchte - aber die glänzenden Oberflächen sind trügerisch.

Von Evelyn Vogel, Bernried/München

Dieser Farbenrausch! Strahlend, satt, mitunter mysteriös unwirklich, aber immer überbordend. Und erst die Motive: verführerisch glänzende Poollandschaften, Architektur, die eher an Urlaub und Abenteuer denn an Arbeitsalltag denken lässt, tropische Landschaften, die zum Verweilen einladen, darin Mensch und Tier, die den richtigen Flecken Erde für sich gefunden zu haben scheinen - selbst wenn mitunter nur ein Accessoire von ihnen kündet. Bild- und Farbkompositionen aus flirrendem Licht, strengen Formen und wuchernden Flächen. Es sind wahre Sehnsuchtsorte, die der Maler Leif Trenkler schafft. Eine verheißungsvolle Welt, in die sich der Betrachter hineinträumen möchte. Doch die Bildwelt des Leif Trenkler, die derzeit in zwei Ausstellungen in und um München zu erleben ist, ist eine trügerische.

Trenkler, der in Köln lebt, hat an der Städelschule in Frankfurt und der Kunstakademie in Düsseldorf studiert. Er gilt als Vertreter der Neuen Figuration, einer Strömung, mit der er sich in den Achtzigerjahren gegen die damals gängige Haltung in der Kunst stellte. Aufgewachsen ist der 1960 geborene Künstler in Wiesbaden. Und zwar, wie er in seinen autobiografischen Notizen schreibt, als introvertiertes Kind einer sehr lebhaften und lautstarken Familie in einem Hochhaus inmitten einer Sozialbausiedlung. Die Erinnerung an jene Zeit hat ihn nachhaltig geprägt: "In meiner Kindheit wurde ich gehetzt, von den anderen Sozialsiedlungskindern gejagt und bedroht. Jeder Tag war ein Spießrutenlauf." War es da ein Wunder, dass sich der Heranwachsende mit Hilfe seiner Zeichenkünste in andere Welten träumte?

Als Neunjähriger wäre er beinahe in einem See ertrunken.

Statt in einer Sozialbausiedlung hielt er sich bald in einer imaginären Westernstadt auf, später malte er versteckte Häuser im Dschungel und andere verborgenen Orte. Mit zwölf entdeckte er die Welt der italienischen Renaissance-Maler und die Schönheit der Kunst, die er fortan mit Hilfe von Bibliotheken systematisch erkundete. Doch nicht genug dieses jugendlichen Erweckungserlebnisses, das die Grundlagen für den späteren Künstler legte. Als Neunjähriger wäre er zudem beinahe in einem See ertrunken. Während der monatelangen Rekonvaleszenz träumte er immer wieder von Wasseroberflächen, "die ich von unten sah, und durch sie hindurch die Bäume am See und die Pflanzen an seinen Ufern", schreibt er.

Vor diesem Hintergrund blickt man mit einer ambivalenten Haltung auf die spiegelnden Wasseroberflächen, die glühenden Horizonte und den mitunter dschungelartig-wuchernden Bewuchs, mutieren manche der Motive zu bedrohlichen Szenarien. Und die gelegentlich sehr coole South-Beach-Architektur wie aus einem Hochglanzmagazin entpuppt sich als erzwungener Kontrapunkt zum Chaos der kindlichen Träume und Ängste. Landschaft und Architektur formen sich zu einer phantastischen Erzählung, in dem sich der Wahrnehmungshorizont der Wirklichkeit verschiebt und die Vorstellungswelt des Betrachters herausgefordert wird.

In München hatte man dazu schon oft Gelegenheit, denn früh hat der Galerist Karl Pfefferle das Potenzial Trenklers erkannt und ihn vielfach ausgestellt. Auch nach Pfefferles Tod und der Übernahme der Galerie durch Wolfgang Jahn ist der Künstler ihr treu geblieben und wird dort in einer Ausstellung unter dem Titel "Sehnsucht" präsentiert. Viele neuere Arbeiten sind zu sehen, aber auch Werke aus den zurückliegenden fünf Jahren. Und wie schon bei früherer Gelegenheit steht man wieder staunend vor dieser Farbexplosion in Öl und forscht den Malspuren nach. Denn Trenkler malt auf Holztafeln - als ob der frühe Kontakt mit den Meistern der Renaissancemalerei für immer eine Weiche gestellt hätte - aber er massiert die Farben förmlich in das Birkenholz ein. Das wirkt oft so transparent, dass die Anmutung ausgesprochen zeitgenössisch ist.

Das ganze Trenklersche Form- und Farbenrepertoire ist hier vertreten. Architektur-, Landschafts-, Mensch- und Tiersujets von farblich naturalistischer Darstellung bis hin zu einer an Fehlfarben erinnernden Umkehrungen der Farbgebung. Außergewöhnlich: das ganz in monochromen Rot gehaltene Landschaftsbild "Am Fluss" aus dem Pandemiejahr 2020 sowie das von einem drückend-roten Horizont geprägte Szenario "Le Flirt".

Eine Verbindung zu München stellt auch die Schau "Coloured Beauty" von Leif Trenkler im Buchheim Museum in Bernried am Starnberger See her. Dort hat man neben der Präsentation im Turmsaal zusätzlich im ovalen Saal des Erdgeschosses mit Bildern aus den vergangenen zehn Jahren eine Hommage an den verstorbenen Galeristen Pfefferle eingerichtet. Und so rührend diese Geste ist, die Umsetzung funktioniert leider nicht. Das in einem kräftigen Rosa gehaltene Oval ist mit der Retrospektive viel zu dicht behängt. Außerdem drückt die Wandfarbe auf die Höhe des Raums und damit auf die Bildwerke, so dass man sich unwillkürlich beengt fühlt.

So flieht man schnell nach oben, wo Trenklers Bilder in der Luftigkeit des Raumes wie befreit und für den Betrachter befreiend wirken. Hier entfalten die Farben wieder ihre Wirkung, hier kommen selbst die kleineren Formate mit eher gedeckten Farben - ja, auch das gibt es bei Trenkler - zur Geltung. Ob die Poolvillen Floridas und Kaliforniens oder die überfetten Landschaften, überall stellen sich Bezüge her zum Ausstellungsort. Besonders schöne Einblicke in das Werk Leif Trenklers ergeben sich, wo die Architekturelemente in den Bildern mit jenen im Raum in Dialog treten. Schließlich wirkt das Museum selbst wie ein großes stilisiertes Schiff mit Umgängen, Ausblicken, Balkonen und Relings, das am Rande des Starnberger Sees liegt. An Stellen, wo die Kunst wie der Raum das Draußen nach drinnen holen und das Innere nach draußen strahlt, ist die Ausstellung sehr stimmig. Das sind wunderbar intensive Momente, von denen man gerne mehr gehabt hätte.

Leif Trenkler: Coloured Beauty, Buchheim Museum, Am Hirschgarten 1 ⋅ Bernried, bis 10. Okt., Di-So 10-18 Uhr; Leif Trenkler: Sehnsucht, Galerie Wolfgang Jahn, Reichenbachstr. 47-49 RG, München, bis 14. Aug., Di-Fr 13-18 Uhr, Sa 12-16 Uhr; der Katalog "Leif Trenkler: Beauty" ist im Hirmer Verlag erschienen (35 Euro)

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