Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Ein Koffer voller Abenteuer

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Entrechtet von den Nazis, erfindet der jüdische Junge Hans Georg Friedmann einen Krimi-Helden

"Die Freunde sahen in etwa sechs Metern Höhe das Loch, durch welches das Gas einströmte. Da hatte Fred eine gute Idee. . ." Tom Lasker, der Superdetektiv, und sein Freund Fred entgehen der tödlichen Gefahr und können am Ende aus dem unterirdischen Keller fliehen. Kalt läuft es einem beim Lesen dieser Zeilen aus dem zwölften Band der "Tom Lasker"-Krimis den Rücken hinunter. Hans Georg Friedmann, der zwölfjährige Autor der Reihe, muss gewusst haben, was mit den Menschen passierte, die abgeholt wurden, einfach verschwanden. Die wie er, seine Schwester Lilo und seine Eltern in einer dieser überfüllten "Sammelwohnungen" in der Wiener Leopoldstadt leben mussten. Weil sie Juden waren.

"Tom Lasker - Mehr als ein Krimi" ist der Titel einer kleinen, besonderen Ausstellung im Janusz-Korczak-Haus. Hans Georg Friedmann war knapp zehn Jahre alt, ein gescheiter Schüler kurz vor dem Übertritt ins Gymnasium, als Österreich, mehrheitlich naziberauscht, dem deutschen Reich beitrat. Die Friedmanns, eine gut situierte jüdische Familie, verloren all ihre Rechte und Habe. Bislang in einer Welt voller Bücher und Kunst aufgewachsen, entfloh Hans Georg nun der grausamen Realität und erfand Tom Lasker, den Detektiv, der mit allem und jeden fertig wird. Nach dem Vorbild der damals beliebten Heftchenromane schickte Hans Georg seinen Helden in ferne, exotische Länder. Er entwarf, überaus begabt und mit den wenigen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, die Titelseiten seiner insgesamt 13 Abenteuer-Geschichten, die stets auf Seite 32 endeten - und immer gut ausgingen. Hans Georgs Leben endete 1945 im KZ-Außenlager Kaufering, dorthin hatte man ihn und seinen Vater deportiert, die Mutter und Lilo starben in Auschwitz.

Die Schau in der Janusz-Korczak-Akademie zeigt Zeichnungen des Jungen, Leseproben aus den Geschichten, Familienfotos und Dokumente der "Arisierung" von jüdischem Besitz. Die Journalistin Katrin Diehl hat die Ausstellung von Wien nach München geholt. Sie berichtet von einer Kette von Zufällen, denen zu verdanken ist, dass Hans Georg und sein Werk nicht vergessen sind: Da ist das Kindermädchen der Friedmanns, Marie Mikesch, die alle Zeichnungen und Papiere in einem Koffer verwahrte. Eine Tante Hans Georgs traf Marie nach dem Krieg zufällig beim Schneeschippen in Wien auf der Straße. Mittlerweile ist der Koffer im Besitz von Toni Spielmann, 81, dem Cousin, der auch Mitglied der Schweizerischen Korczak-Gesellschaft ist. Über ihn erfuhr die österreichische Historikerin Heide Manhartsberger-Zuleger von dem Jungen und schuf mit Robert Streibel von der Volkshochschule Wien-Hietzing die Schau, die dort zum ersten Mal zu sehen war. Toni Spielmann hat von den 13 "Tom Lasker"-Bändchen Faksimiles drucken lassen. Nur für sich. Katrin Diehl wünscht sich nun, dass von Hans Georgs Abenteuer-Geschichten, das von seiner Geschichte möglichst viele Menschen erfahren. Nächste Woche trifft sie sich mit einem Verleger.

Die Ausstellung in der Janusz-Korczak-Akademie, 2. Stock, Sonnenstraße 8, ist bis 4. April (außer an Feiertagen) montags bis donnerstags von 10 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung (Telefon 37 94 66 40) zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 23.03.2018
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