"Ich war in vieler Augen doch nur eine unnötige Beigabe zu Kandinsky. Dass eine Frau ein ursprüngliches, echtes Talent haben und ein schöpferischer Mensch sein kann, das wird gern vergessen" notierte Gabriele Münter 1926 in ihrem Tagebuch. Tatsächlich steht in der Rezeptionsgeschichte dieser Malerin meist ihre Beziehung zu ihrem zeitweiligem Lebensgefährten Wassily Kandinsky im Vordergrund, respektive jene Werke, die sie während der kurzen Blauen-Reiter-Zeit schuf.
Die Künstlervereinigung löste sich nach dreijährigem Bestehen mit Beginn des Ersten Weltkriegs auf. Gabriele Münter aber, 1877 geboren, lebte bis 1962 und hörte mit ihrer Kunst nie auf. Sie wiederholte sich in ihren Sujets und Stilen auch nicht ständig, wie ebenfalls noch gelegentlich zu lesen ist.
Unter diese beschränkte Wahrnehmung wollen die Gabriele-Münter-Stiftung und das Lenbachhaus nun endgültig einen Schlussstrich ziehen und in einer großen Ausstellung die Vielseitigkeit der experimentierfreudigen Künstlerin herausarbeiten. Im Kunstbau des Lenbachhauses werden etwa 130 Arbeiten gezeigt, mehr als die Hälfte wurden bislang noch nie vorgestellt. Im Gegensatz zu bisherigen Münter-Ausstellungen - die letzte große in München war übrigens 1992 - folgt die Schau nicht chronologisch Münters Leben, sondern gliedert sich in zehn thematische Kapitel, die Gemälde aus den verschiedenen Lebensphasen enthalten.
Die Abschnitte stellen klassische Gattungen wie Porträt oder Landschaft in den Mittelpunkt, widmen sich aber auch der Abstraktion, der Neuen Sachlichkeit oder dem "Primitivismus", mit dem sich aktuell auch eine kleine Sonderausstellung im Murnauer Münterhaus befasst. Ein eigener Abschnitt beschäftigt sich mit Münters Fotografien, vor allem mit den Aufnahmen, die sie 1899 während ihrer Nordamerikareise machte und mit denen sie ihren Sinn für Komposition schulte. 2006 wurden die Fotos bereits gezeigt, dieses Mal werden sie der Malerei gegenübergestellt.
Die Künstlerin selbst war mit ihrer Rezeption nicht unzufrieden. Sie schrieb kurz vor ihrem Tod am 19. Mai 1962: "Es ist nun eingetreten, was Kandinsky mir schon früh prophezeit hatte, wenn ich als Frau immer zurückgesetzt und übersehen wurde, dass spät, aber sicher die allgemeine Anerkennung kommen werde."
Gabriele Münter: Malen ohne Umschweife, Dienstag, 31. Okt. bis 8. April, Kunstbau im Lenbachhaus, Di., 10-20 Uhr, Mi.-So., 10-18 Uhr