Ausstellung:Street Art - bezahlt und ganz legal

Ausstellung: Der grüne Hulk als Straßenkunst-Kämpfer - dass Künstler wie Oakoak auf Comic-Figuren zurückgreifen, kommt in der Street Art häufig vor.

Der grüne Hulk als Straßenkunst-Kämpfer - dass Künstler wie Oakoak auf Comic-Figuren zurückgreifen, kommt in der Street Art häufig vor.

(Foto: Rainer Christian Kurzeder)

Noch vor wenigen Jahrzehnten landete man für das Graffiti-Sprühen in Stadelheim. Jetzt ist Künstlern wie Banksy, Daze oder Ron English in der Kleinen Olympiahalle eine Ausstellung gewidmet.

Von Jürgen Moises

Als Niels Shoe Meulmann vor gut 30 Jahren in München war und dort Graffiti an die Wand sprühte, landete er für drei Wochen in Stadelheim. "Heute bezahlen sie mich dafür, das Gleiche wieder hier zu tun", sagt der Graffiti-Pionier aus Amsterdam. "Das ist schon irgendwie ironisch."

Eine Geschichte, die auf recht humorvolle Art den Wahrnehmungs-Wandel widerspiegelt, den Graffiti in der Zwischenzeit erfahren haben. Oder auch die Street Art allgemein. Unter diesem hippen und authentisch klingenden Begriff werden Graffiti neben zahlreichen anderen Formen der Straßenkunst in Galerien, Museen oder auf Messen heute vermarktet.

Mit Erfolg. Tatsächlich werden Street-Art-Bilder teilweise teuer gehandelt, für ein Bild des Superstars Banksy zahlen Bieter bei Auktionen schon mal mehr als eine Million Euro. Trotzdem ist das nicht genehmigte Sprühen oder Malen auf öffentlichen Wänden in München und anderen Städten natürlich immer noch illegal. Weshalb man die Aussage von Niels Shoe Meulmann etwas einschränken muss.

Auf Einladung, bezahlt und ganz legal durfte der Künstler diesmal in der "Magic City" malen. Einer Wanderausstellung, die aktuell in der Kleinen Olympiahalle Station macht und die in ihren vielen unterschiedlichen Facetten die "Kunst der Straße" präsentiert, mit Arbeiten von insgesamt 66 Künstlern aus 20 Nationen.

Dabei sind nicht nur Graffiti, also die gesprühten Schriftzüge und Zeichen, mit denen die Street-Art-Kultur in den Sechzigerjahren auf amerikanischen U-Bahnen begann. Ein paar dieser U-Bahn-Graffiti sieht man in der Ausstellung auf Fotos von Henry Chalfant und Martha Cooper, die als erste die New Yorker Graffiti-Kultur Ende der Siebzigerjahre dokumentiert haben.

Der Künstler Fino'91 hat dazu ein U-Bahn-Modell gebaut, durch das gefilmte "echte" U-Bahnen rauschen. Auch das kann eben heute Street Art sein. Ebenso dreidimensionale Skulpturen und Objekte oder auch 3-D-Gemälde, sogenannte Anamorphe Malerei, die, könnte man sagen, die zentralperspektivischen Spielchen der Renaissance und des Barocks weiterspinnt oder wie bei dem Chinesen Qi Xinghua auf traditionelle Tuschetechniken zurückgreift.

Streetart-Festival 'Magic City - Die Kunst der Straße'

Bei der anamorphischen Malerei inszenieren Künstler wie Qi Xinghua illusionistische 3-D-Welten.

(Foto: Alexander Heinl / dpa)

Auch ein von der polnischen Künstlerin Olek bunt behäkeltes Karussell gibt es zu sehen, und zwar auf dem Marktplatz der "Magic City". Denn mit Marktplatz, einer Stadthalle, einem Kino, Spielplatz, Café und sogar einem Rotlichtviertel haben die Aussteller versucht, tatsächlich eine Art Kleinstadt aufzubauen.

Das war schon in Dresden so, wo die "City" im vergangenen Oktober ihre Premiere hatte. Nur ist die Stadt aufgrund anderer Vorgaben nun etwas anders gebaut, auch ihre "Einwohner" haben sich geändert. Denn an jedem Ort der Wanderschaft - nach München folgen Stockholm, Paris und Philadelphia - kommen neue Künstler ins Programm.

Street Art im realen Umfeld fehlt der Ausstellung

Dazu gehören hier zahlreiche Münchner in einem Sonderprogramm, das Astrid Weindl vom Münchner Jugendzentrum Färberei mit Akim Walta alias Zebster aus Berlin organisiert. Neben regelmäßigen Workshops gibt es wechselnde Ausstellungen, die von Münchner Künstlern wie Z-Rok, C 100 und Patrick Hartl gestaltet werden, teilweise mit Gästen aus Japan, Indien oder Nowosibirsk.

Auch eine geführte Bus-Tour durch München wird angeboten, damit man die Street Art dort erleben kann, wo sie eigentlich hingehört: auf der Straße. Realisiert wurde die Ausstellung von SC Exhibitions, demselben Veranstalter, der vor einigen Jahren "Tutanchamun - Sein Grab und die Schätze" durch die Städte schickte. Mit künstlichen Welten kennen sich die Organisatoren also aus, zeichnete sich "Tutanchamun" doch dadurch aus, dass seine Schätze nicht echt, sondern lebensecht rekonstruiert waren.

Kuratiert hat "Magic City" der Amerikaner Carlo McCormick, der sich seit vielen Jahren mit Street Art beschäftigt und in der Szene ein sehr gutes "Standing" hat. Was auch erklärt, dass sich etwa mit Banksy, Blek le Rat, Daze, Dan Witz, Ron English oder Shepard Fairy einige wirklich große Namen unter den "Bewohnern" finden. Von Banksy sind zwei seiner berühmten Ratten-Motive zu sehen sind, auch von Xavier Prou alias Blek Le Rat gibt es ein Bild mit Ratten. Der Franzose gilt als Urvater der Stencil-Street-Art, also der Arbeit mit Schablonen.

Mit Daze, Dan Witz und Ron English sind drei Dinosaurier der amerikanischen Street Art vertreten, die seit den Siebzigern aktiv sind. Chris Ellis alias Daze hat damals mit dem Besprühen von U-Bahnen begonnen, einige seiner Werke waren bereits 1984 in München in der Galerie Thomas zu sehen. Dan Witz ist bekannt für seine sozialkritischen "Interventionen", in der "Magic City" hat er eine Telefonzelle bemalt.

Mit Temper Tot hat wiederum Ron English eine Figur kreiert, die wie ein Kind des Comic-Superhelden Hulk aussieht. Ein zorniges, grünes Baby, das insofern eine typische Street-Art-Figur darstellt, als sich auch viele andere Künstler von Comics inspirieren lassen.

Im Jahr 2012 war English genauso wie Shepard Fairey sogar selbst als Comic-Figur zu sehen, und zwar in einer Folge der Serie "Die Simpsons". Von Fairey, der 2008 für Barack Obama das ikonische "Hope"-Poster gestaltet hat, gibt es in der Ausstellung drei Drucke im für ihn typischen Schablonen-Stil. Das Thema: Angst und Überwachung.

Für Abwechslung ist in der "Magic City" jedenfalls gesorgt. Ihr einziges Manko ist vielleicht, dass eben doch der reale, urbane Raum fehlt, aus dem die Street Art ihre Spannung, Reibung, ihren rebellischen Geist bezieht, und gegen dessen Kommerzialisierung und Privatisierung zahlreiche Street-Art-Künstler angehen. Dass das immer schwieriger wird, konnte man von Daze bereits bei der Premiere in Dresden erfahren. Um die wenigen großen, öffentlichen Plätze herrsche, so der Amerikaner, inzwischen ein regelrechter "Kampf". Auch dass es dort immer mehr Glasgebäude gibt, sei ein Problem. Also Gebäude, die Transparenz und Öffentlichkeit versprechen. Nur dummerweise lassen sie sich äußert schlecht bemalen.

Die Ausstellung ist bis 3. September in der Kleinen Olympiahalle, Spiridon-Louis-Ring 21, zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 10 bis 18 Uhr, am Samstag bis 22 Uhr. Der Eintritt kostet 14,90 Euro, für Schüler 7,90 Euro.

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