Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Der Tanz von Kraft um eine Mitte

In Kochel sind 14 Skulpturen von Franz Marc zu sehen, eingebettet in Gemälde und Zeichnungen

Von Sabine Reithmaier, Kochel am See

Als Maria Franck im Februar 1906 Franz Marc zum ersten Mal im Atelier besuchte, gab es an Malerei kaum etwas zu besichtigen. Die Zeichnung eines Heuwagens in der Sonne, dazu einige Pferde- und Almstudien - mehr hing nicht an den Wänden und "alles ohne eigene Note, wie mir schien". Aber da stand noch eine kleine Plastik aus Wachs, eine Gruppe mit liegenden und stehenden Schafen. "Instinktiv habe ich damals gewusst, wer so aussieht wie er, wer solche ausdrucksvollen Hände hat und diese kleinen Plastiken gemacht hat, der muss ein außergewöhnlicher Künstler sein oder werden." Die schwärmerische Erinnerung Maria Marcs, festgehalten in ihren Memoiren "Mein Leben mit Franz Marc", muss man nicht unbedingt teilen, aber die Gelegenheit nutzen und sich die Skulpturen des Malers im Kochler Franz-Marc-Museum anzusehen, sollte man schon.

16 Skulpturen hat der Mitbegründer des Blauen Reiters zwischen 1904 und 1914 geschaffen. Eine kleine, aber nicht unwichtige Werkgruppe, da sich an den Plastiken gut seine wechselnden Interessen ablesen lassen. In Kooperation mit dem Kunstmuseum Moritzburg ist es Museumschefin Cathrin Klingsöhr-Leroy gelungen, 14 davon in Kochel zu zeigen, neben den Entwürfen in Wachs auch Bronzegüsse und Marcs Steinskulpturen. Neben den Schafen schuf er, oft in mehreren Ausführungen, Katzen, Bären, ein Panther, natürlich Pferde und einen unvollendeten Frauentorso, in dem Rodin allerdings präsenter ist als Franz Marc. Und oft unterscheidet sich der Wachsentwurf stark vom späteren Guss, von denen die meisten erst posthum entstanden. Die mehrfarbigen Schafe, die seiner zukünftigen Frau so gefielen, modellierte er während der Sommermonate, die er in den Jahren 1905 bis 1907 regelmäßig auf der Staffelalm am Rabenkopf verbrachte. Vermutlich plante er nie, sie in Bronze gießen zu lassen, anders als die Skulptur "Zwei Pferde". Er habe die Gruppe in kurzen zwei Tagen in Pasing aus Wachs modelliert, schrieb er im Dezember 1908 an Maria. "... fein, das kann ich Dir schwören. Ich werde jetzt jedenfalls versuchen, mir mit Bronze-Plastiken Geld zu machen." Anfang 1909 ließ er die Pferde in zweifacher Ausfertigung gießen.

Abgesehen von der Hoffnung, endlich Geld zu verdienen, hatte er zu diesem Zeitpunkt längst begonnen, sich nahezu obsessiv mit der Körperhaltung der Pferde zu beschäftigen. Im Fall der "Zwei Pferde" hält er eine Kreisbewegung auf einem runden Sockel fest, das sich umwendende Pferd beschnuppert die Kruppe des anderen. "Das Kreisen des Blutes in den beiden Pferdekörpern, ausgedrückt durch die mannigfachen Parallelismen und Schwingungen der Linie", beschreibt er in seinem ersten, 1909 entstandenen theoretischen Text "Über das Tiermotiv in der Kunst" seine künstlerische Intention. Die großformatigen Pferdegemälde, die er 1909 und 1910 in Sindelsdorf malte, vernichtete er noch allesamt. Für Klingsöhr-Leroy der Beleg dafür, dass die plastische Arbeit für Marc die Funktion eines Katalysators hatte und oft ein Ausgangspunkt für Neuentwicklungen war. Marc war sich darüber klar, dass ihm mit seiner Pferdeskulptur bereits ein richtiger Schritt in die von ihm angestrebte Richtung gelungen war, malerisch umsetzen konnte er sie seiner Meinung nach aber noch nicht. Trotzdem: Kunsthändler Brakl war auch unzufrieden mit der Plastik, einer "ungeschlachten, rohen Arbeit". Der kommerzielle Erfolg, den sich Marc erhofft hatte, blieb wieder aus.

Was in der Schau gut funktioniert, ist das vergleichende Betrachten, die Skulpturen sind eingebettet in Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle, Grafiken. Der Dialog veranschaulicht dadurch fabelhaft Marcs Ringen um seine ästhetischen Ziele. Und mit einem leisen Schauer steht man vor der letzten Skulptur, die Marc kurz vor dem Krieg 1914 vollendete: einer Schimäre, die den Besucher mit gelben Augen unverwandt fixiert.

Franz Marc - die Skulpturen, verlängert bis 31. Januar 2021, Franz-Marc-Museum Kochel am See

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SZ vom 19.05.2020
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