Ausstellung:Das pralle Leben

Die Graphische Sammlung in der Pinakothek der Moderne zeigt Werke von K. H. Hödicke. Der vielseitige Künstler gilt als Wegbereiter des deutschen Neoexpressionismus und als einer der wichtigsten Anreger der "Neuen Wilden".

Von Evelyn Vogel

Im Grunde kann eine Retrospektive in einer Graphischen Sammlung dem Künstler Karl Horst Hödicke nicht ganz gerecht werden. Denn der mittlerweile 82 Jahre alte Künstler sprengt mit seinem umfassenden Werk aus Malerei, Skulptur und Film die Grenzen dessen, was hier in der Regel gezeigt wird.

Dennoch ist die Retrospektive K. H. Hödickes in der Pinakothek der Moderne gut aufgehoben. Nicht nur, weil der 1938 in Nürnberg geborene Künstler, der seit 1957 in Berlin lebt, bei Fred Thieler Malerei studierte und von 1974 bis 2005 selbst als Professor an der Berliner Hochschule der Künste Malerei unterrichtete. Er wird auch als Wegbereiter des deutschen Neoexpressionismus und als einer der wichtigsten Anreger der sogenannten "Neuen Wilden" beschrieben, und gilt zusammen mit Baselitz, Immendorff, Lüpertz und anderen als bedeutender Vertreter der Neuen Figuration. Gemeinsam mit Markus Lüpertz und Bernd Koberling gründete er 1964 die Produzenten- und Selbsthilfegalerie "Großgörschen 35". Denn kaum hatte die Nachkriegsavantgarde mit der Hinwendung zur Abstraktion Anschluss an die internationale Moderne gefunden, begehrten junge Studenten wie Hödicke Mitte der Sechzigerjahre mit ihren provozierend realistischen Bildwelten gegen die akademisch verordnete Abstraktion und das ihrer Meinung nach erstarrte deutsche Informel auf. Mit dynamisch fließendem Gestus und in leuchtend-expressiver Farbigkeit malte er Großstadtsujets, die er "Reflexionen" nannte.

Ausstellung: Einer der Anreger der "Neuen Wilden": Karl Horst Hödicke 1982 im Atelier Dessauer Straße.

Einer der Anreger der "Neuen Wilden": Karl Horst Hödicke 1982 im Atelier Dessauer Straße.

(Foto: Elvira Hödicke)

Die Ausstellung "K. H. Hödicke. Eine Retrospektive" der Graphischen Sammlung in der Pinakothek der Moderne gibt einen umfassenden Überblick über seine wichtigsten Werkphasen seit den frühen Sechzigerjahren. Im Mittelpunkt stehen die großformatigen "Malereien auf Papier", die Hödicke "Trainingsläufe" nennt. Hinzu kommen noch die "DIN-A4-Zeichnungen", die unter den kleinformatigen Zeichnungen eine Sonderstellung einnehmen. Mehr als 80 Blätter werden hier gezeigt. Außerdem in der Schau zu sehen: eine Auswahl seiner sogenannten "Croquis-Studien" auf Kartonpappen, malerische Hauptwerke aus der Serie "Reflexionen" und "Spiegelungen" sowie kleinformatige Bronzen.

Stolz verweist die Graphische Sammlung München darauf, dass Karl Horst Hödicke nun erstmals einem Kurator die Möglichkeit gegeben habe, die in seinem Besitz befindlichen Werke über einen Zeitraum von zwei Jahren vollständig zu sichten, Werkgruppen zu bündeln und unter bestimmten kuratorischen Aspekten thematisch zusammenzustellen. So veranschauliche ein "Informel-Saal" neben dem Bruch auch "seine fortgesetzte produktive Auseinandersetzung mit der gegenstandslosen Malerei". Eine "Berlin-Suite" mache deutlich, dass er "nicht als Berlin-Chronist" zu verstehen sei. Eher sei es "ein genuines Lebensgefühl", das ihn an dieser Stadt fasziniere und das er dokumentiere. Mehr Berlin geht nicht.

K. H. Hödicke. Eine Retrospektive, bis zum 13. Sep., Di.-So. 10-18 Uhr, Do. 10-20 Uhr, Pinakothek der Moderne, Barer Straße 40, www.pinakothek-der-moderne.de, Telefon 23805360

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