Comic-Ausstellung:Wenn der Baum zurückschlägt

Comic-Ausstellung: Die Zeichnerin Martina Fischmeister lässt eine Frau in ihrer Wohnung Samen pflanzen, die wundersame Wirkung entfalten.

Die Zeichnerin Martina Fischmeister lässt eine Frau in ihrer Wohnung Samen pflanzen, die wundersame Wirkung entfalten.

(Foto: Martina Fischmeister/Tschechisches Zentrum)

Menschen sind wie Zimmerpflanzen: In einer sehenswerten Ausstellung im Tschechischen Zentrum München befassen sich Comic-Künstler mit "Mutter Natur".

Von Jürgen Moises, München

Es steht nicht gut um Mutter Natur. Zumindest in der Geschichte, die Jens Natter in seinem Kurz-Comic erzählt. Darin sieht man sie als Riesenfrau mit grünen Haaren, die sich liebevoll um ihre Menschen kümmert. Aber was machen die: Sie vermehren sich, hacken die Bäume ab, bauen Städte und bringen Mutter Natur schließlich ins Grab. Um danach mit einer Rakete auf einen anderen Planeten zu verduften, wo, darf man mal raten, das Spiel von neuem beginnt. Anschauen kann man sich die wortlose, von dem Hamburger Illustrator und Comic-Zeichner bewusst plakativ überzeichnete Geschichte im Tschechischen Zentrum München. "Mutter Natur" heißt die sehr sehenswerte Ausstellung, in der sich insgesamt neun deutsche und tschechische Comic-Künstler mit dem Konzept einer personifizierten Natur auseinandersetzen.

Entstanden sind deren jeweilige Comics im tschechischen Klenová. Dort, in den Ausläufern des Böhmerwaldes, findet seit 2015 in der Galerie Klatovy alle zwei Jahre ein tschechisch-deutsches Comic-Symposium statt. Jeweils zu einem ausgesuchten Thema, mit dem sich die teilnehmenden Künstler eine Woche lang vor Ort beschäftigen. Im Jahr 2021 waren vier deutsche und fünf tschechische Zeichner eingeladen, von denen man in Deutschland vielleicht Moritz Stetter wegen seines 2020 erschienenen Beethoven-Comics kennt. Die tschechischen Künstler dürften dagegen noch völlig unbekannt sein. Wobei man, mal abgesehen von Jaromir 99 ("Alois Nebel"), hierzulande allgemein kaum Comic-Zeichner von dort kennt. Und wie auch. Sind doch aktuell nicht mal Bücher des 2015 verstorbenen Großmeisters Kája Saudek in Deutschland erhältlich.

Müll, Erderwärmung und Tiersterben als Schreckensbilder

Um so verdienstvoller, dass sich das Tschechische Zentrum in den letzten Jahren verstärkt dem Medium Comic widmet. So konnte man dort 2019 in einer Ausstellung "Ein Jahrhundert des tschechischen Comics" kennenlernen und 2021 war mit "Hier und jetzt" ein kleiner Überblick über die aktuelle Comic-Szene zu sehen. Jetzt also "Mutter Natur", und wie bei "Hier und jetzt" gibt es auch nun spannende Talente zu entdecken. Dazu gehört etwa Anastasia Stročkova, die in einem etwas wilderen schwarz-weißen Stil eine ganz ähnliche Geschichte wie Jens Natter erzählt. Hier landen Menschen mit einem Schiff auf einer Insel und bauen eine Fabrik. Als sie bemerken, dass es der Natur nicht gut geht, errichten sie für einen Baum ein Haus. Aber auch das findet kein gutes Ende.

Comic-Ausstellung: Post-Apokalypse in Schwarz-Weiß: Tomáš Motal lässt die Natur sich rächen.

Post-Apokalypse in Schwarz-Weiß: Tomáš Motal lässt die Natur sich rächen.

(Foto: Tomáš Motal/Tschechisches Zentrum)

Bei Tomáš Motal stecken wir bereits in einer schwarz-weißen Post-Apokalypse. In einer Leiche wird ein kleiner Baum-Sämling entdeckt. Ein junger Mann nimmt ihn mit in ein Labor, wo er wächst und sich dann an den Menschen rächt. Alice Břečková steigt ebenfalls mit Müll, Erderwärmung und Tiersterben als Schreckensbildern ein, dreht das Ganze dann aber um zu einer Art Selbstermächtigungsgeschichte, in der es heißt: Man solle erst an sein eigenes Glück denken. Weil man nur dann die nötige Kraft habe, um Gutes zu bewirken. Lukáš Komárek lässt in verträumten Pastellzeichnungen ein junges Mädchen die Entdeckung machen, dass ein wilder Garten viel besser als ein mit dem Zirkel gezogener ist. Und Martina Fischmeister dockt in ihrer wortlosen Geschichte an das Märchen "Hans und die Bohnenranke" an. Bei ihr ist es eine Frau, die in ihrer Wohnung Samen pflanzt, die eine riesige Pflanzenwelt hervorbringen.

Plädoyer für eine Verfassung der Pflanzen

"Pflanzenwesen" hat wiederum die in Wien lebende Jeanne Marie Dauer ihren Comic genannt, in dem sie von einer Frau erzählt, die Pflanzen mehr liebt als Menschen. Und wo man erfährt, dass wir doch eigentlich auch "wie die Zimmerpflanzen" sind. Die Berlinerin Karolina Chyzewska lässt in ihrem dokumentarischen Buntstift-Comic Vögel von ihrem Leben in der deutschen Hauptstadt berichten. Und Moritz Stetter klärt darüber auf, dass Pflanzen erinnern, kommunizieren, sehen, manipulieren können und plädiert am Ende dafür, "eine Verfassung der Pflanzen zu schreiben". Weil das nicht nur sie, sondern uns selbst schützt.

Viel Stoff also zum Sehen, Lesen, Nachdenken, der durch in der Ausstellung gezeigte Kurzvideos noch erweitert wird, in denen die Zeichner über ihre Arbeiten sprechen. Sehr zu empfehlen ist auch der Text von Pavel Korinek über "umweltbezogene Themen in tschechischen und internationalen Comics", der im ausliegenden Ausstellungskatalog zu lesen ist. Am 10. Februar findet via Zoom um 18 Uhr zudem ein Artist Talk mit Janne Marie Dauer, Lukáš Komárek und der Kuratorin und Künstlerin Štěpánka Jislová statt (Anmeldung unter ccmunich@czech.cz). Ach, und 2023 sollte man dann beim Münchner Comicfestival vorbeischauen. Denn wie man hört, soll es dort einen kleinen Tschechien-Schwerpunkt geben.

Mutter Natur, bis 25. Feb., Tschechisches Zentrum, Prinzregentenstr. 7, munich.czechcentres.cz

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