Ausstellung:Bewusst unterbewusst

Die "Reflexionen" von Pepsch Gottscheber im Olaf Gulbransson Museum am Tegernsee

Von Susanne Hermanski

Dieses kleine München will hoch hinaus, und dafür streckt es sich. Bis hin zur Lächerlichkeit. Das wissen die, die es trotzdem lieben. Als Pepsch Gottscheber 1966 nach dem Absolvieren der Grazer Kunstgewerbeschule aus seiner österreichischen Heimat - die immer hin die Weltmetropole Wien ihre Hauptstadt nennt - in die Stadt zog und sich verliebte, sah er das freilich. Der 20-Jährige blieb also. Er jobbte erstmal als Fotograf, Siebdrucker, Vertreter, Chauffeur und Beleuchter. Doch sein eigentliches Talent lag im Genauer-als-genau-Hinschauen und das Erkannte aufzuzeichnen. Seine erste politische Karikatur erschien folgerichtig 1974 in der Süddeutschen Zeitung. Regelmäßig belieferte er fortan Stern, Die Zeit, Die Presse, Weltwoche, Tages-Anzeiger und andere. Er veröffentlichte Bücher und illustrierte Literatur für Kinder und Erwachsene.

Jetzt ist seinem Werk eine Ausstellung gewidmet, im Olaf Gulbransson Museum am Tegernsee, einem Ort, der derzeit also doppelt lockt. Mit Bergsonne und jenen Wasserbömbchen, die einer wie Gottscheber in der Lage zu werfen ist. Nass macht er damit die Mächtigen, die Wichtigen, die Wichtigtuerischen. Er trifft sie mit seinem einen Bild zielgenauer als mancher 1000-Worte-Text des Journalisten von der Spalte nebenan. Gottschebers Vokabular ist schließlich überreich an Symbolen, Metaphern, Allegorien, stilistischer malerischer Vielfalt, Beobachtungsgabe, Urteilsvermögen und - nicht zu unterschätzen - an Mut.

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Ist das ein Adler oder Geier, der da über "Münchhattan" kreist? So nennt der Zeichner seine Vision vom Mega-Minga. Zeichnung: Pepsch Gottscheber

Gottscheber stellt dem neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten in den Vorgarten des Weißen Hauses schon mal ein Heer von Gartenzwergen, deren extrem spitze Zipfelmützen bis auf die Schultern herunterreichen, und die Schnellfeuergewehre statt Blumenkörbchen tragen. Der Klan, klar. Das Treiben eines Trump, Erdogan, Johnson oder Kim bringt Gottscheber - der immer nur als "Pepsch" signiert - mit wenigen Strichen auf den Punkt. 2019 hat der Karikaturist sie allesamt auf einer Zeichnung vereint, als fiese Clowns mit Joker-Masken, die feixend in einer Gedankenblase über einem armen Tropf schweben. Der liegt gerade bei seinem Psychiater auf der Couch.

Die Psychologie der Menschen zu demaskieren, ist wohl die größte Leidenschaften Gottschebers. Trotzdem erhebt er sich nicht über sie. Das weiß man, so man das Vergnügen hat, ihm einmal persönlich zu begegnen. Da erzählt er mit feiner Miene und freundlicher Stimme gleich von seinen Zweifeln hinsichtlich des einen oder anderen Blatts, die ihn bei der Entstehung umgetrieben haben. Und dass er beim Sichten des eigenen Archivs für die Ausstellung förmlich von sich selbst überrascht worden sei. "Das Unterbewusste und das Bewusste" im gleichen Bild sichtbar zu machen, das sei sein größter Wunsch. Dass für Doppeldeutigkeiten und Zwischentöne dieser Art immer weniger Platz und Verständnis zu herrschen scheint, dass Karikaturen und Cartoons in den Medien heute eine vom Aussterben bedrohte Art sind, das beklagt der Pepsch. Doch in eigener Sache tut er es dezent und leise. Wenn es nicht so absurd klingen würde im Falle eines Karikaturisten, möchte man sagen: Schwarzweiß-Malerei ist nicht seine Art.

Ausstellung: Weißer Schopf, Zeichen des Zeichners: Pepsch Gottscheber.

Weißer Schopf, Zeichen des Zeichners: Pepsch Gottscheber.

(Foto: Florian Heine)

Bei allem Ergründen der menschlichen Niederungen ist Gottscheber nie nur Geißel des kleinen Mannes. Man wende dafür den Blick auf Pepschs Cartoons. Da steht das Würstel dann beispielsweise, als Leptosom im Feinripp-Höschen mit seinen Hanteln und träumt hinter seinen Brillengläsern beim "Aerobic" von einer Erotik mit üppigen Superfrauen im fleischrosa Salon. Dass Gottscheber dafür zur Farbe greifen muss, versteht sich von selbst.

Zu den kolorierten Arbeiten zählen auch seine vorzüglichen München-Ansichten. "Münchhattan" etwa, eine großformatige Arbeit aus dem Jahr 2005. Darin zeichnet er die Wahrzeichen der Stadt von Frauentürmen über die Feldherrnhalle bis zum Alten Peter - ganz im Sinne moderner Städteplanung immer weiter verdichtet - wie sie eng gedrängt und erst auf den zweiten Blick klar zu erkennen, auf Wolkenkratzern in den Himmel geschoben werden. Da wünscht man sich mehr und immer mehr, solch mahnende, hochfliegende Ideen.

Reflexionen - Karikaturen und Zeichnungen von Pepsch Gottscheber, bis 8. November, Olaf Gulbransson Museum Tegernsee

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