Hellblau und ruhig schimmert die Wasseroberfläche an diesem Sonntag. Für reine Badegäste ist das Freibad geschlossen, dafür stehen Musikliebhaber in abstandsgerechter Schlange am Hintereingang des Prinzregentenbads an. Nur 275 Musikgenießer durften sich beim "Aussen: Welt" auf sieben Bands freuen. Ein ganz besonderes Vergnügen in diesem festivalfreien Sommer. Im Vorfeld gab es per Mail die Regeln: Mund-Nasen-Bedeckung und eine Decke zum Sitzen mitbringen. Außerdem herrscht leider Tanzverbot. An der Kasse bekommt man eine Nummer, die zu einem kleinen weißen Kreidequadrat auf der Wiese passt, das an ein Mini-Fußballfeld erinnert. "Euer Platz zum Musikhören und lümmeln" steht da, daneben steckt ein winziger Papiersonnenschirm. Viele sind früh am Nachmittag gekommen. Pärchen, Freunde, junge Familien bilden "Deckengemeinschaften" und lauschen der Folkmusik mit Banjo auf der Akkustikbühne; liebevoll gefaltete Origami Windspiele aus buntem Papier drehen sich ringsherum in den Bäumen.
Das Festival, organisiert von einer Gruppe junger Münchner, die öfter Konzerte veranstalten, fand zum ersten Mal statt. Den vierzehn zum Teil ehemaligen Münchnern geht es dabei um die Musik, die sie lieben, um Kunst und Gedanken in neuen Räumen und um Bezahlbarkeit statt Gewinn. Auf so viel Gegenliebe stoßen sie damit, dass das Festival schnell ausverkauft war. Um 18 Uhr heißt es eine Wiese weiter ziehen: zur Hauptbühne. Das nummerierte Plätzchen findet sich wie versprochen auch hier und während sich die spätsommerliche Sonne langsam senkt, wechseln einige Besucher noch schnell ins Badeoutfit, um ein paar Runden zu schwimmen.
Musikalisch verspielt wird es mit My Sister Grenandine. Das Duo experimentiert mit Stimmen, Ukulele und Horn. Ob Gedicht oder Song - hier zählt der Ausdruck. Ein Foodtruck lockt mit Abendessen, etwa tibetische Duplins mit extrascharfer Soße. Auf dem Drei-Meter-Sprungbrett streckt sich eine Skulptur aus schwarzen und weißen Luftballons. Da fängt schon die nächste Band an: Elk aus Berlin verführen mit ihrer rein instrumentalen Musik in schwebende Räume. So wird die Decke zum fliegenden Teppich durch die bunt explodierende Lichtshow. Es folgt Dekker. Der Songwriter aus Nottingham saß eben noch selbst in einem Mini-Fußballfeld auf einer Deckengemeinschaft und freut sich endlich wieder für "beating hearts", die schlagenden Herzen der Schwimmbad-Pop-Fans spielen zu können. Auch die Musiker haben ihr Publikum vermisst. Mindestens ebenso stark wie die Musikliebhaber die Live-Musik - besonders die ganz spezielle Romantik solcher Indie-Sommer-Festivals. Mit fröhlichem Applaus bedankt sich das Publikum für die gute Energie. Zum antialkoholischen Kräutercocktail gibt es dann auch schon den Auftritt der Headliner. The Notwist testen den Schwimmbad-Sound, dann folgt ein einstündiger Auftritt. Und gekonnt trösten Notwist mit ehrlich hoffenden Klängen über das nahende Ende des Sommer hinweg. Ein wunderbares Erlebnis, trotz Krise, trotz Virus, trotz Mini-Fußballfeld-Begrenzung. Bis zum nächsten Jahr.